Kampf gegen Gülle Bürgerliche Ständeräte sistieren grosse Agrarreform
Das Parlament will weniger Pestizide und Dünger in der Umwelt. Nun aber legt der Ständerat die geplante Agrarreform auf Eis – und damit Massnahmen zum besseren Trinkwasserschutz.

Auch wenn der Bund die Wasserqualität als insgesamt gut einstuft: Rückstände aus Pflanzenschutz- und Düngemitteln belasten die ober- und unterirdischen Gewässer verbreitet. Soll das Grundwasser, die Hauptquelle für unser Trinkwasser, besser geschützt werden? Das Parlament arbeitet an einer Antwort auf die Trinkwasser- und die Pestizidverbotsinitiative, die den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln senken respektive untersagen wollen und nächstes Jahr zur Abstimmung kommen.
Wie weit geht das Parlament?
Seit Montag ist klar: Die Antwort enthält weniger Substanz, als sie haben könnte. Verantwortlich dafür ist der Ständerat. Er hat nur über die Bundesgelder für die Landwirtschaft beraten und knapp 14 Milliarden Franken für die Jahre 2022 bis 2025 gutgeheissen.
Den Rest des Reformpakets, die sogenannte Agrarpolitik ab 2022, hat er mit 28 zu 16 Stimmen gegen den Willen einer links-grünen Minderheit auf Eis gelegt. Sistiert hat er damit auch ein Massnahmenpaket, mit dem der Bundesrat die Ökologie in der Landwirtschaft stärken will – eine Niederlage auch für Agrarminister Guy Parmelin (SVP). Die bürgerliche Mehrheit kritisierte, der Entwurf des Bundesrats sei zu wenig durchdacht und teils widersprüchlich, er bringe höhere Auflagen für die Landwirtschaft, geringere Direktzahlungen, weniger Einkommen für die Bauern und einen rückläufigen Selbstversorgungsgrad. Vergeblich mahnte Maya Graf (Grüne) an, Stillstand bedeute Rückschritt.
Ungeklärt bleiben damit – weit über den Urnengang zu den Pestizid-Initiativen hinaus – gewichtige Punkte: Nach dem Willen des Bundesrats soll es neu Zusatzbeiträge für jene Landwirte geben, die auf Pestizide verzichten und die Biodiversität stärken. Erhöhen will der Bundesrat auch die Anforderungen im Ökologischen Leistungsnachweis, den Bauern für den Erhalt der Direktzahlungen erfüllen müssen: Pflanzenschutzmittel mit erhöhtem Umweltrisiko dürften sie künftig nicht mehr anwenden. Zudem sollen sie pro Fläche künftig weniger Hofdünger ausbringen dürfen.
Ignoriert das Parlament das Problem also?
Nein. Das Parlament arbeitet an einem inoffiziellen Gegenvorschlag zu den beiden Volksbegehren – in Form einer parlamentarischen Initiative. Konkret will das Parlament die Risiken des Pestizideinsatzes bis 2027 im Vergleich zum Mittel der Jahre 2012 bis 2015 um 50 Prozent senken– wie, bleibt nach der Sistierung der Agrarreform aber unklar. Sicher ist hingegen: Ist absehbar, dass die Halbierung nicht gelingt, muss der Bundesrat Massnahmen ergreifen. Insbesondere kann er einen neuen Absenkpfad definieren und die Genehmigung besonders risikoreicher Wirkstoffe widerrufen. Zur Einordnung: Dänemark hat es geschafft, die Risiken binnen fünf Jahren um 30 Prozent zu senken – mit einer Lenkungsabgabe auf Pestizide. Auch andere Länder kennen dieses Instrument, das – besonders risikoreiche – Pestizide verteuert. Doch im Parlament ist dieser Vorschlag bislang nicht mehrheitsfähig gewesen.
Gibt es weitere Verschärfungen?
Ja. Der Bund soll die Zulassung eines Pestizids künftig immer dann überprüfen, wenn ein Wirkstoff «wiederholt und verbreitet» mit mehr als 0,1 Mikrogramm pro Liter nachgewiesen wird. Der Nationalrat hat dies letzte Woche ins Gesetz geschrieben – dank den Freisinnigen, die Grüne, SP und Grünliberale unterstützt haben. Verhindert werden soll so ein weiterer Fall Chlorothalonil, das der Bund als «wahrscheinlich krebserregend» einstuft und auf Anfang Jahr verboten hat; die Abbaustoffe überdauern im Wasser aber noch jahre- bis jahrzehntelang. Dieselbe Allianz erwirkte, dass die Kantone bis 2035 in der Umgebung von Grundwasserfassungen Schutzzonen ausscheiden müssen, wo für Pestizide schärfere Regeln gelten. Der Bauernverband kritisiert diesen Beschluss: Er fürchtet um die Zukunft von 1200 Quadratkilometern Kulturland in den besten Acker- und Gemüsebauregionen der Schweiz. Und hofft nun auf eine Korrektur durch den Ständerat in der nächsten Session.
Und was ist mit dem Güllenproblem?
Ob Stickstoff, Ammoniak oder Phosphor: Im Mittelland und im Jura gelangen zu viel Nährstoffe in die Umwelt – eine Folge davon, dass die Bauern grosse Nutztierbestände haben und viel Futter und Dünger importieren. Hier setzt die Trinkwasserinitiative an: Sie will die Zahl der Nutztiere in der Schweiz stark senken – und damit auch die Nährstoffverluste in der Umwelt. Bauern sollen künftig nur noch so viele Tiere halten dürfen, wie sie «mit dem auf dem Betrieb produzierten Futter» ernähren können. Das Parlament reagiert insofern darauf, als es die Nährstoffverluste bis 2030 «angemessen» reduzieren will. SP, Grüne und GLP hatten letzte Woche im Nationalrat quantifizierte Reduktionsziele mit Fristen gefordert – erfolglos. Durchgesetzt haben sie sich – wiederum mithilfe der FDP – dagegen beim Transparenz-Artikel: Wer Futtermittel oder Dünger in Verkehr bringt, ist verpflichtet, dem Bund Daten über die Abgabe an die Bauernbetriebe zu melden.
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