Ein Club in der KriseDer FCZ muss sich jetzt von Henriksen trennen
Der Umbau im Verein, die Rolle von Sportchef Malenovic und der sportliche Absturz können nur eine Konsequenz haben – die Zeit des emotionalen Dänen ist vorbei.
Der Mann, um den sich so vieles dreht, ist gar nicht da. Er liegt daheim, schwer grippekrank. Am Fernseher bekommt Bo Henriksen mit, wie sein FC Zürich in Yverdon 0:3 verliert, wobei es am Ende mehr ist als nur ein Verlieren: Es ist ein Untergehen.
Sieben Spiele ist der FCZ jetzt ohne Sieg, sieben Spiele, 3:18 Punkte, Absturz vom 1. auf den 5. Platz in rekordverdächtigem Tempo. So sieht Krise aus. Und darum führt alles zu einer Frage: Wie soll das mit Bo Henriksen noch weitergehen?
Die Antwort liegt auf der Hand, und sie wird beim FCZ keinem Freude machen: Die Verantwortlichen um die Canepas und Sportchef Milos Malenovic müssen nun so ehrlich sein, zu sagen, dass es mit Henriksen keine Zukunft mehr gibt. Sie müssen dieses Kaugummi-Ziehen um einen neuen Vertrag beenden und sich offen eingestehen, dass sie und dieser Trainer auf Dauer nicht zusammenpassen – jedenfalls nicht bei den Vorstellungen, die sie von der Entwicklung ihres Clubs haben.
Am Anfang war das Gerücht
Seit Anfang dieser Saison hält sich das von der dänischen Zeitung «B.T.» kolportierte Gerücht, wonach Henriksen bereits klargemacht habe, er werde seinen im Sommer 2024 auslaufenden Vertrag in Zürich nicht verlängern. Damals ist es für Ancillo Canepa «gerade grotesk», zu einem solchen Zeitpunkt über die Zukunft eines Trainers zu reden. Das muss als Antwort genügen.
Aus der Welt ist das Gerücht bis heute nicht, weil es niemand wirklich dementiert hat. Das mag nach allen Entwicklungen in den vergangenen Wochen aber auch egal sein.
Von Canepa gibt es nach Abschluss des ersten Saisonabschnitts im Dezember diese Aussage: «Ja, wir wollen die Zusammenarbeit mit Henriksen fortführen.» Vor sechs Tagen hat er das auf ähnliche Art wiederholt: «Wir gehen davon aus, dass er bleibt.» Mit «wir» hat er auch seinen Sportchef Milos Malenovic gemeint.
Der «schockverliebte» Canepa
Aber genau dieser Milos Malenovic steht im Zentrum der Veränderungen, die den FCZ spürbar seit Oktober erfasst haben. Mit dem Segen der Canepas ist er dabei, den Club umzugestalten: neue Trainer auf allen Ebenen, neue Strukturen in der Ausbildungsarbeit, neue Gedanken, vor allem eingebracht von Ricardo Moniz, dem Coach der Coachs und U-21-Trainer.
Canepa gefällt das, er ist beseelt von dem, was er gerade im Nachwuchsbereich sieht. Als würde sich eine neue Welt für ihn auftun. Ohne Malenovic hätten sie nie einen Moniz erhalten, sagt er. So wie einst Thomas Tuchel «schockverliebt» in seine neue Mannschaft bei Bayern München war, so schockverliebt ist Canepa im Fall von Malenovic.
Das Umbauprojekt, das der Sportchef auf Geheiss der Canepas durchzieht, verfolgt zwei Ziele. Zum einen sollen Junge in die 1. Mannschaft nachgezogen werden. Zum anderen sollen von den Pampers bis den Profis alle den gleichen Fussball spielen: schnell nach vorne, mit Pressing, «bumm, bumm», wie Canepa sagt.
Da passt nur einer nicht dazu: Das ist Bo Henriksen, am Mittwoch 49 Jahre alt, aber mit wilder Mähne, als wäre er noch zwanzig Jahre jünger. Er verfolgt andere Vorstellungen als den unbedingten Einbau der Jugend. Dass er in letzter Zeit ein paarmal einen Nils Reichmuth oder Junior Ligue gebracht hat, dürfte eher auf die Wünsche seiner Chefs als auf seine eigene Überzeugung zurückzuführen sein. Die Leistungen der Mannschaft haben sich dennoch nicht zum Guten gedreht. Die Nachwuchsarbeit beim FCZ ist nicht auf einen Schlag ein Wunderwerk.
In erster Linie will Henriksen Erfolg, nicht zuletzt für sich, weil er nur so den nächsten Schritt machen kann. Bundesliga, England, Nationaltrainer in seiner dänischen Heimat – das hat er im Hinterkopf. Und dafür braucht er Titel. Für Titel aber fehlt diesem FCZ die Substanz, wie gut Canepa und Malenovic ihr Kader auch ansehen und wie viele «Triple-A-Talente» (Canepa) auch immer auf dem Heerenschürli herumschwirren mögen.
