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Behörden über Tötung in Basel
«Der Kontakt zur Aussenwelt ist wichtig für den Therapieerfolg»

Das Wichtigste in Kürze

  • Am Donnerstag tötete mutmasslich Raphael M. am Basler Nasenweg eine 75-jährige Frau.

  • Vor zehn Jahren hatte M. im selben Haus eine Frau getötet und auf der Flucht eine weitere Frau umgebracht sowie einen Senioren schwer verletzt.

  • Am Montag informierten die Basler Behörden zum Fall.

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Zusammenfassung

Nach dem Tötungsdelikt von letzter Woche in Basel soll eine externe Untersuchung zu den Vorgängen in den Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) Klarheit bringen. «Oberstes Ziel ist, dass sich solche Taten nicht wiederholen», hat Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann am Montag vor den Medien gesagt.

Ob alles vorschriftsgemäss abgelaufen ist, könne vor dieser Untersuchung noch nicht gesagt werden, sagte Eymann weiter.

Auch Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger äusserte sich zur Aufklärung des Falls, bei dem ein UPK-Patient am Donnerstag bei einem unbegleiteten Freigang eine 75-jährige Frau getötet haben soll. «Falls sich der dringende Verdacht bestätigt, ist es so, dass wir als Kanton der Verantwortung nicht gerecht werden konnten – ich bedaure das», sagte Engelberger.

Die besagte externe Untersuchung sei noch nicht aufgegleist, sagte Michael Rolaz, CEO der UPK. Für diese Aufgabe kämen Expertinnen und Experten anderer forensischer Anstalten in der Schweiz in Frage. Vor der externen Untersuchung würde die UPK bereits die Abläufe intern analysieren, sagte Henning Hachtel, Direktor der Klinik für Forensik der UPK.

Keine Angaben zum Einzelfall während Verfahren

Wie es zum Entscheid kam, den 32-jährigen Tatverdächtigen alleine auf einen Freigang aus der geschlossenen Klinik zu lassen, ist derzeit noch nicht publik. Über Vollzugsöffnungen verfügt der kantonale Straf- und Massnahmenvollzug. Bis zum Abschluss des Verfahrens und dem Gerichtsentscheid könne sich diese noch nicht zum Einzelfall äussern, wie deren Leiterin Sabine Uhlmann sagte.

Die Behörde verfüge solche Lockerungen stets breit abgestützt auf die Aktenlage und verfasse anhand dessen jeweils eine Verfügung. Auf eine Person in einer stationären Massnahmen schauten in der Regel «sechs bis acht Augen». Momentan gebe es im Kanton Basel-Stadt zwölf Klienten mit der Diagnose paranoide Schizophrenie mit angeordneten Massnahmen und einem Anlassdelikt, sprich einer Gewalt- oder Sexualstraftat, so Uhlmann.

Die Vollzugsöffnungen seien gesetzlich vorgeschrieben, sagte Rolaz. Nach dem Tötungsdelikt seien Freigänge aus den UPK jedoch kurzfristig gesperrt. Die Massnahme gelte bis am Dienstag. Sie gelte zum Schutz der Patientinnen und Patienten.

Freigang nach schrittweiser Vollzugslockerung

Massnahmenlockerungen bei Patientinnen und Patienten in der forensischen Abteilungen werden stets stufenweise durchgeführt, wie Hachtel ausführte. Erst fänden sie begleitet und auf dem UPK-Areal statt, dann schrittweise auch ausserhalb. So solle schrittweise überprüft werden, ob Behandlungsziele erreicht wurden.

Die Polizei nahm den Tatverdächtigen am Freitagnachmittag nach einer Öffentlichkeitsfahndung fest. Der Schweizer soll sein Opfer in einem Mehrfamilienhaus am Nasenweg getötet haben. Dabei handelt es sich um einen Wiederholungstäter. Bereits im November 2014 erstach er im selben Quartier zwei Frauen und verletzte einen betagten Mann mit einem Messer schwer. Er wurde damals noch am Tatort festgenommen.

