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Meinung

Kommentar zur Impfstoff-Affäre
Bersets Lonza-Debakel: Jetzt braucht es volle Aufklärung

Bundesrat Alain Berset (links) und Moderna-Chef Dan Staner: Am 11. Januar besuchte der Gesundheitsminister das Lonza-Werk in Visp, in dem der Covid-Impfstoff von Moderna hergestellt wird.

Albert Baehny, Präsident des Pharmazulieferers Lonza, hat in der «NZZ am Sonntag» eine Bombe platzen lassen. Erstmals sagt er öffentlich, dass er dem Bund «als Option unter anderen denkbaren Möglichkeiten» den Vorschlag unterbreitete, sich für 60 Millionen Franken im Lonza-Werk in Visp eine Produktionslinie für Moderna-Impfstoffe zu sichern.

Damit bestätigt Baehny die Recherche dieser Zeitung vom 11. März, wonach er dem Bund vorgeschlagen hat, im Wallis eine eigene Produktionsstrasse für die Schweiz aufzubauen. Im April 2020 führte er ein kurzes Telefonat mit Gesundheitsminister Alain Berset, am 1. Mai fand ein Treffen mit Bersets Generalsekretariat und dem Bundesamt für Gesundheit statt.

Doch zu Baehnys Verwunderung ging der Bund nicht auf den Vorschlag ein. Nach dem Treffen vom 1. Mai habe er nichts mehr gehört, sagt er im Interview.

Das ist an Brisanz nicht zu überbieten. Baehny widerspricht damit Berset, der am 12. März dementierte, dass Lonza den Aufbau einer eigenen, staatlichen Impfstoffproduktion vorgeschlagen habe. Weil der Impfstoff Moderna und nicht Lonza gehöre, habe er den Gesamtbundesrat über Baehnys Vorschlag gar nicht erst informiert.

Albert Baehny, Verwaltungsratspräsident von Lonza.

Damit steht nun Aussage gegen Aussage. Und damit stellt sich die Frage: Wer sagt die Wahrheit? Wieso sollte Albert Baehny seinen guten Ruf riskieren mit einer unwahren Behauptung?

Immerhin geht es um die Frage: Hat der Bund die Chance versäumt, mit Staatsgeldern eine für die Schweiz reservierte Produktionslinie aufzubauen und so die Impfstoffknappheit zu verringern?

Jedenfalls braucht es nun eine lückenlose Aufklärung. Und für die kann nur das Parlament sorgen.

Es muss untersuchen: Was genau haben Berset und Baehny im April 2020 besprochen? Wie lautete Baehnys Vorschlag vom 1. Mai 2020 konkret? Wurde der Gesundheitsminister darüber vollumfänglich informiert? Warum versandete das Ganze? Wieso verschwieg Berset dem Gesamtbundesrat den Vorgang? Stimmt es, dass Baehny vom Bund nach dem 1. Mai nie mehr etwas hörte? Wenn ja, warum?

Das alles ist wichtig herauszufinden. Denn immerhin geht es um die Frage: Hat der Bund die Chance versäumt, mit Staatsgeldern eine eigene Produktionslinie aufzubauen und so die Impfstoffknappheit zu verringern?

Es geht aber um mehr als die Schweiz: Gemäss Baehny hätte die zusätzliche Produktionsstrasse 100 Millionen Dosen pro Jahr produziert – viel mehr, als die Schweiz braucht. Unser Land hätte also armen Ländern mit dem Impfstoff helfen können. Die Frage wiegt schwer: Wurde da eine einmalige Chance verpasst? Und wenn ja, wer trägt die Schuld?

Alain Berset (links) traf sich am 11. Januar auf dem Lonza-Gelände in Visp mit den Walliser Staatsräten Esther Waeber (rechts) und Christophe Darbellay (Zweiter von rechts). Dabei war auch Lonza-Präsident Albert Baehny (Fünfter von rechts).