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Bundesliga-Legende Ailton
Wenn Journalisten schrieben, er sei dick, trank er viel Coca-Cola – um schneller zu sein

Ein Fussballspieler in einem Trikot mit Sponsoren-Logo, umgeben von jubelnden Fans und Fahnen in einem gerahmten Ausschnitt, schwarz-weiss im Hintergrund.
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In Kürze:
  • Bei Werder Bremen wurde Ailton als Kugelblitz zur Kultfigur des deutschen Fussballs.
  • Trainer Balakov lockte den Torjäger 2007 für ein halbes Jahr nach Zürich. Der brasilianische Stürmer erzielte für GC acht Tore in dreizehn Spielen.
  • Ailton hatte eine Bedingung: «dass ich nicht so viel trainieren muss.»

Eigentlich ist das Gespräch mit Ailton vorbei. Dann aber bittet er noch um etwas: Gebe es die Möglichkeit, irgendwo all seine Tore für die Grasshoppers noch einmal zu sehen? Er würde sie gerne seinem Sohn zeigen. 

Die Möglichkeit gibt es natürlich, und wenn man ein bisschen zurückgeht in der Zeit, dann sieht man einen Ailton im GC-Trikot, der in 13 Super-League-Einsätzen immerhin 8 Tore schiesst. Einmal gelingt ihm ein Hattrick gegen Luzern, und einmal sieht er eine Rote Karte gegen die Young Boys.

Heute ist Ailton 51, er hat kürzlich ein Buch veröffentlicht, in dem er seine Lebensgeschichte erzählt. Das halbe Jahr in Zürich ist dabei nur eine kleine Episode, der Mann hat auch sonst genug erlebt. In Bremen ist er eine Legende, weil er Werder 2004 zum Titel geschossen hat, später spielte er in der Türkei, Serbien, der Ukraine, China und Österreich. Offizielles Karriereende: 2014 bei Hassia Bingen, sechsthöchste Liga Deutschlands.

Ailton von Werder Bremen feiert den Gewinn des DFB-Pokals nach dem Finale 2003/2004, seinem letzten Spiel für den Verein.

In Deutschland ist er schon lange Kult, wegen seiner lustigen Interviews und seiner Auftritte bei «Let’s Dance», im «Dschungelcamp» und der «TV-Total-Wok-WM». Bremen ist wieder seine Heimat, Fussball spielt er immer noch ab und zu, «ich möchte nicht deprimiert zu Hause herumsitzen», sagt er. Ein Fussballer sterbe zwei Tode, einen, wenn die Karriere ende, einen, wenn er wirklich von der Welt gehe. Und er sei noch keinmal gestorben.

Für den Wechsel nach Zürich stellt er eine Bedingung

Über 100 Tore schiesst Ailton in seiner Zeit bei Werder, er ist der Stürmer, dem immer nachgesagt wird, er habe einen etwas zu dicken Bauch, um Profi zu sein. Bei Schalke macht er noch einmal 20 Tore. Und dann, in der Rückrunde der Saison 2006/07, der Transfer, der für die Schweizer Super League ein Coup ist: Ailton zu GC. Der Ailton? Der Torschützenkönig aus der Bundesliga?

Genau der. Seit Sommer 2006 spielt er in Belgrad bei Roter Stern, aber die Familie fehlt ihm. Und langweilig ist es ihm auch, weil der serbische Spitzenclub schon zur Winterpause praktisch Meister ist. Ailton will ausgeliehen werden, es gibt die Möglichkeit, nach Katar zu gehen oder in seine Heimat Brasilien. Aber er will in Europa bleiben. 

GC kommt zugute, dass es einen Trainer mit Bundesliga-Vergangenheit hat: den Bulgaren Krassimir Balakov. Die zwei telefonieren, der Coach sagt, er suche einen Stürmer mit Erfahrung. Und der Stürmer mit Erfahrung nennt eine einzige Bedingung: «dass ich nicht so viel trainieren muss.»

Das ist Ailton, das ist seine Marke. Früh in seiner Karriere bekommt er den Spitznamen Kugelblitz, weil er trotz des Bauchs einer der Schnellsten in der Bundesliga ist. Auch in der Schweiz fragen sich die Journalisten, ob er fit genug ist, um GC zu helfen. Persönlich nimmt er das nie, er spielt mit diesem Bild. 

