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Meinung

Analyse zum Billionen-Dollar-Plan
Biden will klotzen

US-Präsident Joe Biden kündigt «die grösste Investition in amerikanische Arbeitsplätze seit dem Zweiten Weltkrieg» an.
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Wer erleben will, wie heruntergekommen die Infrastruktur der USA ist, der muss nur einmal mit dem Taxi vom John-F.-Kennedy-Airport über die Atlantic Avenue durch Brooklyn nach Manhattan fahren. Es holpert und hüpft, dass Kleinkinder ihre Freude im Autositz haben. Manche Schlaglöcher sind knöcheltiefe Krater, die das Radfahren zu einem der letzten grossen Abenteuer in New York machen. Dazu kommt das Gewirr von überirdischen Strom- und Telekommunikationsleitungen. Sie lassen erahnen, dass ein mittelschwerer Sturm reicht, um ganze Landstriche von der Aussenwelt abzukoppeln.

Die Megametropole New York City ist natürlich besonders belastet. Aber das Bild ändern sich auch im Landesinneren kaum, Autobahnen wie Buckelpisten, Brücken die kaum noch ein Dreirad zu tragen scheinen. Und ein Schienennetz, auf dem der Fahrgast mit Tempo Schrittgeschwindigkeit oft schon gut bedient ist.

Seit Jahrzehnten schon streiten die politischen Kräfte in den USA darum, wie Strassen, Brücken und Schienen wieder auf den Stand einer Industrienation im 21. Jahrhundert versetzt werden können. Mehr als notdürftige Reparaturprogramme sind dabei selten herausgekommen. Donald Trump hat in seiner Amtszeit nicht mal mehr versucht, ein Infrastrukturprogramm auf den Weg zu bringen.

Der neue US-Präsident Joe Biden will das jetzt ändern. Am Donnerstag kündigte er in der alten Stahl- und Kohlestadt Pittsburgh in Pennsylvania ein massives Investitionsprogramm an. Er will über die kommenden acht Jahre zwei Billionen Dollar investieren, um damit die «widerstandsfähigste und innovativste Wirtschaft der Welt» zu schaffen. Auch mit dem Ziel, China wieder die Stirn bieten zu können.

Auf seinem Schreibtisch wartet noch ein etwa zwei Billionen Dollar schweres Sozial-Programm.

620 Milliarden Dollar sollen in Verkehrs-Infrastruktur gehen. Davon etwa 174 Milliarden Dollar in die Förderung der Elektromobilität und 115 Milliarden Dollar in die Erneuerung von Strassen und Brücken. 213 Milliarden Dollar sind für den Erhalt und Bau von bezahlbarem Wohnraum vorgesehen, 100 Milliarden Dollar für den Ausbau des High-Speed-Internets in ländlichen Regionen. Und überall eingestreut Billionen von Dollar für den Klimaschutz.

Das sei kein Plan, mit dem nur der Lack erneuert werde, sagte Biden. Dies sei «die grösste Investition in amerikanische Arbeitsplätze seit dem Zweiten Weltkrieg». Und das ist nur der erste Teil seiner Innovationsoffensive. Auf seinem Schreibtisch wartet noch ein etwa zwei Billionen Dollar schweres Sozial-Programm. Damit will Biden etwa die unterentwickelte Armenfürsorge stärken, kostenlose Kindergartenplätze finanzieren, eine verpflichtende Lohnfortzahlung im Krankheitsfall einführen und weitere Steuererleichterungen für Familien.

Die USA sind die grösste Wirtschaftsmacht der Erde. Aber solche Summen zahlen auch sie nicht aus der Portokasse. Zumal Biden gerade erst ein 1,9 Billionen Dollar umfassendes Corona-Hilfspaket in Kraft gesetzt hat, dass allein über Kredite finanziert wird. Biden hat versprochen, diesmal die enorme Staatsverschuldung von bald 30 Billionen Dollar nicht weiter aufzupusten.

Bidens Plan ist erstmal nur das: ein Plan

Deshalb will er für 15 Jahre die Steuern erhöhen. Die Unternehmensteuer soll in der Zeit von 21 auf 28 Prozent steigen. Multinationale Konzerne müssen sich zu dem darauf einstellen, dass ihre Gewinne im Ausland deutlich höher besteuert werden, als bisher. Allein die Besteuerung von Auslandgewinnen soll eine Billion Dollar bringen.

Biden könnte die Unternehmenssteuer auch noch weiter anheben. Der Sprung erscheint mit plus sieben Prozentpunkten zwar enorm. Erst vor zwei Jahren aber hatte die Trump-Regierung diese Steuer von 35 auf 21 Prozent gesenkt. An den einstigen Wert reichen Bidens Vorstellungen also längst nicht heran.

Bidens Hoffnung mag sein, dass die Republikaner mit Wohlwollen goutieren, das der Präsident die Steuersenkungen seines Vorgängers nicht komplett zurücknehmen will. Erste Reaktionen lassen allerdings darauf schliessen, dass er wenig Entgegenkommen erwarten kann. Mitch McConnell, der Minderheitsführer der Republikaner im Senat, hat schon abgewinkt. Mit ihm werde es weder Steuererhöhungen noch mehr Staatsverschuldung geben.

Es wird sich jetzt zeigen müssen, ob die Republikaner kompromissbereit sind.

Infrastrukturprogramme galten in den USA bis in die späten 80er Jahre hinein als überparteiliche Projekte schlechthin. Je mehr sich aber spätestens seit der Ära Clinton die politischen Lager voneinander entfernt haben, desto heftiger wird auch um Strassen- und Brückenbau gestritten. Grösste Nutzniesser sind nämlich vor allem Menschen in den Ballungsräumen. In Wahlen aber liegen dort meist Demokraten vorn. Die Republikaner verspüren immer weniger Lust, den Demokraten mit Unsummen an Geld die nächsten Wahlerfolge zu finanzieren.

Dazu kommen in diesem Fall die geplanten höheren Unternehmenssteuern. Und die massiven Investitionen in den Klimaschutz, die die nicht wenigen Republikaner vergällen dürften, die nicht an einen von Menschen gemachten Klimawandel glauben.

Im Repräsentantenhaus haben die Demokraten die Mehrheit, dort wird Bidens Vorschlag ohne grosse Änderungen verabschiedet werden. Im Senat aber braucht das Gesetz nach der derzeitigen Geschäftsordnung 60 Ja-Stimmen. Die Demokraten haben aber nur 50. Biden ist auf die Unterstützung von mindestens zehn Republikanern angewiesen. Er erklärte, er sei durchaus gesprächsbereit, solange die andere Seite keine Steuerhöhung auf Jahreseinkommen unter 400'000 Dollar vorschlage.

Bidens Plan ist also erstmal nur das: ein Plan. Das Corona-Hilfspaket konnten die Demokraten noch mit einem gesetzgeberischen Trick an den Republikanern vorbei durch den Senat bringen. Das wird diesmal nicht ohne Weiteres möglich sein. Es wird sich jetzt zeigen müssen, ob Biden alle Seiten an einen Tisch bekommt. Und vor allem, ob die Republikaner kompromissbereit sind.