Boeing schockiert die Fluggesellschaften
Die 737 Max wird noch lange nicht starten dürfen. Boeing sagt, dass das Flugverbot mindestens bis zum Sommer gelten werde.
Als Dennis Muilenburg noch Chef des Luftfahrtkonzerns Boeing war, da war es immer nur eine Sache von wenigen Wochen, bis die Boeing 737 Max wieder fliegen würde. Das Flugverbot war nach zwei Abstürzen im März 2019 in Kraft getreten, Muilenburg verkündete seinen Kunden als Rückkehrdatum den Sommer an, dann den Herbst, dann das Jahresende. Irgendwann war auch der treueste Kunde und Lieferant so vergrault, dass Muilenburg nicht mehr zu halten war.
Nachfolger David Calhoun bevorzugt ganz offensichtlich eine offenere Kommunikation. Gerade erst hat er den Fluggesellschaften eröffnet, dass sie alle Piloten in den Flugsimulator schicken sollen, bevor sie sie wieder ins Cockpit einer echten Max lassen. Das ist sehr teuer und langwierig. Nun machte er auch beim Rückkehrtermin ein für die Airlines schockierendes Eingeständnis: Nicht vor dem Sommer 2020 werde die Max nach Boeings Erfahrung mit den Behörden wieder zugelassen.
Die Einschätzung übertrifft selbst die pessimistischsten Prognosen der Kunden. Die grossen amerikanischen Airlines hatten Flüge mit der Max bis Anfang Juni aus dem Flugplan genommen. Viele in der Branche rechneten damit, dass die amerikanische Luftfahrtbehörde Federal Aviation Administration (FAA) das Flugverbot bereits im März aufheben würde. Weil es Wochen bis Monate dauern wird, bis die Airlines die Maschinen dann tatsächlich wieder einsetzen können, muss die Branche wohl einen zweiten Sommer, die Hauptreisezeit in den meisten Ländern, ohne die Max überbrücken. Das sind mittlerweile rund 1000 Flugzeuge weniger, als sie sonst zur Verfügung gehabt hätten. An der Börse gaben die Boeing-Papiere am Dienstag um mehr als 3 Prozent nach.
Boeing steht vor gewaltigen Entschädigungsforderungen
Behörden weltweit hatten die Max nach Abstürzen der Lion Air (Indonesien) und der Ethiopian Airlines, bei denen insgesamt 346 Menschen ums Leben gekommen waren, aus dem Verkehr gezogen. Eine zentrale Rolle spielte bei den Unfällen das sogenannte Maneuvering Characteristics Augmentation System (MCAS), eine Flugsteuerungssoftware, die aufgrund fehlerhafter Sensoren unerwartet eingriff – die Piloten waren in beiden Fällen nicht in der Lage, ihre Maschinen wieder unter Kontrolle zu bringen. Boeing hat die Software mittlerweile modifiziert, es stehen allerdings noch weitere Tests an, unter anderem Flüge mit Piloten der FAA und der European Aviation Safety Agency (Easa).
Die FAA war wegen der Max-Abstürze ebenfalls schwer in die Kritik geraten, weil sie Boeing weitgehend freie Hand bei der Zulassung gelassen hatte. In einer seiner ersten Amtshandlungen hat Calhoun jetzt den Behörden neue Unterlagen – vor allem interne Kommunikation zwischen Boeing-Mitarbeitern – übergeben, die deutlich machen, dass Boeing unter allen Umständen die Kosten niedrig halten wollte, auch wenn dies Folgen für die Sicherheit hatte.
Der Konzern sieht sich nun alleine Entschädigungsforderungen in Milliardenhöhe ausgesetzt. Viele Flugzeugleasingunternehmen, die sich in dieser Woche in Dublin zu zwei jährlichen Konferenzen versammeln, haben grosse Max-Bestellungen abgegeben. Sie werden nun die Flugzeuge um Jahre verzögert bekommen und müssen zugleich fürchten, dass Fluggesellschaften, welche die Maschinen von ihnen angemietet haben, abspringen. In der Regel bestellen die Leasing-Spezialisten spekulativ, also ohne schon selbst Kunden für die Jets zu haben. Gut möglich, dass einige von ihnen nun ihre Jets zu viel niedrigeren Preisen vermarkten müssen.
Boeing veröffentlicht Ende Januar die Geschäftszahlen für das Jahr 2019 und wird voraussichtlich Sonderbelastungen in Milliardenhöhe melden. Airbus dürfte hingegen seine derzeit unangefochtene Stellung als Marktführer bei den Kurz- und Mittelstreckenflugzeugen weiter ausbauen. Erst am Dienstag beschloss das Unternehmen, in Toulouse eine weitere Endmontagelinie zu bauen, um die grosse Nachfrage zu bewältigen.
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