300 Tage hat Henriksen gebraucht, um nach seinen Anfängen im Oktober 2022 aus einem Tabellenletzten eine Mannschaft zu formen, die am 5. August 2023 den ersten Platz übernimmt. Der Steigerungslauf ist sein Werk – das Werk eines Trainers, der konsequent auf Stabilität setzt, gern die gleichen elf Spieler auswählt und für den das Spektakel zweitrangig bleibt. Abgesehen von wenigen Ausnahmen ist es denn auch nicht aufregend, ein Spiel einer Happy-Bo-Mannschaft zu sehen.
Als sich die Risse auftun
Aber der Erfolg gibt ihm recht – zumindest bis tief in den November hinein. Viele Wochen als Leader liegen hinter den Zürchern und als jüngstes Erlebnis ein 3:1 gegen YB, als Unglück über sie hereinbricht und sich Risse auftun.
Nur 1:1 gegen Luzern, weil der VAR eine 2-Zentimeter-Offsidestellung von Santini erkennt und darum das Tor von Mathew in letzter Minute annulliert. Nur 1:2 in Winterthur, weil der VAR ein Tor für den FCW in der 93. Minute gibt, nachdem Torschütze Burkart um zwei Zentimeter nicht im Abseits gestanden hat. Zwei Zentimeter dort, zwei Zentimeter da – macht einen Unterschied von drei Punkten und den Verlust von Selbstvertrauen. Zum Jahresende folgt als drittes Spiel innert sechs Tagen das 0:1 in St. Gallen. Der FCZ ist platt.
Und dann eben werden die Differenzen deutlich. Malenovic ist mit der Ausbeute nicht zufrieden, «definitiv nicht». Canepa spürt einen «faden Beigeschmack». So kann man das werten, wenn man Chef ist. Man kann es allerdings auch so sehen wie Henriksen, für den sind die ersten Monate «fantastisch» gewesen.
Im Januar beginnen die Gespräche zwischen der Führung und Henriksen über einen neuen Vertrag. Es geht um die grundsätzliche Ausrichtung und um Geld. Eine Einigung gibt es nicht. Dafür weiter schlechte Resultate, ein mühsames 0:0 gegen Basel, ein 1:2 gegen GC in der 95. Minute, ein mühsames 2:2 gegen Lausanne und schliesslich dieses erbärmliche 0:3 in Yverdon.
Ein Eindruck verstärkt sich: Der FCZ hat im Herbst über seinen Verhältnissen gelebt, deutlich sogar, weil er nicht so gut ist, wie die Chefs ihn sehen. Er hat dann kurz Pech gehabt. Und jetzt spielt er unter seinen Verhältnissen, weil das ganz viele Spieler tun. Im Schnitt ergibt das: Mittelmass, Rang 5. Der FCZ ist einfach da, wo er mit seinem Potenzial hingehört.
Der Absturz hat indirekt vielleicht etwas mit der ungesicherten Zukunft von Henriksen zu tun. Dass es auch anders geht, zeigen die Young Boys. Da sind sie in der Frage, ob Raphael Wicky Trainer bleiben soll, keinen Deut weiter. Aber der Verein ist nicht im Umbruch, und die Mannschaft gewinnt, weil sie unbestritten in jeder Beziehung mehr Substanz besitzt.
Nicht mehr wirklich gewollt
Canepa würde das dementieren, und darum hat er auch schon einmal flapsig gesagt, er und Henriksen seien «immer am Schmusen». Im Endeffekt aber zählen die Ergebnisse, zählen die Beobachtungen, zählen die Zwischentöne. Und all das hinterlässt den Eindruck, als bekomme Henriksen nicht das, was ein Trainer braucht, um erfolgreich arbeiten zu können: das Gefühl, wirklich gewollt zu sein.
In den acht Spielen vor Malenovics Machtübernahme kam Henriksen auf einen Schnitt von 2,0 Punkten. Der Schnitt in den 14 Spielen seit Malenovics Amtsantritt im Heerenschürli: 1,21. Wie schnell wegen einer solchen Entwicklung die Nerven blank liegen können, zeigt der Ausflug am Sonntag nach Yverdon, angefangen beim Gockelgehabe von Lindrit Kamberi, das eine Rudelbildung auslöst und mit dem Platzverweis von Cheick Condé endet.
Die Chefs müssen sich den Vorwurf machen, ihren leitenden Angestellten sehenden Auges destabilisiert zu haben. Und an Malenovic bleibt der Verdacht haften, dass er auch bei den Profis den Trainer seiner Wahl installieren will.
Aus all diesen Gründen kommt der FCZ nicht darum herum, sofort die Trainerfrage zu klären. Und weil es offensichtlich mit Bo Henriksen nicht über den Sommer hinaus weitergehen kann, muss er sich umgehend von ihm trennen. Mit Moniz ist ein temporärer Nachfolger und Malenovic-Favorit bereits im Haus.
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