Medienkonferenz des BundesratsBaume-Schneider: «Es braucht unbedingt Massnahmen»
Nein, Nein, Nein: Der Bundesrat lehnt die Prämienentlastungs-Initiative, die Kostenbremse-Initaitive und die Stopp-Impfpflicht-Initiative ab. Die Gesundheitsministerin erklärte die Gründe.
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Zusammenfassung
Nein, Nein und noch einmal Nein: Der Bundesrat empfiehlt alle drei Volksinitiativen, die am 9. Juni an die Urne kommen, zur Ablehnung. Die zunehmende Last der Krankenkassenprämien will er mit zwei vom Parlament verabschiedeten Gesetzesprojekten bekämpfen.
Die Volksinitiative «Maximal 10 Prozent des Einkommens für die Krankenkassenprämien (Prämienentlastungs-Initiative)» der SP ist aus Sicht des Bundesrats unter anderem deshalb abzulehnen, weil die Beiträge damit mehrheitlich vom Bund übernommen werden müssten. Zudem enthalte die Initiative keinen direkten Anreiz zur Dämpfung der Gesundheitskosten.
Der Bundesrat bevorzugt stattdessen den günstigeren indirekten Gegenvorschlag des Parlaments, wie er am Freitag mitteilte. Dieser koppelt die Höhe der von einem Kanton zu entrichtenden Prämienverbilligungen an dessen Gesundheitskosten.
Zu starre Kostenbremse
Ähnlich verhält es sich mit der Volksinitiative «Für tiefere Prämien – Kostenbremse im Gesundheitssystem (Kostenbremse-Initiative)» der Mitte-Partei. Diese Kostenbremse ist für Bundesrat und Parlament zu starr, weil sie Faktoren wie die Alterung der Bevölkerung und den medizinischen Fortschritt nicht berücksichtigt.
Auch hier soll statt eines neuen Verfassungsartikels ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz greifen. Dieses sieht vor, dass der Bundesrat alle vier Jahre festlegen müsste, wie stark die Kosten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) maximal steigen dürften. Würden die Kosten unbegründet stärker steigen als vereinbart, müssten Bundesrat und Kantone Massnahmen prüfen.
Mehr dazu in sechs Punkten: Das müssen Sie zur Kostenbremse-Initiative wissen
Unklare Folgen bei dritter Initiative
Nein sagt der Bundesrat schliesslich zur von Impfskeptikerinnen und Impfskeptikern lancierten Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit (Stopp-Impfpflicht-Initiative)». Deren Kernanliegen, die körperliche und geistige Unversehrtheit, sei bereits als Grundrecht in der Bundesverfassung verankert, so die Argumentation.
Zudem sei unklar, welche konkreten Folgen eine Annahme der Initiative hätte, etwa für die Arbeit der Polizei.
Ende der Medienkonferenz
Damit beendet die Sprecherin die Medienkonferenz. Vielen Dank für das Mitlesen.
Hier folgt demnächst eine Zusammenfassung.
Wird es teurer mit den neuen Tarifen?
Man versuche da Kostenneutralität zu erreichen, sagt Engelberger. In den Spitälern sehe das etwas anders aus, da seien einige Leistungen defizitär und Spitäler stecken in finanziellen Schwierigkeiten.
Kommen da also nochmals Prämiensteigerungen auf uns zu, lautet die Nachfrage?
Ja, sagt Engelberger, das müsse man ehrlich ansprechen, da gebe es wenig Optimismus, da kommen mehr Kosten auch auf die Prämienzahlenden zu. Die Bevölkerung werde älter, die Spitäler kommen dem nach, aber sie müssten auch effizienter werden.
Wo wird zu viel ausgegeben und weshalb wird das nicht abgeklemmt?
Es gibt Doubletten, die ausgemerzt werden können, sagt Baume-Schneider, bei Untersuchungen, Behandlungen, wo verschiedene Dienstleister dasselbe machen.
