USA, Indien und die GeopolitikBiden umwirbt den indischen Giganten
Von Donald Trump war der indische Premierminister Narendra Modi sehr angetan. Nun besucht er Joe Biden, mit dem die Beziehung komplizierter ist. Ausgerechnet China aber half.
So innig umarmte Narendra Modi auf dem Flughafen von Agra den amerikanischen Präsidenten, dass dessen Hand unter Modis Nehru-Jacket rutschte. Es war der Höhepunkt einer Bromance, einer engen Freundschaft zwischen zwei Männern, die viele Gemeinsamkeiten aufweisen.
Der indische Premierminister dürfte sich diese sonnigen Momente zurückwünschen, jetzt, da er zum Gegenbesuch in den Vereinigten Staaten weilt. Die besondere Beziehung pflegte er nicht etwa zum jetzigen US-Präsidenten Joe Biden – sondern zu dessen Rivale Donald Trump, der 2020 mit seiner Frau den Taj Mahal in Agra besuchte.
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Mit Trump verband den Hindu-Nationalisten Modi vieles: der populistische Politikstil, das Schlechtreden von Minderheiten, besonders Einwanderern, Übertreibungen und Lügengebilde, das Aushöhlen demokratischer Standards, ein Twitter-Publikum von über 80 Millionen Nutzern.
Indien shoppt in Russland – zum Ärger der USA
Das alles dürfte eher hinderlich gewesen sein, als Modi seine Wunschliste vortrug bei seinem aktuellen Gastgeber Joe Biden, der das Gefecht der Demokratie gegen den Autoritarismus zum entscheidenden Konflikt seiner Regierungszeit erklärt hat. Sollte man meinen. Zumal Bidens Aussenministerium schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen in Indien kritisiert. Und sich Delhi geweigert hat, die Sanktionen gegen Moskau mitzutragen nach dem Angriff auf die Ukraine. Im Gegenteil: Indien hat die Ölimporte aus Russland um das Zehnfache gesteigert und bezieht nun ein Fünftel seines Öls von dort.
Der US-Präsident zeigt indes seit Amtsantritt bemerkenswerte Flexibilität, wenn es den aussenpolitischen Interessen seiner Regierung dient. Mohammed bin Salman etwa erklärte er nicht wie versprochen zum Paria, sondern besuchte ihn in Saudiarabien und entbot ihm einen kumpelhaften Faustgruss – worauf bin Salman trotzdem den Ölpreis erhöhte, was Biden erzürnte und Wladimir Putin erfreute.
Biden entbietet höchste Ehren
Nun empfing Biden Narendra Modi zum ersten Staatsbesuch eines indischen Premierministers seit 14 Jahren und richtete für ihn am Donnerstag das erst dritte Ehrenbankett seiner Zeit im Weissen Haus aus. Der viel kritisierte Anführer der grössten Demokratie der Welt erhielt auch weitere Zugeständnisse, etwa den Export wichtiger Militärtechnologie aus den USA: Indien wird Kampfjet-Turbinen von General Electric im eigenen Land bauen, die neben der amerikanischen F/A-18 in Zukunft auch die indische Eigenentwicklung HAL Tejas Mk2 antreiben sollen.
Der Schlüssel zum Verständnis von Bidens und Modis Verhalten ist in Indiens Nachbarschaft zu suchen, wo Biden die «grösste geopolitische Herausforderung für die USA» ortet: China. Eben erst hat Indien China als bevölkerungsreichstes Land der Welt abgelöst, doch ist es dem Nachbarn an wirtschaftlicher und militärischer Stärke bei weitem unterlegen. Jahrelang hat Modi versucht, mit Machthaber Xi Jinping eine Verständigung zu finden, um die Grenzstreitigkeiten im Himalaja-Gebirge beizulegen, jedes Mal liess Xi gleichzeitig chinesische Truppen indische Positionen angreifen.
Indien sucht Schutz der USA
Zunehmend sucht Indien deswegen den Schutz der USA, keine Selbstverständlichkeit angesichts der bewegten Beziehung der beiden Demokratie-Giganten. Die USA hatten nach dem Zweiten Weltkrieg jahrzehntelang Pakistan militärisch unterstützt, den brüderlichen Erzfeind Indiens, mit dem heute noch ein offener Konflikt herrscht in der Kashmir-Region.
Indien wiederum begründete im Kalten Krieg die blockfreien Staaten mit, die sich weder mit den Vereinigten Staaten noch der Sowjetunion verbünden wollten. Später wurden die Sowjetunion und in der Folge Russland die wichtigsten Waffenlieferanten Indiens, was ein wichtiger Grund dafür ist, dass Delhi die Sanktionen wegen des Kriegs in der Ukraine nicht mittragen will.
«Das wird eine der entscheidenden Partnerschaften unserer Zeit.»
Da sich Putin nun zunehmend mit Chinas Xi Jinping verbrüdert, versucht sich Indien jedoch auch aus dieser Abhängigkeit zu lösen und aufzurüsten – mit der naheliegenden Hilfe der USA. Indien trat etwa der Quad bei, einer Verteidigungsallianz mit Japan, Australien und den Vereinigten Staaten. Biden sieht in Modis Indien einen «Swing-State», eine der unentschiedenen Mächte, die sich möglicherweise in den eigenen Einflussbereich ziehen lassen, nützlich vor allem als regionaler Widersacher Chinas, der die geopolitischen Ambitionen Pekings bremsen kann. Nicht zuletzt präsidiert Indien derzeit die G-20.
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Auch für die US-Wirtschaft bietet Indien willkommene Gelegenheiten: Unternehmer Elon Musk nutzte Modis Anwesenheit für ein Treffen. Eben erst haben die USA China als wichtigsten Handelspartner abgelöst, und das Wachstumspotenzial der fünftgrössten Volkswirtschaft der Welt ist enorm. Nun sollen die Inder den Amerikanern helfen, die Abhängigkeit von industriellen Produkten aus China und vor allem von Halbleitern aus Taiwan zu verringern. Indien dient den USA darüber hinaus als Pool für Hunderttausende Fachkräfte, vor allem im naturwissenschaftlichen Bereich. In all diesen Bereichen haben Biden und Modi eine engere Zusammenarbeit vereinbart.
Wer ist Narendra Modi?
Nach dem Treffen mit Modi sprach Biden bei einer gemeinsamen Medienkonferenz von einer «der wichtigsten Partnerschaften der Welt, die stärker, enger und dynamischer ist als je zuvor». Nur zwischen den Zeilen liess Biden durchblicken, dass er Modi auch auf Menschenrechts- und Demokratiefragen angesprochen hatte, wie es eine Reihe von Abgeordneten aus seiner Partei in einem Brief verlangt hatte. Modi wies jegliche Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen pauschal zurück, als er von einer Journalistin danach gefragt wurde. Indien sei eine Demokratie, Menschenrechte seien eine Voraussetzung dafür, Diskriminierung habe in seinem Land keinen Platz, sagte Modi.
Die Nachsicht gegenüber Modi kann sich Biden trotz aller Kritik innenpolitisch leisten. Nach Donald Trump hat auch er sein Land auf ein konfliktreiches Verhältnis mit China eingeschworen, eben erst hat er dessen Präsidenten Xi Jinping als «Diktator» bezeichnet. Biden ist beileibe nicht der erste US-Präsident, der viel über Werte in der Aussenpolitik redet, diese aber bereitwillig der Realpolitik unterordnet. Laut Umfragen wissen 40 Prozent der Amerikaner ohnehin nicht, wer Narendra Modi ist – trotz inniger Umarmung seines Freunds Donald Trump.
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