Rochade bei MedienhausChefredaktor Jonas Projer muss bei der «NZZ am Sonntag» gehen
Der ehemalige SRF-Moderator und Blick-TV-Chef wird bei der «NZZ am Sonntag» wegen Differenzen abgesetzt.

Die «NZZ am Sonntag» trennt sich von ihrem Chefredaktor Jonas Projer. Grund für Projers Abgang seien «strategische Differenzen», heisst es in einer Medienmitteilung der NZZ. Die interimistische Leitung übernehmen Anja Burri, Thomas Stamm, Christoph Zürcher und Daniel Foppa.
Erste Hinweise auf seinen Abgang gab Projer in der Nacht auf Dienstag auf seinem Twitter-Profil: Sein bisheriges Autorenbild – eine Zeichnung, die jeweils neben seinen Kommentaren in der gedruckten Ausgabe der «NZZ am Sonntag» veröffentlicht wurde –, ersetzte er durch ein privates Foto, das den fünffachen Familienvater mit einem seiner Söhne auf den Schultern zeigt.

Projers Wahl zum Chefredaktor der «NZZ am Sonntag» war überraschend: Der heute 41-Jährige hatte vor seinem Wechsel zur «NZZ am Sonntag» fast keine Erfahrungen im geschriebenen Journalismus. Zwar hatte Projer während seines Studiums der Filmwissenschaften bei der Kinozeitschrift «Zoom» ein Praktikum absolviert und danach für den «Landboten» geschrieben. Bekanntheit hatte Projer aber als TV-Mann erreicht – und da vor allem in seiner Funktion als Moderator der «Arena» in den Jahren 2014 bis 2019. Von der «Arena» wechselte Projer zum «Blick», für den er ein eigenes Internetfernsehen aufbaute. Nach seinem Weggang bei SRF sei er «ziemlich schnell» FDP-Mitglied geworden, erzählte Projer vor einem Jahr im Gespräch mit der «SonntagsZeitung».
Seit Projers Stellenantritt bei der «NZZ am Sonntag» im September 2021 gab es zahlreiche personelle Veränderungen. Zuletzt verliess Nicole Althaus auf 1. Juni die Chefredaktion. Althaus habe sich bereits im Frühjahr 2022 entschieden, ihre Leitungsaufgaben bei der «NZZ am Sonntag» im Jahr 2023 abzugeben und «perspektivisch eine neue Stelle als Autorin anzutreten», wie die NZZ-Unternehmenskommunikation dazu auf Anfrage schreibt. Dieser Schritt sei vor einem Jahr bereits vertraglich festgehalten und nun per 1. Juni 2023 vollzogen worden. Und dies, obwohl Projer einen Coach engagierte, damit aus der Chefredaktion, die er neu zusammensetzen konnte, ein Team wird. Mitte Juni wurde bekannt, dass die erfahrene Wirtschaftsjournalistin Charlotte Jacquemart, die zuvor sechs Jahre bei SRF und davor 13 Jahre lang bei der «NZZ am Sonntag» gearbeitet hatte, wenige Tage nach ihrer Rückkehr zur «NZZ am Sonntag» wieder gekündigt hatte.
Bereits zuvor war es zu zahlreichen Abgängen in der Redaktion gekommen: Der Leiter des Hintergrundteams verliess die «NZZ am Sonntag» und wechselte als Kommunikationschef ins Bundesamt für Raumentwicklung. Der Hintergrund-Redaktor Peter Hossli ging zu Ringier, wo er heute als Autor und Leiter der Journalistinnen- und Journalistenschule tätig ist. Hossli hatte zuvor für die «NZZ am Sonntag» zu Alain Berset recherchiert. Doch die zweiteilige Recherche, die unter anderem aufgezeigt haben soll, wie die Informationen zur Erpressung des Bundesrats zur «Weltwoche» gelangten, durften in der «NZZ am Sonntag» nicht erscheinen, für die Projer als Chefredaktor die publizistische Verantwortung hatte.
Zu einem weiteren Abgang kam es nach der Lancierung eines neuen Digitalmagazins: Der Produktionschef wechselte von der NZZ zum Onlinemagazin «Republik». Es habe in der Redaktion «gerumpelt», sagte Projer dazu im Gespräch mit der «SonntagsZeitung», «sicher auch wegen mir».
Projer kam in dieser Zeit an seine Grenzen: Nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs musste er für zwei Wochen pausieren. Zu Projers Erfolgen während seiner Zeit als Chefredaktor der «NZZ am Sonntag» gehört die Lancierung eines Nachhaltigkeitsbundes.
Projer verlasse die «NZZ am Sonntag» «mit Bedauern, aber gleichzeitig auch mit Dankbarkeit», heisst es in der Medienmitteilung. Der Verwaltungsrat der NZZ habe die Suche nach einer geeigneten Nachfolge eingeleitet.
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