Das Basler Strafgericht ordnete daraufhin eine stationäre psychiatrische Behandlung an. Es stellte fest, dass der schuldunfähige Täter den Tatbestand des mehrfachen und des versuchten Mordes erfüllt hatte. Das psychiatrische Gutachten hielt damals fest, dass ohne Behandlung die Rückfallgefahr für schwere Delikte gross sei. (sda)

Die Pressekonferenz ist beendet

Die Fragerunde im Plenum ist beendet. Und damit auch die Medienkonferenz. An dieser Stelle folgt in Kürze eine Zusammenfassung. Und später berichten wir über weitere Hintergründe in dieser Zeitung.

Vielen Dank für Interesse!

Warum erst am Tag danach informiert wurde

Wenn jemand nicht vom Freigang zurückkehrt in die UPK, werde umgehend ein Fahndungsverfahren ausgelöst, sagt UPK-CEO Rolaz. Es gebe einen Austausch zwischen den UPK und der Polizei, sagt Gesundheitsdirektor Engelberger.

Die Sicherheitsdirektorin spricht nun nochmals über die Staatsanwaltschaft. Es geht um die Gefährdungsmeldung, die erst am Tag danach gemacht wurde. Dies, obwohl der Täter vor zehn Jahren auf der Flucht nach der Tat noch eine weitere Frau getötet hat und einen weiteren Mann schwer verletzt hatte. Eymann verweist aber erneut an die Staatsanwaltschaft, die in diesem Fall zuständig sei.

Staatsanwaltschaft wird vermisst

Eymann spricht über die Öffentlichkeitsfahndung. Wann eine solche durchgeführt wird, sei Sache der Staatsanwaltschaft. Diese ist aber zum Unmut einiger Journalisten nicht hier am Tisch. Eymann sagt, sie sei nicht informiert über das laufende Strafverfahren. Dies, weil die Staatsanwaltschaft zwar organisatorisch ihrem Departement angehängt ist, jedoch aber unabhängig sei.

Sind die Ärzte getäuscht worden?

Eine Manipulation des Blutspiegels, sprich die Kontrolle der Medikamenteneinnahme, könne er ausschliessen, sagt der CEO der UPK. Es komme aber häufig vor, dass Patienten versuchen, die Experten zu täuschen. «Wir sind aber darauf geschult, dies zu erkennen», sagt Rolaz.

«Tiefere Rückfallquote»

Wie häufig gelingt die Wiedereingliederung tatsächlich? Hachtel spricht davon, dass man bei einer entsprechenden Behandlungskonstellation ein gutes Ergebnis erzielen könne. Er sagt, dass die Patienten, die in den UPK untergebracht sind, meist eine lange Vorgeschichte mitbringen. Bei Gewalttätern mit psychotischem Hintergrund sei die Rückfallrate deutlich unter derjenigen der Allgemeinbevölkerung. Er spricht vom Faktor 10 bis 20.

Wie viele Straftäter laufen frei herum?

Uhlmann weicht dieser Frage ein wenig aus. Derzeit seien in Basel zwölf Patienten mit Schizophrenie, die mit einer Massnahme nach Artikel 59 des Strafgesetzbuchs in der Zuständigkeit des Kantons Basel-Stadt sind. Diese seien aber nicht alle in Basel, sondern auch in anderen Kantonen untergebracht.

Rolaz ergänz, dass diese nicht alle Freigang haben. Man habe zwei Abteilungen mit je 16 Plätzen. Dort seien aber auch Patienten mit anderen Krankheitsbildern untergebracht.

Warum wird der Mann nicht überwacht?

«Wieso ist keinem aufgefallen, dass der Mann bei Freigängen immer wieder zum Nasenweg gehe», will ein Journalist wissen. «Warum wird er nicht überwacht, zum Beispiel mit einer Fussfessel?»

Uhlmann sagt, dass eine Fussfessel den Rückfall nicht grundsätzlich verhindern würde. Daher würde das auch nicht gemacht.

Patienten müssen vor dem Freigang einen Urlaubsplan abgeben. Wo sie wann hingehen und mit wem sie sich wann treffen. Die Patienten sollen sich überlegen, wie sie ihre Zeit gestalten.