Thomas Christen präzisiert: Bei den Medikamentenpreisen will man sparen. Eine bessere Koordination kann Kosten senken. Zudem gebe es verschiedene Ineffizienzen, zwischen 15 bis 20 Prozent schleichen sich in den verschiedenen Instanzen ein, mit Doppelspurigkeiten, sagt der BAG-Mann.
Lukas Engelberger sagt, dass der Arzttarif Tarmed veraltet sei, einige seien mittlerweile zu grosszügig abgegolten. Zudem: Einige Versicherte wählen bereits Managed-Care-Modelle, aber eine solche Steuerung, solche unterstützte Modelle könnten auch Geld sparen.
Nochmals: Wieso soll es jetzt klappen mit dem Sparen?
Baume-Schneider glaubt nicht, dass sie etwas besser machen würde als ihre Vorgänger, aber sie sehe, dass es jetzt sehr gute Diskussionen gebe. Man sei daran, gute Lösungen zu finden, verspricht die Bundesrätin, bei den Tarifen. Es liege nicht an ihr, sie glaube, dass nun alle begriffen haben, dass es jetzt wirklich Schritte brauche.
Was ist mit den Franchisen?
Die Franchisen seien immer wieder ein Thema, sagt Thomas Christen vom BAG, aktuell sei das vom Bundesrat aber nicht weiterverfolgt worden, also aktuell kein Thema.
Kann der Bund die Mehrausgaben ohne Steuererhöhungen finanzieren?
Das wäre sehr schwierig, sagt Baume-Schneider.
Warum soll die Bevölkerung dem Bundesrat vertrauen?
Warum soll es jetzt plötzlich klappen mit dem grossen Sparen? Es sei schon lange klar, sagt eine Journalistin, dass gespart werden müsse und bisher seien alle Anstrengungen gescheitert. Die Bundesrätin rufe die Bevölkerung nun dazu auf, zu vertrauen, dass Bund und Kantone die Kosten senken werden, aber wieso soll jetzt plötzlich klappen, was bis jetzt nicht geklappt hat?
Man sei jetzt in Diskussion mit den Kantonen, mit den Leistungserbringern, sagt Baume-Schneider. Man wolle Transparenz geben. Ja, man sei schon lange da dran, sagt die Bundesrätin. Das Dossier sei sehr komplex, aber man werde etwas machen, die Kosten senken und gleichzeitig die hohe Qualität bewahren.
Was sagen Sie den Menschen, für die eine tiefere Prämie attraktiv ist?
Wie will Baume-Schneider die Menschen überzeugen, die Ja stimmen wollen, weil ihnen die Pramienentlastungs-Initiative unmittelbar helfen würde?
Da sei man im Herz der Diskussion, sagt die Bundesrätin. Es sei notwendig, nun in Bund und Kantone Vertrauen zu haben. Man sei daran, die Kosten zu senken. Die Initiative erscheine zwar für eine Person attraktiv, biete aber keine Lösungen, um die Kosten zu senken. Die Person müsse also das grosse Ganze sehen, sagt Baume-Schneider.
Fragerunde: Eine nächste Ohrfeige für den Bundesrat?
Die Fragerunde für die anwesenden Journalistinnen und Journalisten startet. Die erste Frage kommt mit einem Bibelzitat daher: «wenn dir einer auf die linke Wange schlägt, dann halte ihm auch die rechte hin», ob der Bundesrat nach der Annahme der 13. AHV-Rente nun bei der Prämienentlastungs-Initiative nicht genau dieses Risiko eingehe?
Nein, sagt Baume-Schneider, der Bundesrat werde sich weiter engagieren, um die Kosten zu senken und auch die Kantone auffordern, mehr Prämienverbilligungen zu erbringen. Der Bundesrat wolle erklären, was für Bund, Kantone und Versicherte die beste Lösung sei.
«Gesundheitsversorgung könnte sich verschlechtern»
Engelberger warnt, die «Gesundheitsversorgung könnte sich verschlechtern», wenn die Kostenbremse angenommen würde. Das Parlament habe bereits Kostendämpfungen beschlossen, die wirken würden, erklärt Engelberger.
