2:2 bei Roter Stern BelgradAuf den letzten Metern werden die Young Boys doch noch abgefangen
YB liegt in Belgrad zurück, YB vollzieht die Wende und liebäugelt mit dem Triumph. Und wird spät doch noch enttäuscht.
Das Unheil kündigt sich an. Die Blicke ruhen auf dem Schiedsrichter, der wartet und wartet, was meistens zu bedeuten hat, dass er seinen Entscheid nach VAR-Intervention bald revidieren wird. Das Publikum spürt das, es schreit in Erwartung der freudigen Nachricht ein langgezogenes «Ohhhh» in die Belgrader Nacht. Die Jubel-Welle schwappt jeden Moment übers Stadion.
37 Minuten sind vor über 40’000 Zuschauern im Stadion Rajko Mitic absolviert, soeben hat Cherif Ndiaye nach einem Konter den Flankenball von Osman Bukari über die Linie gedrückt. Offside entscheidet der Unparteiische sofort – fälschlicherweise aber, wie die Wiederholung zeigt: Das Tor zählt, aus dem «Ohhhh» wird ein kollektiver Freudenschrei.
Die Young Boys liegen zurück. Und weil sich das nicht abgezeichnet hat, muss sie das ärgern. Sie hatten den Gegner da, wo sie ihn haben wollten: Vielleicht nicht unter Kontrolle, aber zumindest so im Griff, dass das Publikum ruhiger und ruhiger wurde, bis sich die paar hundert mitgereisten YB-Fans bemerkbar machen konnten.
Wicky hat keine Zeit, zu hadern
Das Gegentor ist auch deshalb ärgerlich, weil es nach einem eigenen misslungenen Corner fällt. Schon beim Auftakt vor zwei Wochen gegen Leipzig erhielten die Young Boys zwei von drei Gegentoren nach Standardsituationen. Eine Tatsache, die ihr Trainer Raphael Wicky noch länger beschäftigte.
Aber dieser hat nun keine Zeit, zu hadern. Sein Team droht, die erste Halbzeit völlig zu verpatzen. Wieder setzt Roter Stern zum Konter an, wieder enteilt Bukari, diesmal kann er aber direkt auf Racioppi losziehen und diesen umspielen. Wieder erstickt der Schiedsrichter den Jubel mit seinem Offside-Entscheid, wieder setzt das Publikum zum «Ohhhh» an. Aber diesmal hat der Videoschiedsrichter keinen Einwand. Das 0:2 in der Nachspielzeit der ersten Hälfte bleibt YB erspart. Und beinahe gelingt den Gästen noch die Reaktion, aber den abgefälschten Schuss von Filip Ugrinic kann Goalie Omri Glazer gerade noch parieren.
Wieder einmal liegen die Young Boys in einem Auswärtsspiel in der Königsklasse in Rücklage. Sie nehmen zum dritten Mal am Wettbewerb teil, in der Fremde konnten sie jedoch noch nie gewinnen.
Der VAR im Stress
YB-Trainer Wicky verzichtet diesmal auf Experimente, gegen Leipzig (1:3) kehrte er im 58. Spiel als YB-Trainer erstmals vom gewohnten System ab, als er sein Team mit defensiver Dreierkette aufstellte. In Belgrad setzt er auf Bewährtes.
In der Mittelfeldraute stehen mit Ugrinic und Darian Males auch zwei Spieler mit serbischen Wurzeln. Als Males, von klein auf Fan von Roter Stern, im Vorfeld gefragt wurde, wie er seinen Treffer feiern würde, meinte er: «Ich werde ganz normal jubeln.» Und: «In diesem Spiel gibt es im anderen Team keine Freunde.»
Es sind Sätze, die bei Fans gut ankommen. Aber es bleibt vorerst bei Worten statt Taten: Nach vier Minuten schiesst Males von der Strafraumgrenze aus knapp übers Tor. Fortan bekundet er Mühe, sich in Szene zu setzen.
So geht es in die zweite Halbzeit. Und die hat es in sich: Keine fünf Minuten sind absolviert, da hat YB durch Ugrinic nicht nur ausgeglichen, Cedric Itten bietet sich gar die Chance zum 2:1. Goalie Glazer verhindert die Berner Wende, indem er sich streckt und streckt – und den Schuss des Stürmers gerade noch abwehrt.
Aber die Wende kommt. Jedoch nicht, ohne dass die Young Boys vorher noch zittern müssen. In der 54. Minute macht der Schiedsrichter den Offsidetor-Hattrick perfekt, als er das vermeintliche 2:1 von Ndiaye abpfeift. Bald ist auf der Gegenseite der VAR erneut gefordert, ein Hands des Heimteams im Strafraum wurde übersehen, der Videoschiedsrichter korrigiert den Fehler. Und Itten verwandelt den Penalty so eiskalt, wie er im Feuerkessel von Belgrad nur sein kann: 2:1 für YB.
Das Unheil ist nicht nur abgewendet, nun ist sogar der Auswärtssieg greifbar. Die Berner könnten die Serben damit schon erheblich unter Zugzwang bringen.
Es ist womöglich die bisher beste Leistung von YB in dieser Saison, ganz bestimmt ist es die leidenschaftlichste. Die Berner müssen nach dem Führungstreffer unten durch, die Antwort von Roter Stern ist energisch, YB braucht Glück und seinen Goalie Racioppi, der mehrmals stark abwehrt.
Die Young Boys überstehen so lange Minuten. Teile des Publikums begeben sich schon auf den Heimweg, als die, die bleiben, vom starken Bukari doch noch erlöst werden. Dem Offensivspieler gelingt in der 88. Minute das 2:2. Racioppi sieht für einmal nicht gut aus.
Es ist eine späte Enttäuschung für die Berner. Aber sie sollten das Unentschieden schätzen. Weil Roter Stern in der Nachspielzeit vergebens auf den Sieg drängt.
So spielt Roter Stern
Im Vergleich zum letzten Spiel laufen die Serben heute wohl nur mit einem Stossstürmer auf, dem Senegalesen Ndiaye. Krasso macht Platz für einen vierten Verteidiger: Links hinten läuft Rodic auf. So ist es die gleiche Startformation wie im ersten Gruppenspiel bei Manchester City.
Glazer; Rodic, Dragovic, Djiga, Mijalovic; Stamenic, Hwang; Mitrovic, Ivanic, Bukari; Ndiaye.
Schlechte Erinnerungen
Das Duell zwischen dem Schweizer und dem serbischen Meister ist eine Neuauflage des Playoffs aus der Saison 2019/20: Damals verpasste YB den Einzug in die Champions League aufgrund der Auswärtstore – diese Regel wurde in der Zwischenzeit aufgehoben. Nach dem 2:2 im Wankdorf kamen die Berner in Belgrad nur zu einem 1:1.
Tabelle
Sowohl Roter Stern als auch YB sind mit einer 1:3-Niederlage in die Gruppenphase gestartet. Während die Berner zuhause Leipzig unterlagen, mussten sich die Serben nach 1:0-Pausenführung bei Manchester City noch geschlagen geben.
Heute geht es für die Aussenseiter in Gruppe G also um die ersten Punkte – diese wären überaus wichtig im Kampf ums europäische Überwintern.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.