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Meinung

Kommentar zur Neutralität
Cassis sollte Taten statt Worte liefern

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Darf er das? Ignazio Cassis’ Rede vom Samstag gehört zweifellos zu den ungewöhnlichsten Auftritten eines Schweizer Bundespräsidenten. Live auf dem Berner Bundesplatz begrüsste Cassis den auf Grossleinwand zugeschalteten ukrainischen Regierungschef Wolodimir Selenski, drückte ihm seine Solidarität aus. Protokollarisch operierte er dabei im luftarmen Raum: halb als offizieller Repräsentant der Eidgenossenschaft, halb als Teilnehmer der Pro-Ukraine-Demonstration, den «lieben Wolodimir» kumpelhaft duzend. 

Interessanter sind aber die politischen Implikationen. «Demonstrativ» im wahrsten Sinne des Wortes hat Cassis dem Chef eines Staates im Kriegszustand die Sympathie ausgesprochen. Dafür gibt es kaum Präzedenzfälle; die politische Rechte reagiert entsprechend empört. Von einem «unfassbaren» Auftritt, der «schweren Schaden» an der Neutralität anrichte, schreibt die SVP-nahe «Weltwoche».

In der Tat: Unser Konzept von Neutralität ist dieser Tage dabei, sich für immer zu verändern. Doch dieser Prozess ist nicht nur richtig, sondern überfällig. «Neutralität» diente der Schweiz lange dazu, lukrative Geschäfte mit Halunken moralisch zu bemänteln. Dass man sich von diesem Konzept noch nicht komplett gelöst hat, zeigt die Passivität bei der Jagd nach den Vermögen russischer Oligarchen. (Lesen Sie dazu: Die halbe Welt sucht Oligarchen-Vermögen – und die Schweiz hat ein Problem)

Neutralität à la SVP, faktisch ein Synonym für Kriegsgewinnlertum, gehört entsorgt.

Es ist begrüssenswert, dass nun zumindest die Bundesanwaltschaft forscher gegen die Putin-Clique vorgeht. Aber es genügt nicht. Neutralität à la SVP, faktisch ein Synonym für Kriegsgewinnlertum, gehört entsorgt. Die Schweiz muss die internationale Suche nach Russengeldern aktiv unterstützen. Und tatenlos zur Kenntnis zu nehmen, wie 80 Prozent des russischen Rohstoffhandels über die Schweiz laufen, liegt ebenfalls nicht mehr drin. 

Cassis’ warme Worte für Selenski und die Ukraine sind nicht problematisch. Problematisch ist, dass die Worte noch immer nicht vollständig mit den Taten korrespondieren.