Die Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» sei unehrlich, sie richte sich gegen Impfungen, das Wort komme aber gar nie vor. Die Bevölkerung habe sich für eine Impfpflicht ausgesprochen, die aber gar nie zur Anwendung kam, nicht einmal während der Pandemie. Die Initiative sei demzufolge unnötig und richte sich gegen eine Scheinkrankheit. Die Initiative sei zudem gefährlich, weil sie absolut formuliert ist und die Polizeiarbeit erschweren könnte.
Lukas Engelberger spricht für die Kantone
Der Regierungsvizepräsident Kanton Basel-Stadt spricht nun für die Kantone. Die Prämienlast sei hoch und das sei für viele Menschen ein Problem. Die Volksinitiativen vom 9. Juni lösen dieses Problem aber nicht, sagt nun auch Lukas Engelberger. Es brauche Massnahmen, sagt auch er. Das Bundesparlament habe bereits einige Pakete beschlossen, um die Kosten zu senken. Die Prämienentlastungsinitiative senke keine Kosten, es sei eine reine Schmerztherapie, sagt er. Auch Engelberger befürchtet, dass diese Initiative sogar kontraproduktiv wirken könne.
Die Prämienverbilligungen seien kantonal ausgestattet und das sei auch gut so, weil das Gesundheitssystem in Appenzell und in Genf nicht gleich viel kostet. Es mache keinen Sinn, dies zu zentralisieren. Die Kantone nehmen ihre Verantwortung schon heute wahr und geben mehr Geld für Prämienverbilligung aus, sagt Engelberger. Die Prämienentlastungsinitiative koste die Kantone eine Milliarde Franken, das sei eine sehr teure Schmerztablette, findet Engelberger.

Schlusswort von Baume-Schneider
Es braucht Massnahmen, sagt die Gesundheitsministerin noch einmal. Die Kosten müssten gesenkt werden, aber die Initiativen schiessen an diesem Ziel vorbei, fasst Baume-Schneider die Meinung des Bundesrats zusammen. Alle drei Vorlagen werden zur Ablehnung empfohlen.
Baume-Schneider: Volksinitiative nennt das Wort «Impfung» nicht
Baume-Schneider kommt bereits zur dritten Abstimmung vom 9. Juni, der Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit», auch bekannt als «Stopp-Impfpflicht-Initiative». Hintergrund sei die Befürchtung der Initianten, dass sie sich etwas injizieren lassen müssten, sagt die Bundesrätin. Im vorgeschlagenen Verfassungstext werde das Wort «Impfung» allerdings nicht verwendet. Die Initiative sei unnötig und die Folgen unabsehbar. Die körperliche Unversehrtheit sei bereits in der Verfassung festgeschrieben. Es gebe keinen Impfzwang. Die Folgen für die Polizeiarbeit oder Durchsuchungen seien nicht absehbar.
Kostenbremse: «Es braucht unbedingt Massnahmen»
Für Baume-Schneider ist klar, «es braucht unbedingt Massnahmen» im Gesundheitswesen, aber diese müssten spezifischer sein, als es die Kostenbremse-Initiative etwa verlange. Medizinisch nicht begründbare Leistungen, die durch Doppelspurigkeiten und Fehlanreize entstehen, müssen vermieden werden. Schätzungen gehen von mehreren Milliarden Franken Einsparungspotential aus, ohne dass die Versorgungsqualität darunter leiden würde. Um Sparen zu können, müsse man wissen, wo zu viel Geld ausgegeben werde, darauf sei der indirekte Gegenvorschlag des Bundesrats zur Kostenbremse-Initiative ausgelegt. Dieser sieht vor, dass der Bundesrat in Absprache mit den Akteuren des Gesundheitswesens alle vier Jahre festlegt, wie stark die Kosten in der obligatorischen Krankenversicherung höchstens steigen dürfen. Der Gegenvorschlag habe drei wichtige Vorteile, sagt Baume-Schneider. Er sei differenziert und legt einen Höchstwert für den Kostenvoranschlag fest, unter Berücksichtigung aller Faktoren. Der Gegenvorschlag schaffe Transparenz und nehme die medizinischen Akteure in die Verantwortung. So sollen unnötige Kosten vermieden werden.
