Empörung auf der InselBriten schimpfen über «Arroganz und Ignoranz» ihrer Landsleute
Weil ihnen in den Skiferien Quarantäne drohte, haben Gäste aus dem Vereinigten Königreich die Schweiz fluchtartig verlassen. Zu Hause angekommen, schlägt ihnen teils blanke Wut entgegen.
Teils Beschämung und Zorn, teils aber auch unverhohlene Bewunderung hat die jüngste Massenflucht britischer Skifahrer aus der Schweiz ausgelöst in Grossbritannien. Einige Landsleute der Geflüchteten fühlten sich erinnert an den Film «The Great Escape», in dem alliierte Kriegsgefangene im Jahr 1943 auf abenteuerliche Weise aus einem deutschen Lager ausbrechen: Ein selbst gegrabener Tunnel verhilft ihnen zur Flucht.
Eine noch kuriosere Assoziation hatte ein prominenter Brexiteer, der es «gerade noch über die Grenze schaffte». Andy Wigmore, der beim Brexit-Referendum von 2016 in der Anti-EU-Kampagne eine führende Rolle spielte, fühlte sich mitten hinein versetzt in den Julie-Andrews-Klassiker «The Sound of Music». Er und seine Familie hätten es wenige Stunden vor der Quarantäne-Order noch nach Frankreich geschafft, berichtete er auf Instagram: «Wie in Sound of Music entkamen die Wiggy von Trapps über die Grenze, bevor sie geschlossen wurde. Nur dass wir eben aus der Schweiz flohen statt in die Schweiz.» Dass er da die historischen Ereignisse etwas auf den Kopf stellte, störte Wigmore nicht.
Die Regierung hatte ausdrücklich gewarnt
Die Familie, die in Wengen Ferien machte, habe vorigen Dienstag von Freunden «Bescheid» bekommen über die erwartete, rückwirkende Quarantäne-Order und sei unmittelbar Richtung Westen geflohen. Zwanzig Minuten «vor Torschluss» hätten sie die Grenze überquert, sich mit Zügen nach Paris durchgearbeitet und von dort den letzten Eurostar zurück nach London erwischt.
Dass er seine Geschichte eine Weile im Web ganz offen zur Schau stellte, trug «Wiggy von Trapp» eine Menge zorniger Kommentare ein. Dabei, beteuerte Wigmore, habe er ja gegen keine Gesetze verstossen – im Unterschied zu Hunderten Briten, die offenbar nach dem Inkrafttreten der Order bei Nacht und Nebel das Land verliessen.
Die meisten dieser Geflüchteten hatten schon durch ihre Reise in die Schweiz gegen die nachdrückliche Mahnung der britischen Regierung verstossen, nicht ins Ausland zu fahren. Die Art ihrer Rückkehr führte zu einem Shitstorm gegen sie. Einige Kommentatoren, die die Sache «gar nicht lustig» fanden, forderten Scotland Yard auf, ihr nachzugehen. Jacqueline Hamilton, eine Chemie-Professorin an der Uni York, fragte: «Warum, zum Kuckuck, müssen Leute mitten in einer Pandemie Ski fahren gehen? Und dann einfach abhauen? Das sind doch selbstsüchtige Idioten.»
Der Gefahren «voll bewusst»
Beatrice Bass, Sprecherin der britischen Liberaldemokraten, drückte die Hoffnung aus, «dass diese egoistischen, skrupellosen Missetäter noch gefasst und bestraft werden» im eigenen Land. Die Londoner «Times» zitierte einen erbosten Mitbürger namens Adrian Faiers, der früher im britischen Gesundheitswesen arbeitete, mit der Bemerkung, letztlich sei das Ganze ja nur wieder ein Beispiel dafür, wie «Arroganz und Ignoranz» sich in gewissen Schichten der britischen Gesellschaft überlappten: «Wir entscheiden selbst, wie, wann und ob Vorschriften auch für uns gelten – egal, was die Kosten für andere sind.»
Das findet Andy Wigmore denn doch ein bisschen zu streng. Er selbst sei sich der Gefahren der Pandemie «voll bewusst», versicherte «Wiggy von Trapp» gestern. Aber die Schweiz sei halt noch mal etwas anderes. Freunde, die sich dort noch immer in den Ferien befänden, hätten sich bei ihm darüber beklagt, «dass die dich schon attackieren, wenn du nur rausgehst auf den Balkon». Wigmores erstauntes Fazit: «So ernst nehmen die Schweizer das.»
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