Abstimmung vom 28. NovemberPflegeinitiative: Bundesrat für milliardenschweren Gegenvorschlag
Für Bundesrat und Parlament geht die Volksinitiative «Für eine starke Pflege» zu weit, vor allem weil diese fordert, dass der Bund die Arbeitsbedingungen regelt.
Für Bundesrat und Parlament geht die Pflegeinitiative zu weit. Sie unterstützen deshalb den indirekten Gegenvorschlag. Die Initiative verlangt, dass Bund und Kantone die Pflege fördern und der Bund die Arbeitsbedingungen regelt.
Auch Regierung und Parlament wollen den Pflegeberuf weiter stärken. Ihnen geht die Volksinitiative «Für eine starke Pflege» jedoch zu weit – vor allem weil diese fordert, dass der Bund die Arbeitsbedingungen regelt, wie das Eidgenössische Departement das Innern (EDI) am Dienstag mitteilte.
Das Parlament hat deshalb einen indirekten Gegenvorschlag verabschiedet, der die wichtigsten Forderungen der Initiative aufnimmt und eine raschere Umsetzung ermöglicht. Um die Ausbildung zu fördern, stellen Bund und Kantone für die nächsten acht Jahre rund eine Milliarde Franken zur Verfügung.
Gute Arbeitsbedingungen und faire Löhne sind gemäss EDI zwar wichtig, damit der Pflegeberuf attraktiv ist und die in der Pflege tätigen Personen möglichst lange im Beruf verbleiben. Dafür sollen aber weiterhin Spitäler, Heime und Spitexorganisationen sowie die Kantone und die Sozialpartner gemeinsam sorgen.
Abstimmung am 28. November
Über die Volksinitiative «Für eine starke Pflege» wird am 28. November abgestimmt. Der indirekte Gegenvorschlag tritt in Kraft, wenn die Initiative abgelehnt wird und der Gegenvorschlag nicht erfolgreich mit einem Referendum bekämpft wird.
Die Kantone empfehlen ebenfalls, die Initiative abzulehnen und den indirekten Gegenvorschlag zu unterstützen. Der Handlungsbedarf zur Stärkung des Pflegeberufs ist aus ihrer Sicht unbestritten. Es sei jedoch der falsche Weg, um die Stärkung einer einzelnen Berufsgruppe auf Verfassungsebene zu verankern. Mit dem Gegenvorschlag liege eine verbindliche und rasch umsetzbare Vorlage zur Entschärfung des Fachkräftemangels auf dem Tisch.
Dem Initiativkomitee geht der Gegenvorschlag hingegen zu wenig weit. Die Investitionen des Parlaments in die Ausbildung würden verpuffen, weil über 40 Prozent der Pflegenden nach wenigen Jahren wieder aus dem Beruf aussteigen würden, argumentiert das Komitee. Es fehlten Massnahmen, welche die Pflegequalität sichern und die Arbeitsbedingungen verbessern würden.
Das will die Initiative
Die Volksinitiative verlangt, dass Bund und Kantone für eine ausreichende, allen zugängliche Pflege von hoher Qualität sorgen. Sie sollen sicherstellen, dass genügend diplomiertes Pflegepersonal für den zunehmenden Bedarf der alternden Gesellschaft zur Verfügung steht.
Die in der Pflege tätigen Personen sollen entsprechend ihrer Ausbildung und ihren Kompetenzen eingesetzt werden. So soll der Bund die Arbeitsbedingungen in den Spitälern, Heimen und Spitexorganisationen verbindlich regeln. Dazu zählt die Höhe der Löhne.
Zudem sollen Pflegefachpersonen gewisse Pflegeleistungen selbständig direkt mit der obligatorischen Krankenpflegeversicherung oder anderen Sozialversicherungen abrechnen können. Heute können sie grundsätzlich nur die Leistungen abrechnen, die von einer Ärztin oder einem Arzt angeordnet worden sind.
Das will der Gegenvorschlag
Dem Bundesrat und einer Mehrheit des Parlaments geht dieser Vorschlag zu weit. Das Parlament hat deshalb einen indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative verabschiedet. Dieser Vorschlag tritt in Kraft, wenn die Initiative abgelehnt wird und der Gegenvorschlag nicht erfolgreich mit einem Referendum bekämpft wird.
Der Gegenvorschlag sieht vor, dass Bund und Kantone für die nächsten acht Jahre rund eine Milliarde Franken in die Ausbildung von Pflegepersonal investieren. Mit dem Geld sollen sowohl Studierende als auch Spitäler, Pflegeheime und Spitexorganisationen unterstützt werden, die Pflegepersonal ausbilden. Zudem sollen Fachhochschulen und höhere Fachschulen Geld erhalten, wenn sie die Zahl der Ausbildungsplätze erhöhen.
Schliesslich soll das Pflegepersonal ebenfalls gewisse Leistungen direkt bei den Krankenkassen abrechnen können. Ein Kontrollmechanismus soll jedoch verhindern, dass mehr Leistungen abgerechnet werden als heute und damit die Gesundheitskosten und die Krankenkassenprämien steigen.
Zu den Arbeitsbedingungen und den Löhnen sieht der Gegenvorschlag keine neuen Regelungen vor.
Die Befürworter
Die Volksinitiative wurde 2017 vom Schweizer Berufsverband für Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) lanciert. Dem Initiativkomitee geht der Gegenvorschlag zu wenig weit. Die Investitionen des Parlaments in die Ausbildung würden verpuffen, weil über 40 Prozent der Pflegenden nach wenigen Jahren wieder aus dem Beruf aussteigen würden. Es fehlten Massnahmen, welche die Pflegequalität sichern und die Arbeitsbedingungen verbessern würden, argumentiert das Komitee.
Die Ärztinnen- und Ärztevereinigung FMH unterstützt die Pflegeinitiative. Der Gegenvorschlag von Parlament und Landesregierung sei unzulänglich. Die Festlegung, wie viele Pflegekräfte auf wie viele Patienten entfallen müssen, unterbleibe. Damit bleibe der Gegenvorschlag wirkungslos.
Von den Parteien haben SP und Grüne ihre Unterstützung zugesagt. Im Parlament wurde die Pflegeinitiative auch von den Grünliberalen unterstützt.
Die Gegner
Bundesrat und eine Mehrheit des Parlaments argumentieren, dass Massnahmen gegen den Pflegenotstand am besten auf Gesetzesebene ergriffen werden. Dies ginge schneller, als wenn eine Volksinitiative zuerst vom Parlament umgesetzt werden müsse.
Die Arbeitsbedingungen und die Löhne sollen weiterhin in Verantwortung der Arbeitgeber und der Kantone bleiben. Diese würden die Verhältnisse vor Ort am besten kennen.
Die Pflege sei ein wichtiger Teil der medizinischen Grundversorgung, die bereits in der Verfassung verankert sei. Bundesrat und Parlament wollen die Pflege nicht noch gesondert erwähnen, weil damit eine Berufsgruppe eine Sonderstellung in der Verfassung erhalten würde.
SVP, FDP und Mitte-Partei stimmten im Parlament mehrheitlich gegen die Initiative und für den Gegenvorschlag. Auch der Krankenkassenverband Santésuisse und der Spitalverband H+ lehnen die Initiative ab.
SDA/oli
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