Inländer müssen Branche rettenBund will 40 Millionen mehr für Tourismus-Werbung ausgeben
Die Krise trifft den Tourismus von allen Branchen mit am härtesten. Das heimische Feriengeschäft dürfte sich zudem vergleichsweise langsam erholen. Darum soll es nun gesondert gefördert werden.
Am 13. März, drei Tage vor der Ausrufung des Lockdown, gab die Marketingorganisation Schweiz Tourismus ihre Prognosen zur Entwicklung der Besucherströme während und nach der Corona-Krise bekannt. Sie war bemerkenswert optimistisch: Für Schweizer Gäste erwartete sie für die Monate April bis Juni gegenüber dem Vorjahr nur einen Rückgang um ein Prozent. Bis Ende Jahr werde sich die Gesamtnachfrage inklusive Ausländern wieder erholt haben und bei 96 Prozent des Vorjahresniveaus angelangt sein.
Seither wagt Schweiz Tourismus keine Prognosen mehr. Die Situation in den Zielmärkten ändert sich täglich, die künftige Entwicklung der Pandemie ist schwer einzuschätzen. Klar scheint nur, dass alles noch schlimmer wird als ursprünglich befürchtet.
Die Hochschule für Wirtschaft in Siders hat berechnet, dass die Schäden in der Branche allein für die Monate März, April und Mai mehr als sechs Milliarden Franken betragen dürften. «2020 wird ein verlorenes Jahr für uns», sagt der Präsident des Hotellerie-Verbandes, Andreas Züllig, im Gespräch. «Wir erwarten eine Konkurswelle.»
40 Millionen bis Anfang 2022
Um das Schlimmste abzuwenden, will es die Politik nicht bei den bisher getroffenen Stützungsmassnahmen Kurzarbeit und Kreditgarantien bewenden lassen, die für die gesamte Wirtschaft gelten. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) will zusätzliche 40 Millionen Steuer-Franken für ein «Impulsprogramm» an Schweiz Tourismus überweisen, das bestätigt das Seco dieser Zeitung. Bereits nach der letzten Finanz- und Wirtschaftskrise investierte der Bund zwischen 2009 und 2012 rund 36,8 Millionen in zusätzliches Tourismus-Marketing.
Noch müssen die 40 Millionen allerdings die Beratung in der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats und die Abstimmungen in den Räten überstehen. Diese werden in ihrer Sommersession im Juni darüber befinden. Zudem sollen Schweiz Tourismus und seine Partner – das sind regionale und lokale Tourismus-Organisationen – eigenes Geld aufwerfen.
Die Rede ist von acht Millionen. Das frische Geld wird das ordentliche Budget von Schweiz Tourismus ergänzen, das in diesem Jahr aus 57 Millionen Franken Bundesmitteln und 27 Millionen Mitteln der Partnerorganisationen besteht.
Die 96 Prozent Nachfrage, die Schweiz Tourismus noch im März auf Ende Jahr erwartete, scheinen unerreichbar.
Der «Recovery Plan», der die Verwendung des Geldes koordiniert, soll bis 2022 dauern und ist bereits angelaufen. «Dream now – travel later» – «Träume jetzt – reise später»: Das ist der Slogan des Werbeclips, der helfen soll, dass die Schweiz als Reiseland bei Touristen in der ganzen Welt nicht in Vergessenheit gerät.
Noch ist der Spot für alle Märkte gleich. Doch will Schweiz Tourismus die verschiedenen Zielmärkte in den kommenden Monaten unterschiedlich beackern. Im nahen Ausland dürfte man schon im Sommer dafür werben, nun auch endlich wieder Reisen in die Schweiz zu buchen. «We need Switzerland» wird der Slogan lauten, also «Wir brauchen Schweiz».
«Jetzt braucht es Heimatbewusstsein»
In Fernost werde die Kampagne wohl im Spätsommer beginnen, sagt Markus Berger, Sprecher von Schweiz Tourismus. Aus China treffen für Ende Jahr sogar schon wieder erste Anfragen ein. Im Falle von Nordamerika ist noch komplett unklar, wann die Menschen wieder zum Reisen bereit sind. Die 96 Prozent Nachfrage, die Schweiz Tourismus noch im März auf Ende Jahr erwartete, scheinen daher unerreichbar.
«Auch wenn die Grenzen bis dahin wieder offen sein dürften, werden viele Schweizer diesen Sommer lieber Ferien im Inland buchen.»
Die Touristiker hoffen, dass Inländer das Ausbleiben ausländischer Touristen zumindest teilweise wettmachen werden. Darum wird die Kampagne, die den Menschen die erste Reise nach dem Lockdown schmackhaft machen will, zuerst in der Schweiz anlaufen. «Jetzt braucht es Heimatbewusstsein», sagt Berger.
Er geht davon aus, dass die Skepsis vor Auslandsreisen nicht nur unter Ausländern gross ist, sondern auch bei Schweizern. «Auch wenn die Grenzen bis dahin wieder offen sein dürften, werden viele Schweizer diesen Sommer lieber Ferien im Inland buchen, statt ans Mittelmeer zu fahren.» Normalerweise sind Inländer für knapp die Hälfte des Tourismus-Umsatzes in der Schweiz verantwortlich. 2020 wird es deutlich mehr sein.
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