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EU und Nato zu US-Wahlen
Biden erlöst Europäer vom Albtraum

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gratuliert Joe Biden zum Wahlsieg.
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Wohl noch nie wurde in Brüssel, Sitz von EU und Nato, einer Wahl so entgegengefiebert. Umso grösser war die Erleichterung, als dann Joe Biden als Wahlsieger und nächster US-Präsident feststand. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bot begeistert an, die Zusammenarbeit mit Washington zu «intensivieren». Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg pries in einer ersten Reaktion Joe Biden als starken Unterstützer der Allianz.

Der Wahlsieg Joe Bidens lässt die Europäer aufatmen, zumindest die grosse Mehrheit. Bei EU und Nato hatte man sich mit den Hauptstädten abgesprochen und die Reaktionen koordiniert losgeschickt, als der Wahlausgang feststand. «Die EU und die USA sind Freunde und Verbündete, unsere Bürgerinnen und Bürger haben tiefste Verbindungen», schrieb von der Leyen. Zusammen habe man in der Vergangenheit eine «beispiellose Partnerschaft» aufgebaut. Diese erneuerte Partnerschaft werde angesichts neuer Möglichkeiten und Herausforderungen von besonderer Bedeutung sein.

«Ein grosser Tag»

So viele lobende Worte zum transatlantischen Verhältnis hat man schon lange nicht mehr gehört. Der Demokrat Biden erlöst die Europäer von einem Albtraum. Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell sprach auf Twitter von einem «grossen Tag für die USA und Europa». Die Vorstellung von vier weiteren Jahren mit Donald Trump bereitete vielen Akteuren grosse Sorgen, wenn auch wenige das öffentlich formuliert hätten. Bei den letzten Gipfeltreffen der Militärallianz hatte der amtierende US-Präsident den Verbündeten mit dem Austritt gedroht. Hohe Militärs in Brüssel wollten nicht ausschliessen, dass Trump bei einer zweiten Amtszeit die Drohung wahr gemacht und die USA aus dem Bündnis geführt hätte.

Ähnlich feindselig war das Verhältnis zur EU, der der amerikanische Präsident unverhohlen den Zusammenbruch wünschte. Auf die Frage nach dem grössten Feind der USA erwähnte Trump einst kurz vor einem Besuch bei Russlands Präsident Wladimir Putin die EU, und zwar mit Blick auf den Exportüberschuss einzelner Mitgliedsstaaten. Den besten Zugang zum US-Präsidenten hatten unter den Europäern nicht etwa die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel oder Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, sondern Leute wie der Brexiteer Nigel Farage, der Vorkämpfer des britischen Austritts und Befürworter einer Auflösung der EU.

Von der Leyen und Co. sind froh, wieder einen verlässlichen Partner mit anständigen Umgangsformen im Weissen Haus zu wissen. Wobei sich kaum jemand in Brüssel Illusionen macht, dass nun alle Konfliktpunkte im transatlantischen Verhältnis vom Tisch sind. Zwar sind die Hoffnungen berechtigt, dass Joe Biden als US-Präsident den Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen rasch rückgängig machen wird. Auch in die Weltgesundheitsorganisation WHO dürften die USA zurückkehren. Die neue US-Administration dürfte ebenfalls Hand bieten, das Iran-Atomabkommen wieder zu beleben und zu reformieren.

Der Trumpismus bleibt

Der Trumpismus werde aber nicht verschwinden, warnen die USA- und Handelsexperten im EU-Parlament. Die Vereinigten Staaten seien ein gespaltenes Land, Joe Biden werde sich vor allem der Innenpolitik widmen müssen und möglicherweise über wenig Spielraum verfügen. Insbesondere in den Handelsbeziehungen wird die neue US-Regierung keine einfache Partnerin werden. Auch Biden sei für «Buy American», die Demokraten sind traditionell protektionistischer als die Republikaner.

Wie Trump wird Joe Biden einen Stopp der umstrittenen Pipeline Nord Stream 2 fordern, die Europas Abhängigkeit von Russlands Gas zementieren würde. Der Ton wird sicher höflicher und diplomatischer sein. Das gilt auch für die Frage der Lastenteilung in der Nato. Biden hat den Verbündeten zwar in Aussicht gestellt, das lädierte Verhältnis rasch zu reparieren. Doch der Druck auf Länder wie Deutschland, ihre Verteidigungsausgaben zu erhöhen, wird nicht nachlassen.

Immerhin, anders als Donald Trump wird Joe Biden nicht gegen Europa arbeiten, sondern sich als Freund präsentieren. Ob das transatlantische Verhältnis neu belebt werden kann, hängt also auch von den Europäern ab. Die müssten jetzt ihre eigenen Interessen besser definieren, geschlossener auftreten und den Amerikanern Angebote machen, wo man Lasten fairer teilen oder zusammenarbeiten könnte. Etwa im Handelsstreit mit China oder wenn es um die Sicherheit in Europas Nachbarschaft auf dem Balkan und in Nordafrika geht. Joe Biden wird für die EU und die Verbündeten in der Nato nur Zeit haben, wenn sie sich als Partner auch aktiv einbringen. Sonst dürfte es beim Austausch von höflichen Worten bleiben.

US-Präsident Donald Trump am letzten Nato-Gipfel in London, wo er den Verbündeten mit dem Austritt aus der Allianz drohte.