Behörden über Tötung in Basel«Der Kontakt zur Aussenwelt ist wichtig für den Therapieerfolg»
Mutmasslich Raphael M. tötete im Basler Breite-Quartier eine Frau. Der psychisch kranke Mann war auf Freigang aus der forensischen Klinik. Nun nahmen die Behörden Stellung zu den drängendsten Fragen.
Das Wichtigste in Kürze
Am Donnerstag tötete mutmasslich Raphael M. am Basler Nasenweg eine 75-jährige Frau.
Vor zehn Jahren hatte M. im selben Haus eine Frau getötet und auf der Flucht eine weitere Frau umgebracht sowie einen Senioren schwer verletzt.
Am Montag informierten die Basler Behörden zum Fall.
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Engelberger «erschüttert»
Der Basler Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger ergreift das Wort. Das Delikt habe ihn persönlich erschüttert, sagt Engelberger. «Ich möchte den Hinterbliebenen mein Mitgefühl aussprechen.»
Psychisch kranke Täter seien gleichzeitig Straftäter und Patienten. Das sei eine Gratwanderung und eine grosse Verantwortung. Deshalb gebe es an den UPK eine Abteilung für Forensik. Engelberger erinnert daran, dass die UPK nicht Teil der Basler Verwaltung sei, sondern eine ausgegliederte Rechtseinheit.
Keine Antwort, warum Täter nicht verwahrt wurde
Der Täter sei rechtskräftig verurteilt worden. Und es sei eine Massnahme ausgesprochen worden. Man könne aber hier nicht beantworten, warum der Täter nicht verwahrt wurde. Dies wegen der Zuständigkeiten der Gerichte, sagt Eymann.
Zuständig für den Vollzug seien die Kantone. Der Austausch unter den Kantonen sei gut. «Damit die Massnahmen überall gleich angewendet werden», sagt Eymann.
Nun stellt sie noch die weiteren Redner der heutigen Medienkonferenz vor.
Es geht los
Stephanie Eymann, die Basler Sicherheitsdirektorin, ergreift das Wort. Sie spricht ihr Beileid den Angehörigen des Opfers vom letzten Donnerstag aus. Und sie spricht davon, dass viele Menschen in der Umgebung Angst hatten, insbesondere die Nachbarn am Nasenweg.
In wenigen Minuten geht es los
Im Medienzentrum machen sich alle bereit. Die beiden Mitglieder der Basler Regierung, Stephanie Eymann (LDP) und Lukas Engelberger (Mitte), sind auch schon vor Ort. Im Saal sind zahlreiche Medienschaffende, nicht nur von Basler Medien.
Behördenvertreter nehmen Stellung
Die Behörden nehmen am Montag Stellung zum erneuten Tötungsdelikt am Nasenweg vom letzten Donnerstag. An einer Medienkonferenz erklären Vertreter von Regierung und den Psychiatrischen Universitätskliniken Basel (UPK) das Vorgehen im Straf- und Massnahmenvollzug sowie bei medizinischen Abklärungen von Tätern mit besonderen Krankheitsbildern.
An der Medienkonferenz nehmen teil:
Stephanie Eymann, Vorsteherin des Justiz- und Sicherheitsdepartements.
Lukas Engelberger, Vorsteher des Gesundheitsdepartements.
Sabine Uhlmann, Leiterin des kantonalen Straf- und Massnahmenvollzugs.
Michael Rolaz, CEO der UPK.
Henning Hachtel, Direktor der Klinik für Forensik der UPK.
Die Medienkonferenz beginnt um 14 Uhr.
Tötung beschäftigt nationale Politik
Die Tötungen in Basel wecken Erinnerungen an Taten, die den Schweizer Strafvollzug für immer verändert haben – allen voran an den Mord von Zollikerberg. Die 20-jährige Pasquale Brumann wurde 1993 im Wald auf dem Weg zu einem Pfaditreffen brutal getötet. Der Mörder befand sich auf einem zweitägigen Hafturlaub. Zuvor hatte er bereits zwei Frauen getötet und mindestens zehn Frauen vergewaltigt. Eine Untersuchungskommission analysierte daraufhin die Praxis bei Hafturlauben.
Wie soll man mit solchen Tätern umgehen? Darüber entbrennt auch jetzt wieder eine Debatte. Wie hart darf der Strafvollzugs sein? Und ist das Ziel der Wiedereingliederung auch bei solchen Tätern undiskutabel?
Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy sagt dazu: «Dieser erschreckende Fall zeigt einmal mehr, dass wir eine Nulltoleranz für Personen brauchen, die Schwerststraftaten begangen haben.» Sie sollen keinen unbegleiteten Hafturlaub mehr erhalten – und sich auch dann nicht allein frei bewegen dürfen, wenn sie in einer stationären Therapie sind, wie dies beim Basler Täter der Fall war.
