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Windräder im Kanton Zürich
«Beinahe totalitär»: SVP beschimpft Baudirektor und lanciert Initiative

Der Widerstand gegen Windkraftanlagen nimmt zu: Baudirektor Martin Neukom (Grüne) vor dem provisorischen Parlamentsgebäude im Zürcher Kreis 4.
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«Massive Arroganz», ja «beinahe totalitäre Ignoranz»: Es sind deftige Attribute, welche die SVP dem grünen Baudirektor Martin Neukom in einer Fraktionserklärung zuschreibt, die am Montag von Kantonsrat Paul von Euw im Parlament verlesen wurde. Neukoms «Vergehen»: Er hat im Gespräch mit dieser Redaktion gesagt, dass er all die Vorstösse in den Gemeinden über Mindestabstände von Windkraftanlagen zu Wohnsiedlungen für rechtswidrig halte. Das kantonale Planungs- und Baugesetz (PBG) regle abschliessend, was die Kommunen selber bestimmen dürften. Abstandsregeln zu Bauten ausserhalb der Bauzone gehörten nicht dazu.

Zur Vorgeschichte: In Hagenbuch bei Winterthur haben die Stimmberechtigten kürzlich einen 1000-Meter-Mindestabstand beschlossen. In zahlreichen anderen Gemeinden sind ähnliche Vorstösse hängig, meist unter der Ägide der SVP.

1000-Meter-Regel für alle

Nun hat die SVP im Kantonsrat eine parlamentarische Initiative (PI) eingereicht, um das PBG zu ändern. Damit bestätigt die Partei Neukoms Gesetzesauffassung indirekt. Konkret soll ein «Mindestabstand zwischen einer (…) Windenergieanlage (…) und bestehenden, bewohnten und teilweise bewohnten Gebäuden» von 1000 Metern eingeführt werden, wie es im Antrag heisst. Indem die Windkraftanlagen explizit erwähnt werden, weicht die SVP dem Problem aus, dass ansonsten auch andere Anlagen wie Gefängnisse oder Kantonsstrassen mittels Abstandsregeln verhindert werden könnten.

Gut sichtbare Windkraftanlagen sind für einige ein Graus.

Für Thomas Forrer, Fraktionspräsident der Grünen, wären die Folgen klar: «Ein Abstand von einem Kilometer zum Siedlungsgebiet reduziert die potenziellen Standorte für Windenergie massiv», meint er auf Anfrage. Offenbar sei es das Ziel der SVP, einen wichtigen Beitrag zur Energiewende zu verhindern. Baudirektor Neukom hatte im vergangenen Herbst gesagt, im Kanton Zürich gebe es ein Potenzial für 120 Windkraftanlagen, die etwa 7 Prozent des Energiebedarfs abdecken würden – vor allem im Winter. Voraussetzung dafür wäre, dass Windräder recht nah an Wohnsiedlungen gebaut werden dürften. Der Baudirektor rechnete mit 300 Metern.

Die PI gilt als das schnellste parlamentarische Mittel, um ein genau definiertes Ziel zu erreichen. Damit die Initiative eine Chance hat, braucht sie zunächst 60 von 180 möglichen Stimmen im Kantonsrat.

Bayerns Killerregel

Über Mindestabstände zu Windrädern wird schon lange gestritten. Die SVP wollte bereits 2017 im Nationalrat die sogenannte 10-H-Regel einführen. Das wäre eine Kopie von Bayern gewesen. Das deutsche Bundesland hatte 2014 eingeführt, dass der Abstand von Windrädern zu Wohngebäuden mindestens dem Zehnfachen der Anlagengrösse entsprechen müsse. Eine 250-Meter-Anlage kann also nicht näher als 2500 Meter von Wohngebieten gebaut werden.

Diese Regel wurde in Deutschland sehr kontrovers diskutiert. Andere Bundesländer ticken anders, und auch die Bundesregierung will den Vorschriften, die in  Bayern gelten, einen Riegel vorschieben. So gilt in Niedersachsen ein Abstand von 400 Metern, in Hamburg und Bremen einer von 250 bis 500 Metern. In den meisten Bundesländern sind es wiederum 1000 Meter – ausser in Baden-Württemberg, wo es keine generelle Regel gibt. 

Die Bundesregierung liess nun die Bayern ins Leere laufen, indem sie eine 2-Prozent-Regel einführte: Gemäss dem «Wind-an-Land-Gesetz» sind die Bundesländer angehalten, bis 2032 2 Prozent der Landesfläche für die Windkraft zu reservieren.

SVP auch in Bern vorstössig

In anderen Staaten gelten völlig unterschiedliche Regeln. Während der Mindestabstand in Frankreich 500 Meter beträgt, sind es in Österreich zwischen 1000 und 1500 Metern. Polen ist kürzlich – auf Druck der EU – von der 10-H-Regel auf 700 Meter umgeschwenkt.

In Bundesbern hat SVP-Nationalrätin Therese Schläpfer, die ehemalige Gemeindepräsidentin von Hagenbuch, eine Motion eingereicht, die nun eine 7-H-Regel fordert.