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Freispruch für Brasserie Lorraine
Junge SVP spricht von einer «Kapitulation des Rechtsstaates»

Strassenkunst mit Charakteren vor Brasserie Lorraine in Bern, Schweiz. Foto von Beat Mathys.
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In Kürze:
  • Das Regionalgericht Bern-Mittelland spricht die Brasserie Lorraine im Fall um den denkwürdigen Konzertabbruch frei.
  • JSVP-Präsident Nils Fiechter kritisiert das Urteil.
  • Der Konzertabbruch im Sommer 2022 führte zu massiver medialer Aufmerksamkeit.
  • Die Staatsanwaltschaft prüft einen Weiterzug des Urteils ans Obergericht.

Die Miene: finster. Die Stimme: laut. Es ist ein sichtlich verärgerter Nils Fiechter, der sich am Montagmorgen vor dem Gebäude des Regionalgerichts Bern-Mittelland vor die Mikrofone stellt. Ein paar Schritte weiter: über ein Dutzend jubelnde Personen aus dem Umfeld der Brasserie Lorraine.

Soeben hat das Gericht die linksalternative Quartierbeiz vom Vorwurf der Rassendiskriminierung freigesprochen. Es ist eine herbe Niederlage für Nils Fiechter, den Präsidenten der Jungen SVP Schweiz, die mit ihrer Anzeige den Gerichtsprozess überhaupt erst ins Rollen gebracht hatte.

Nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft

Als Schlappe seiner Partei will Fiechter das Urteil allerdings nicht sehen. Vielmehr sei der Freispruch «eine Kapitulation des Rechtsstaates». Das Gericht habe gezielt nach formalen Gründen gesucht, die es ihm verunmöglichten, einen Schuldspruch auszusprechen. Ein solches Vorgehen sei lächerlich und das Urteil «klar politisch», so Fiechter. 

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Doch was meint Fiechter überhaupt mit seiner Kritik am Urteil? Tatsächlich ist die Richterin bei der Verkündung am Montagmorgen nicht inhaltlich auf die Frage eingegangen, ob der Abbruch des Konzerts der Band Lauwarm im Sommer 2022 in der Brasserie rassistisch war oder nicht. 

Weil die Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen keine natürlichen Personen identifizieren und somit für den Vorfall verantwortlich machen konnte, war vor Gericht die Brasserie Lorraine als Unternehmen beschuldigt worden. Als Begründung dafür führte die Staatsanwaltschaft einen Organisationsmangel seitens der Brasserie ins Feld.

Schild der Brasserie Lorraine in Bern, aufgenommen am 30. Dezember 2024. Das Restaurant steht wegen finanzieller Probleme vor der Schliessung.

Die Richterin kam zu einem anderen Schluss. Gemäss ihr wurden bei den Ermittlungen vielmehr «nicht alle nötigen Mittel getätigt», um eine verantwortliche natürliche Person ausfindig zu machen. So hätten noch mehr Versuche unternommen werden können, um an Dokumente zu kommen, welche die Zuständigkeiten des Betriebs aufzeigten. 

Auch die Möglichkeit einer Hausdurchsuchung sprach die Richterin an. Mehr Aufschluss gegeben hätte es ihrer Ansicht nach zudem, wenn man noch weitere Bandmitglieder neben dem Sänger einvernommen und die Musiker allenfalls sogar den Brasserie-Leuten gegenübergestellt hätte.

Die Richterin befand deshalb, dass das Unternehmen unter diesen Gegebenheiten freigesprochen werden muss. 

Provokation vor Gerichtsgebäude

Für Fiechter wiederum ist nach alldem klar: «Für woke Linke gilt die Antirassismusstrafnorm offenbar nicht.» Wenn es diese schon gebe, solle sie auch auf beiden Seiten angewandt werden, so Fiechter, der selber schon wegen Rassismus verurteilt wurde. Er spricht von einer Ungleichbehandlung und fordert die Staatsanwaltschaft dazu auf, das Urteil ans Obergericht weiterzuziehen. Diese wird einen Weiterzug nach eigenen Aussagen prüfen.