Ailton im «Dschungelcamp»? «Hatte keinen Bock mehr»

Auch heute sagt er: «Wenn jemand schrieb, ich sei nicht fit, habe ich Coca-Cola getrunken und viel Fleisch gegessen, das machte mich am nächsten Tag schneller.» Er hat aber auch eine zweite Antwort parat und nimmt Ronaldo als Beispiel, den brasilianischen, nicht den portugiesischen Modellathleten: «Die ganze Welt sagte, er habe keine Kondition. Aber man sieht Spielern nicht immer an, wie schnell und explosiv sie sind.» Und fügt dann an: «Genau wie bei Ailton, Kugelblitz.»

Für den letzten Teil braucht er keinen Dolmetscher, den hat Ailton drin. Und das trägt zu seinem Kultstatus bei, manchmal platzt es auf Deutsch aus ihm heraus. 2008 debütiert er bei Altach in der österreichischen Bundesliga und liefert danach ein denkwürdiges Interview. «Das ist kein Profifussball», wettert er, «der beste Stürmer der Welt hätte hier kein Tor erzielt.» Und auf die Frage, was besser werden müsse: «Keine Ahnung, ich weiss nicht, vielleicht nach Brasilien.» Dann läuft er lachend davon. TV-Gold. 

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Solche Momente gibt es zuhauf. Im «Dschungelcamp» hat er irgendwann keine Lust mehr und bittet seine Fans inständig darum, nicht mehr für ihn anzurufen. Später sitzt er bei Stefan Raab auf der Couch von «TV Total», sagt, dass er keinen Bock mehr gehabt habe, und fragt sich, ob seine Fans ihn falsch verstanden hätten. Sie riefen offenbar weiter an. Nun aber, da er im Dschungel von Australien ein paar Kilos verloren habe, wäre er noch fit genug für den 1. FC Köln. Locker würde er Tore schiessen, auch mit seinen 38 Jahren. Bei anderen ist das arrogant, bei Ailton einfach gute Unterhaltung.

«Was hätte ich denn machen sollen?», fragt Ailton nun. Er habe eben etwas zu sagen gehabt. «Und Dolmetscher gab es nicht überall, also redete ich einfach drauflos.» Den Leuten habe gefallen, dass er sich nie verstellte. Solche Spieler gebe es nicht mehr oft. Es freut ihn, dass die Leute mit ihm etwas zum Schmunzeln haben und dass sie ihn nicht nur in Bremen mögen, sondern auch in Berlin, Frankfurt oder München.

Und wie ist es in Zürich? Wisse er nicht, sagt er, die Alten würden ihn vielleicht noch kennen, die Jungen wohl nicht. Dafür ist er wohl auch zu wenig lange da, nach den 8 Toren in 13 Spielen endet sein Aufenthalt schon wieder. Ailton sagt, er wäre gerne länger geblieben, die Stadt gefällt ihm, er hat viele Teamkollegen aus Lateinamerika und geht gerne einmal aus.

Der Trainer lässt Ailton Ailton sein

Die Grasshoppers aus der Saison 2006/07 haben Spieler wie Rinaldo Cruzado aus Peru, Aaron Galindo aus Mexiko und die Brasilianer Weligton, Eduardo, Antonio dos Santos und Wesley. «Das halbe Team war aus Brasilien», erzählt Ailton, auch Trainer Balakov spricht Portugiesisch mit ihm, und er lässt Ailton Ailton sein. Darum, erzählt der Stürmer von damals, habe er sich dem Team auch hingegeben. 

GC-Spieler Ailton versucht, neben Schiedsrichter Massimo Busacca die Fans zu beruhigen.

Die Saison mit Ailton endet mit einem sechsten Rang, nach dem letzten Titel von 2003 ist GC auf dem Weg ins Mittelmass, mit Zwischenhochs um die Jahre 2012 und 2013 herum, als GC einmal den Cup gewinnt. 2007 stellt aber auf anderer Ebene eine Art Zäsur dar in der Clubgeschichte. 2006/07 ist die letzte Saison, die das Team im Hardturm bestreitet. 

«Ein kleines Stadion, aber sehr gemütlich», das ist die Erinnerung von Ailton an dieses Stadion im Kreis 5. Er sei immer gut empfangen worden von den Fans und habe sich wohlgefühlt. «Es ist traurig, dass es das Stadion nicht mehr gibt», sagt er. Und verspricht, dass er bald mal nach Zürich komme, um einen GC-Match zu sehen. 

«Vielleicht kann GC einen wie Ailton ja brauchen», sagt Ailton dann noch über Ailton. Nur um dann gleich hinzuzufügen: «Aber Ailton hat schon Feierabend!» Irgendwie schade um Ailton.