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Angst vor der Grippesaison
Berset will doppelt so viele Corona-Tests – eine umstrittene Forderung

Die Anzahl Corona-Tests in der Schweiz soll weiter aufgestockt werden: Eine Krankenschwester untersucht ein Kind in Neuenburg auf Covid-19.
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«Wir wollen die Kapazitäten erhöhen und das Doppelte an Tests erreichen. Wir warten nicht, bis die Grippe da ist», sagte Gesundheitsminister Alain Berset vor einer Woche an der Corona-PK des Bundesrats. Die saisonale Grippe beginnt in der Regel spätestens im Dezember. Bis dahin soll die Vorgabe von Berset umgesetzt werden.

Derzeit liegen die maximalen Kapazitäten in der Schweiz bei 25'000 Tests pro Tag – so viele wurden bisher aber noch nie durchgeführt. Am meisten waren es am 8. September, als sich 17'565 Personen untersuchen liessen. Der Durchschnitt lag in den vergangenen zwei Wochen bei knapp 13’000, über den gesamten Zeitraum seit Mitte Februar bei gut 5600 Tests pro Tag.

Die Kantone seien punkto Testen also nicht am Anschlag, sagte Berset. Das Problem der Testkapazitäten hänge eher von den Labors ab. Und just diese kritisieren nun die Vorgabe des Bundesrats von 50’000 Tests. «Das ist ein sportliches Ziel, das wir nicht in jedem Fall erreichen werden», sagte Wolfgang Korte gegenüber dem SRF. Der Präsident des Dachverbands der Schweizerischen Labormedizin befürchtet personelle Engpässe.

Zudem ist ein halbes Jahr nach dem Ausbruch der ersten Welle immer noch das Material knapp. Abstrichtupfer und sogenannte Reagenzien, die Stoffe zum Nachweis des Coronavirus, werden laut Korte nur von wenigen Firmen produziert. Und die weltweite Nachfrage ist gross.

«Wenn das sehr rasch geschehen soll, wird es schwierig.»

Michael Jordi, Generalsekretär Gesundheitsdirektorenkonferenz

Vorsichtig äusserte sich auch Michael Jordi von der kantonalen Gesundheitsdirektorenkonferenz. Ein Ausbau sei möglich, aber es gebe natürlich schon Restriktionen, etwa das Tempo. «Wenn das sehr rasch geschehen soll, wird es schwierig», sagte Jordi. «Ein kontinuierlicher Anstieg ist aber sicherlich machbar und auch nötig.»

Aus seiner Sicht sollte die Testkapazität wenn möglich weiter hochgefahren werden. So werden mehr Fälle erkannt und können Übertragungsketten effizienter unterbrochen werden. Wie gut man das Geschehen mit der aktuellen Strategie abbildet, zeigt unter anderem die Positivitätsrate, also der Anteil positiver Befunde bezogen auf die Gesamtzahl aller durchgeführten Tests. Liegt die Rate unter 5 Prozent, hat man gemäss der WHO ein verlässliches Bild der Ausbreitung.

In der Schweiz sind momentan 3,8 Prozent der Tests positiv. Seit Anfang Juli hat sich die Rate fast vervierfacht – und damit deutlich stärker zugenommen als die Zahl der durchgeführten Tests. Die Zahl der Ansteckungen mit dem Virus ist im Sommer also tatsächlich gestiegen.

Die Positivitätsrate ist auch ein Hinweis darauf, dass die Zunahme von bestätigten Ansteckungen nicht einfach mit einer intensivierten Testaktivität erklärt werden kann. Mitte August, als vergleichsweise wenig getestet wurde (durchschnittlich etwa 7000 Tests pro Tag), stieg die Zahl der Fälle dennoch kontinuierlich an. Die Positivitätsrate lag zeitweise bei über 4 Prozent.

«Wenn wir so weiterfahren, werden die täglichen Ansteckungen bald im vierstelligen Bereich sein.»

Tanja Stadler, ETH-Professorin

Die Eindämmungsstrategie des Bundes durch intensives Testen und Contact-Tracing ist unter Fachleuten aber umstritten. Christoph Berger, der Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen, fordert wie Berset eine deutlich höhere Kapazität an Covid-19-Tests: «Bei einer starken Grippewelle mit gleichzeitiger Covid-19-Aktivität kommt das Gesundheitssystem rasch an seine Grenzen.» Dann drohe eine neuerlicher Lockdown.

Tanja Stadler, Professorin am ETH-Departement für Biosysteme, hingegen glaubt nicht, dass die bisherige Vorgehensweise langfristig funktioniert: «Wir müssen dringend diskutieren, ob wir die Eindämmungsstrategie verlassen wollen. Wenn wir so weiterfahren, wird bis Weihnachten die Zahl der täglichen Ansteckungen im vierstelligen Bereich sein.» (Lesen Sie dazu: Braucht die Schweiz bald einen Strategiewechsel?)