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Tierhaltung in der Landwirtschaft
Bundesrat will Tiere in der Verfassung besser schützen

Auslauf ins Freie soll künftig Standard sein: Schweine auf einer Weide in Schlieren.
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Schweine, die bei der Schlachtung zu wenig betäubt werden. Hühner, die nie Tageslicht sehen. Kühe, die eng zusammengepfercht in ihrem Kot waten. Immer wieder haben Tierschützer in den letzten Jahren solche Missstände in Schweizer Ställen publik gemacht. Das will der Bundesrat jetzt ändern: Tiere sollen in der Verfassung besser geschützt werden.

Konkret müssen die rund 15 Millionen Nutztiere nach Absicht der Regierung tierfreundlich untergebracht werden, regelmässigen Auslauf haben und schonend geschlachtet werden. Mit diesem direkten Gegenentwurf will der Bundesrat die Massentierhaltungsinitiative bekämpfen, der er offensichtlich Chancen an der Urne zutraut.

Das Volksbegehren hätte weitreichende Konsequenzen für die Bauern: Sie dürften deutlich weniger Tiere haben, weil die Haltung mindestens dem aktuellen Biostandard entsprechen müsste. Bei Legehennen etwa müsste der Maximalbestand von 18’000 auf 2000 reduziert werden.

Maximalbestand bei Legehennen müsste von 18’000 auf 2000 reduziert werden: Huhn fotografiert in Zürich, Kreis 6.

Mit diesem Vorschlag, den der Bundesrat heute in die Vernehmlassung geschickt hat, hat sich Innenminister Alain Berset (SP) gegen Landwirtschaftsminister Guy Parmelin (SVP) durchgesetzt. Wie diese Zeitung berichtete, lagen sich Bersets Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen und Parmelins Bundesamt für Landwirtschaft monatelang über Kreuz.

Der Grund für den Streit: Bersets Leute wollten im Gegenvorschlag die beiden Tierwohlprogramme für regelmässigen Auslauf ins Freie (Raus) und besonders tiefreundliche Stallhaltungen (BTS) für obligatorisch erklären. Parmelins Beamten ging das viel zu weit, weil ein Obligatorium für einen Grossteil der Bauern umfangreiche infrastrukturelle Umstellungen bedeutete. Heute werden zum Beispiel 90 Prozent des Mastgeflügels oder 50 Prozent der Milchkühe nicht nach diesen Standards gehalten.

Kein Schmerz, keine Angst

Nun ist der Bundesrat Berset gefolgt: Die Anforderungen der BTS- und Raus-Programme sollen weitgehend übernommen und künftig zur Minimalanforderung der Nutztierhaltung werden, wie es im erläuternden Bericht heisst. Im Falle von Rindern etwa bedeutet das, dass sie künftig entweder in Freilaufställen oder in Anbindeställen gehalten werden, in denen sie tagsüber an mindestens 26 Tagen im Monat Auslauf im Freien erhalten.

Schweine wiederum sollen zwingend einen eingestreuten Liegebereich haben und sich jeden Tag während mehrerer Stunden im Freien aufhalten können, wie Eva van Beek, Sprecherin des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, bestätigt. Ausnahmen sollen allerdings möglich sein – etwa ein gestaffelter Auslauf, damit die Bauern auch kleinere Flächen weiter benutzen können.

Bei der Schlachtung soll zudem nach dem Willen des Bundesrats vermieden werden, dass die Tiere Schmerz empfinden, leiden oder Angst haben. Und der Gegenentwurf geht in einem Punkt sogar noch weiter als die Initiative: Es ist vorgesehen, das Wohlergehen aller Tiere als allgemeinen Grundsatz in die Verfassung aufzunehmen – also beispielsweise auch der Haustiere.

«Wir haben nicht nur in städtischen, sondern gerade auch in konservativen Kreisen grossen Zuspruch.»

Meret Schneider, Nationalrätin Grüne

Entsprechend erfreut zeigen sich die Initianten: «Dieser Gegenvorschlag ist erstaunlich progressiv. Auslauf ins Freie für alle Nutztiere ist ein Meilenstein», sagt die grüne Nationalrätin Meret Schneider. Trotzdem steht für sie ein Rückzug der Initiative nicht zur Debatte. «Der Gegenentwurf sieht keine Lösung für das Importfleisch vor. Damit würden wir weiterhin tierquälerisch erzeugtes Billigfleisch importieren und gleichzeitig die heimischen Bauern mit teureren Produktionsbedingungen ruinieren.» Für den Bundesrat sind Importvorschriften nicht umsetzbar, weil sie mit internationalen Handelsverpflichtungen kollidieren würden.

Rinder sollen  tagsüber an mindestens 26 Tagen im Monat Auslauf im Freien erhalten: Kuh im Amisbühl oberhalb Beatenberg. Im Hintergrund Interlaken.

Dass sich die Regierung für einen direkten Gegenentwurf entschieden hat, sieht Schneider als Bestätigung ihres Anliegens: Die Initiative sei zu gewinnen. «Wir haben nicht nur in städtischen, sondern gerade auch in konservativen Kreisen grossen Zuspruch.»

Alarmiert sind dagegen die Bauern: Die Schweiz habe bereits heute eines der strengsten Tierschutzgesetze der Welt. Und bei Schweinen, Geflügel und Kälbern bestünden bereits limitierte Tierbestände, heisst es beim Schweizer Bauernverband. Schwer wiegt auch für ihn die «einseitige Schwächung» der Bauern: «Für den Bundesrat endet das Tierwohl an der Grenze. Alle neuen Bestimmungen gelten nur für die inländische Produktion», hält der Verband fest.

Wogegen sich die Bauern von heute wehren, würde erst die Bauern von morgen betreffen. Für die baulichen Anpassungen auf den Schweizer Höfen sieht der Bundesrat eine Übergangsfrist von maximal 25 Jahren vor. Mehr Platz, mehr Auslauf, weniger Tiere: Für die nächste Generation der Landwirte könnte das dereinst Standard sein.

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