Nach dem Urteil kam es vor dem Gerichtsgebäude zu einer kurzen Provokation. Während Nils Fiechter ein TV-Interview gab, begaben sich Personen aus dem Umfeld der Brasserie in den Hintergrund und hielten ein Transparent in die Höhe, auf dem stand: «Rassismus gegen Weisse? Was für eine Scheisse!» Fiechter brach das Interview daraufhin ab.

Ein Protest vor einem Gebäude mit dem Schriftzug ’Amtshaus’ über der Tür. Demonstranten halten ein Banner mit der Aufschrift ’Rassismus gegen Weiss? Was für eine Scheisse!’ Ein Reporter mit einer Kamera filmt die Szene.

Für Rechtsexperten war bereits im Vorfeld des Urteils klar, dass es zu einem Freispruch kommen muss. Der Freiburger Strafrechtsprofessor Marcel Niggli etwa, Autor eines Kommentars zur Antirassismusstrafnorm, sagte im Interview mit dieser Zeitung: Beim Abbruch des Konzerts hätten zwar durchaus rassistische Motive mitgespielt, strafbar sei der Entscheid der Brass aber keineswegs gewesen.

Folgenreicher Konzertabbruch

Auslöser des aktuellen Gerichtsprozesses war ein aufsehenerregender Vorfall im Sommer 2022. Die Berner Reggae-Band Lauwarm spielte an einem Abend ein Konzert in der Quartierbeiz. Nachdem sich Gäste bei den Lokalbetreibern über den Auftritt der Band beschwert hatten, wurde das Konzert nach der Pause abgebrochen. Der Grund: Die afrikanische Kleidung und die Rastalocken zweier weisser Bandmitglieder wurden als «kulturelle Aneignung» empfunden.

Band Lauwarm auf der Bühne im Verein am See in Bern, vier Mitglieder posieren mit Instrumenten unter bunten Lichtern. Foto: Barbara Héritier

Nach dem abgebrochenen Konzert, das über die Landesgrenze hinaus für Schlagzeilen sorgte, zeigten die Junge SVP sowie eine Privatperson die Genossenschaftsbeiz wegen Rassendiskriminierung an. Die Partei witterte Rassismus gegen Weisse. Die Berner Staatsanwaltschaft erliess daraufhin tatsächlich einen Strafbefehl gegen das Lokal, dieses wehrte sich jedoch mit einer Einsprache gegen die Busse. In der Folge kam es zum Gerichtsprozess.

Für Staatsanwalt war Abbruch diskriminierend

Aus der Sicht des Staatsanwalts wurde der Band Lauwarm mit dem Konzertabbruch das Recht auf kulturelle Tätigkeit auf diskriminierende Art abgesprochen, wie er beim Prozessauftakt von vergangener Woche argumentierte.

Es dürfe nicht sein, Menschen vorzuschreiben, welche Frisur und Kleidung diese zu tragen hätten, um eine gewisse Musik zu spielen. Das sei schlichtweg rassistisch. Der Staatsanwalt sah den Straftatbestand der Rassendiskriminierung erfüllt und forderte eine Busse in der Höhe von 3000 Franken.

Brasserie-Vertreter verweigerten Aussage

Der Verteidiger wiederum plädierte auf Freispruch. Es sei nicht die Auffassung des Kollektivs, dass weisse Menschen generell keinen Reggae spielen dürften. Vielmehr sei der Konzertabbruch aufgrund von Reaktionen aus dem Publikum erfolgt. Auf diese habe das Kollektiv bloss Rücksicht genommen. Der Staatsanwaltschaft warf er Empörungsbewirtschaftung vor.

Vor Gericht waren auch mehrere Vertreter der Brasserie Lorraine geladen. Sie verweigerten bei der Einvernahme vor einer Woche allerdings allesamt die Aussage. Erst beim Schlusswort hatte sich ein Mitglied des Kollektivs geäussert und gesagt, dass sich das Lokal eine Aufarbeitung der ganzen Angelegenheit wünsche, dies jedoch nicht vor Gericht.

Das am Montag ausgesprochene Urteil ist noch nicht rechtskräftig.