Für die grüne Baselbieter Nationalrätin Florence Brenzikofer ist es dagegen noch zu früh für politische Schlussfolgerungen. Auch sie findet den Basler Fall aber dramatisch. Nun müsse man genau analysieren, welche therapeutischen Massnahmen getroffen worden seien und wieso diese nicht gegriffen hätten. Dann müssten daraus politische Massnahmen abgeleitet werden. (red)
Lesen Sie hier mehr zu dieser politischen Debatte: Tatverdächtiger war auf Freigang, Politiker fordert Nulltoleranz.
Raphael M. hat eine sehr lange Vorgeschichte
Der mutmassliche Täter Raphael M. ist bereits 2009 mit dem Gesetz in Konflikt gekommen. Der damals 17-Jährige fiel wegen seines Marihuana-Konsums auf. Die Behördenvertreter stellten aber auch erste Anzeichen einer Psychose fest, die sich im Rahmen einer Untersuchung in den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel (UPK) verdichteten. Doch die Eltern von M. lehnten weitere Abklärungen ab.
2010 wurde im Rahmen einer IV-Abklärung dennoch eine Diagnose gestellt: hebephrene Schizophrenie. Die Erkrankung äussert sich vor allem dadurch, dass die Emotionen verändert und sehr instabil sind. Die Familie lehnte eine Behandlung ab. Stattdessen blieb der Sohn zu Hause und konsumierte weiterhin Cannabis.
Rund ein halbes Jahr vor der Tat vom Frühjahr 2014 verschlimmert sich der Zustand des jungen Mannes merklich. Er verliess kaum noch sein Zimmer, begann Gespräche mit sich selbst und imaginären Freunden zu führen. An die Wände seines Zimmers malte er Totenköpfe. Seine Mutter bekam es mit der Angst zu tun, wollte, dass der Sohn nun doch professionelle Hilfe bekommt.
Sein Vater sah das anders, und so kam es, dass M. zu seinem Vater an den Nasenweg zog. Wenige Tage vor dem Doppelmord kam es in der Familie zum Eklat. M. wurde gegenüber der Mutter gewalttätig. Am Vortag hatte er sich mit drei Jugendlichen angelegt, die Polizei griff ihn auf.
Die Mutter schaltete einen Notfallpsychiater ein, der in der Wohnung vorbeikam. Seine Diagnose: eine Psychose und eine Schizophrenie. Vater und Sohn wehrten sich weiterhin gegen eine Einweisung in die Psychiatrie. Und weil der Notfallpsychiater keine Gefährdung für M. oder andere Menschen erkannte, wurde M. nicht zwangseingewiesen. (kom)
Lesen Sie mehr zum Täter: Was wir über den mutmasslichen Täter wissen.
Der Tatort
Hier am Nasenweg in Basel geschah die unfassbare Tat vom vergangenen Donnerstag. Und auch jene von 2014.
Drittes Tötungsdelikt von Raphael M. in Basel
Der Tatverdächtige ist kein Unbekannter in Basel. Vor zehn Jahren hat Raphael M. eine ganz ähnliche Tat begangen: In einem psychotischen Schub hat er eine Frau mit einem Messer getötet – in genau derselben Liegenschaft. Auf der Flucht hat er damals dann noch eine weitere Frau getötet und einen betagten Mann schwer verletzt.
Der Täter wurde danach zu einer therapeutischen Massnahme in die geschlossene Abteilung in den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel-Stadt (UPK) eingewiesen. Dass er nun erneut töten konnte, liegt daran, dass er am Donnerstag von 13 bis 17 Uhr unbegleiteten Freigang gehabt hatte. Kurz vor 14 Uhr wurde die Polizei wegen der getöteten Frau an den Nasenweg gerufen. Der Mann muss sich also rasch und zielgerichtet von den UPK, die sich am anderen Ende der Stadt in der Nähe des Flughafens befinden, zu der Liegenschaft am Nasenweg begeben haben. (red)
Lesen Sie hier mehr zur bangen Nacht im Quartier und der Grossfahndung, die zur Verhaftung geführt hat: Polizei nimmt Verdächtigen dank Hinweis mitten in der Stadt fest.
Grosseinsatz am Donnerstagabend
Am vergangenen Donnerstag wurde im Basler Breite-Quartier eine 75-Jährige Frau getötet. Die Polizei fand das leblose Opfer im Treppenhaus einer Liegenschaft am Nasenweg. Beim Grosseinsatz hatte die Polizei das Gebiet grossräumig abgesperrt und die betroffene Strasse abgeriegelt.
Weil der Täter flüchtig war, wurde am Folgetag fieberhaft nach dem 32-jährigen Raphael M. (Name der Redaktion bekannt) gesucht. Er war der Hauptverdächtige im Tötungsdelikt. Die Behörden suchten ihn mittels Öffentlichkeitsfahndung mit Bild und vollem Namen. In der Mitteilung wurde vor dem Mann gewarnt. Er gelte als gefährlich, hiess es. Man solle ihn nicht ansprechen.
Dank eines Hinweises aus der Bevölkerung konnte die Basler Polizei dann am Freitagnachmittag den 32-Jährigen am Unteren Rheinweg festnehmen. (red)
Lesen Sie hier mehr zum Grosseinsatz vom Donnerstag: 75-jährige Frau leblos aufgefunden.
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