Sämtliche Freigänge bis Dienstag gesperrt

Werden andere Patienten bestraft, in dem die Praxis geändert wird? Rolaz sagt, dass man kurzfristig sämtliche Freigänge gesperrt habe. Dies zum Schutz der Patienten. Die Massnahme gelte bis morgen Dienstag. Rolaz verweist aber erneut auf die gesetzlichen Vorschriften und das Ziel der Wiedereingliederung.

Kein Wort zum aktuellen Fall

Die Journalisten bohren an der Pressekonferenz nach. Doch Sabine Uhlmann weist die Fragen zum Einzelfall ab. Dazu könne und wolle sie jetzt nichts sagen.

Sie spricht allgemeiner über die Fachkommission, die einen solchen Prozess medizinisch begleitet. Das seien acht bis zehn Personen. Ihre Abteilung würde einen Bericht erhalten, in dem jeder zuständige Bereich sich äussere. Aufgrund dieses Berichts und weiterer Unterlagen würde der Straf- und Massnahmenvollzug dann entscheiden, ob Lockerungen möglich sind.

Wer ist verantwortlich?

Nun beginnt die Fragerunden. Ein Journalist fragt: «Wer hat am Ende wirklich die Verantwortung? Und wer übernimmt sie?»

Eymann will die Frage offen lassen und verweist auf die Untersuchung, die nun durchgeführt wird.

Uhlmann ergänzt, dass ihre Abteilung, der Straf- und Massnahmenvollzug, verfügt, ob eine Vollzugsöffnung durchgeführt wird oder nicht. Eine solche Verfügung sei stets anfechtbar. Eine solche Entscheidung sei aber immer breit abgestützt auf die Aktenlage.

Eymann: «Oberstes Ziel muss sein, dass sich solche Taten nicht wiederholen»

Jetzt übernimmt wieder die Sicherheitsdirektorin. Es sei enorm wichtig, dass die Abklärungen zum Fall gemacht werden, sagt Eymann. Und daher werden sie von einer externen Stelle durchgeführt.

Jetzt spricht sie von der Politik und möglichen Forderungen: «Das oberste Ziel muss sein, dass sich solche Taten nicht wiederholen». Zuerst müsse man aber nun diesen Fall aufarbeiten. Sie verweist auf das laufende Strafverfahren.

Eymann dankt der Polizei und der Bevölkerung, die die entscheidenden Hinweise gegeben haben, die zur Festnahme führten.

«Krisenplan» für Lockerungen

Intern gebe es wiederkehrende Beurteilungen. Es gäbe «Lockerungskonferenzen». Solche Lockerungen würden durchgeführt, um die Behandlungsziele überhaupt erreichen zu können. Auch Hachtel betont, es gehe am Ende immer um die Wiedereingliederung. Das sei der gesetzliche Auftrag.

Bei Lockerungen sei stets auch immer ein «Krisenplan» vorhanden. Es brauche auch immer ein Krisenmanagement. Und die vorangegangen Lockerungsstufen müssen positiv verlaufen sein.

Lockerungen seien bewilligungspflichtig. Es gebe daher beim ganzen Prozess immer wieder externe Begutachtungen.

Unbegleitete, externe Ausgänge würden nicht ohne eine psychische Begutachtung des Zustands stattfinden, betont Hachtel.

«Mittlere Sicherheitsstufe»

Nun ergreift Henning Hachtel, Direktor der Klinik für Forensik der UPK, das Wort. «Wir sind intern bereits sehr intensiv daran, nochmals die Prozessabläufe anzuschauen», sagt er. Man sei sich bewusst, dass eine forensische Klinik für Aussenstehende nur schwer verständlich ist.

Man habe im Behandlungsauftrag einen «klaren Fokus auf eine Risikominderung», sagt Hachtel.

Die Behandlungen würde stationär im geschlossen Rahmen durchgeführt. Hachtel spricht von einer «mittleren Sicherheitsstufe».