Der Gegenvorschlag des Bundesrats
Baume-Schneider wirbt nun für den indirekten Gegenvorschlag, der bei einem Nein zur Initiative in Kraft treten würde. Dieser helfe, die finanzielle Belastung der Menschen kurz- bis mittelfristig zu senken. Demnach müssten die Kantone künftig einen Mindestbeitrag von 3,5 bis 7,5 Prozent der Kosten der obligatorischen Grundversicherung für die Prämienverbilligung aufwenden. Das würde für die Kantone Mehrkosten von etwa 356 Millionen Franken bedeuten. Das Konzept sieht weiter vor, dass weiterhin die Kantone die Kompetenz für die Berechnung des genauen Prämienverbilligungsbetrags haben werden.
Bundesrat lehnt Initiativen ab
Die am 9. Juni zur Abstimmung kommenden Initiativen wollen das Wachstum der Gesundheitskosten stoppen. Der Bundesrat lehne aber beide Anliegen ab, sagt die Gesundheitsministerin und habe stattdessen indirekte Gegenvorschläge. Die Ursachen für das Kostenwachstum würden damit nicht bekämpft, nur die Symptome.
Ein direkter Anreiz, die Kosten zu senken, fehle. Die Initiativen bergen sogar das Risiko, dass das Kostenbewusstsein sinke. Einerseits bei den Kantonen, weil der Bund mehr übernehmen müsste und andererseits bei den Versicherten, denen der Anreiz fehle, günstigere Versicherungsformen zu wählen, sagt Baume-Schneider.
Die Kosten der Krankenversicherung müssen weiterhin gedeckt werden, wenn das die Versicherten nicht selber machen, müssen das Bund und Kantone übernehmen. Eine Annahme der Initiative würde bedeuten, dass an anderen Orten gespart werden müsste. Oder es braucht Mehreinnahmen, also höhere Steuern.
Für das Gesundheitssystem seien zudem die Kantone verantwortlich, sagt die Bundesrätin. Die Kantone haben somit einen grossen Einfluss auf die Kosten, einen Grossteil der zusätzlichen Kosten müsste aber der Bund übernehmen, erklärt Baume-Schneider. Der Bund müsste also das übernehmen, was die Kantone verursachen.
Ein Viertel erhält Prämienverbilligung
Rund jede vierte Person in der Schweiz erhält mittlerweile eine Prämienverbilligung, sagt Baume-Schneider. Die Bundesbeiträge dafür wurden in den letzten Jahren von 2,1 auf 2,9 Milliarden Franken erhöht. Die Kantone hätten ihre Beiträge teilweise ebenfalls erhöht, aber nicht alle.
Baume-Schneider: «Qualität des Gesundheitswesens hat hohen Preis»
Das Schweizer Gesundheitswesen gehört zu den besten der Welt, aber die hohe Qualität hat ihren Preis, sagt Baume-Schneider. Die Gesundheitskosten sind gestiegen, die Krankenkassenprämien auch. Das bereitet der Schweizer Bevölkerung Sorgen, weiss die Bundesrätin, im Sorgenbarometer stehen die Kosten an erster Stelle.
Die Kosten steigen, weil die Bevölkerung immer älter werde, sagt die Gesundheitsministerin. Zudem gebe es neue und teure Fortschritte, von denen die Menschen profitieren, die aber auch viel kosten. Drittens gebe es Fehlanreize und ineffiziente Strukturen im Gesundheitswesen.
Die Prämien stiegen in den letzten Jahren im Schnitt von 260 pro Person auf 330 Franken. Der Bundesrat habe deshalb verschiedene Massnahmen beschlossen, beispielsweise Medikamente verbilligt, sagt Baume-Schneider.

Die Medienkonferenz startet
Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider erläutert nun die Haltung des Bundesrats zu den drei Abstimmungen, die ihr Gesundheitsdepartement betreffen. Mit ihr vor Ort sind Lukas Engelberger, der für die Kantone spricht und Thomas Christen, der Direktor des BAG.
SDA/anf
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