Nach dem Eintritt eines Täters, werde dieser frühestmöglich in eine Therapie eingebettet. Dabei gehe es auch um die Beeinflussung der Krankheit durch Medikamente. Aber auch andere Elemente werden in der Therapie eingesetzt. Man habe eine hohe Fachkompetenz in der UPK, sagt Hachtel.

Verlängerung oder Lockerung?

Uhlmann erklärt das Verfahren in allen Details und wie die Gerichte alle fünf Jahre neu beurteilen müssen, ob eine Massnahme verlängert werden muss.

Kein Freigang bei Anzeichen für akute psychotische Phasen

Uhlmann erklärt, wie eine interdisziplinäre Kommission jeweils die Täter begutachtet. Dabei werde immer über die Rückfallgefahr im Auge behalten. Vollzugslockerungen würden schrittweise erfolgen. Das beginne beispielsweise mit betreuten Spaziergängen auf dem Klinikareal und weiteren Zwischenstufen, bevor ein Patient irgendwann alleine in den Freigang gehen darf.

Es würde zudem regelmässig kontrolliert, ob die Personen ihre Medikamente nehmen. Menschen mit Anzeichen für akute psychotische Phasen oder wahnhaftes Verhalten würden auf keinen Fall auf Freigang gehen dürfen.

Solange ein Täter ein neues Delikt begehen könnte, muss er oder sie im geschlossenen Bereich einer Vollzugsklinik bleiben.

Gefährlichkeit von Patienten begutachet

Jetzt spricht die Leiterin des Massnahmenvollzugs des Kantons Basel-Stadt. Sie erklärt den Ablauf einer solchen Massnahme, wie sie das Gericht beim Täter Raphael M. angeordnet hatte.

Wenn erwartet wird, dass durch eine Massnahme kein Behandlungserfolg möglich ist, würde das Gericht eine Verwahrung aussprechen. Die Rolle des Massnahmenvollzugs sei die Planung des gesamten Vollzugs. Daher gehörten auch die einzelnen Progressionsstufen oder eine bedingte Entlassung. Dazu würden Risikoabklärungen gemacht. Dabei wird die Gefährlichkeit des beurteilten Patienten begutachtet.

Die Planung des Vollzugsverlaufs richte sich stets nach der Risikobeurteilung. Der Fokus der Behandlung einer schizophrenen Störung liege bei der medikamentösen Behandlung. Um zu überprüfen, ob die Behandlung anschlägt, seien Belastungsproben nötig. Dazu gehören auch Vollzugslockerungen wie Freigang, sagt Uhlmann.

Externe Begutachtung

Rolaz erinnert daran, dass viele Behandlungen erfolgreich sind. Dennoch wolle man den jetzigen Fall aufarbeiten. «Wir stellen uns einer externen Begutachtung», sagt Rolaz.

UPK-CEO: «Kontakt zur Aussenwelt wichtig»

Jetzt spricht der CEO der UPK. «Wir sind alle bestürzt», sagt Michael Rolaz. Er spricht von einer «schwierigen Stimmung» in seinem Betrieb. Das Behandlungsteam sei tief betroffen.

Die Forensik sei eine eigenständige Organisationseinheit innerhalb der UPK. Sie gleiche einem Gefängnis. Er erklärt, wie das Verhältnis mit den Patienten ist. «Wir sprechen nicht von Verwahrung», sagt Rolaz. Das Ziel sei immer die Wiedereingliederung.

Die Behandlung orientiere sich an einem fixen Prozedere. Vollzugsöffnungen seien wichtig für die Behandlungen und ausserdem gesetzlich vorgeschrieben. Der Kontakt mit der Aussenwelt sei für die Patienten wichtig für den Therapierfolg.

Engelberger: «Der Verantwortung nicht gerecht geworden»

Die Behandlung von psychisch kranken Tätern sei mit Risiken verbunden, sagt Engelberger. Man stelle sich dieser Herausforderung aber mit hoher Professionalität. In diesem Fall sei man der Verantwortung aber nicht gerecht geworden. «Ich bedaure das ausserordentlich», sagt Engelberger.