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«Beim Fussballmatch darf man das Bier durchaus auch mal aus der Dose trinken»

Patrick Thomi ist 29 Jahre alt, Braumeister bei Doppelleu und seit Kurzem Schweizermeister der Bier-Sommelier.
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An den Schweizermeisterschaften musstet ihr unter anderem auch spezielle Geschmäcker im Bier entdecken, wie Stinktier oder gekochtes Gemüse. Wissen Sie, wie ein Stinktier schmeckt?Patrick Thomi: Nein, das weiss ich nicht (lacht). In dieser Kategorie ging es unter anderem darum, «Fehler» im Bier zu erkennen. Bei der Umschreibung von ungewollten Gerüchen greift man auf Begriffe wie Stinktier zurück, um sie für alle verständlich zu beschreiben. Hervorgerufen werden sie beispielsweise durch Fehler im Produktionsverfahren, allerdings sind sie heutzutage sehr selten. Um sie zu erkennen, übt ein Verkoster mit Reinsubstanzen. Diese werden als Tropfen oder Kapseln verkauft.

Wie entsteht denn ein Stinktier-Geschmack?Wenn Sonnenlicht ans Bier kommt, dann wandelt sich ein Bierinhaltsstoff chemisch um und ist dann geruchsaktiv. Darum wird Bier normalerweise in dunkle Flaschen abgefüllt. Transparente Flaschen sind allerdings oft mit einem UV-Schutz versehen.

Und gekochtes Gemüse?Das sind eigentlich einfach Geruchsstoffe, die man nicht im Bier haben will. Beim Brauen kocht man die Würze, um genau diese Gerüche auszudampfen. Aber man darf sich jetzt nicht den Geruch eines Gemüseteller vorstellen. Diese Begriffe umschreiben Nuancen, die in eine gewisse Richtung gehen. Der Verbraucher kennt solche Gerüche heute übrigens gar nicht mehr, da die Brauereien ihre Prozesse mittlerweile sehr gut im Griff haben.

«Gewonnen habe ich wegen meinem Verkaufstalent.»

Bier-Sommelier ist eine ein- oder zweiwöchige Ausbildung. Was lernt man in so kurzer Zeit?Ein Bier-Sommelier eignet sich vertieftes Wissen zu verschiedenen Themen über Bier an: Geschichtliche Hintergründe, Rohstoffe und deren Herkunft und Aufgaben im Bier, verschiedene Biertypen und deren Eigenschaften, Trends im Schweizer Biermarkt, wie welches Bier richtig serviert wird, die richtige Degustation und natürlich die wichtigsten Grundlagen für Food Pairing. Also, welches Bier zu welchen Speisen am besten passt. Vertieftes Wissen eignet man sich jedoch erst mit regelmässiger Übung und Anwendung an.

Wie wird man zu einem wirklich guten Bier-Sommelier?Das Wichtigste ist eine gehörige Prise Leidenschaft. Und es hilft natürlich extrem, wenn man sich täglich mit Bieren beschäftigt, beruflich oder als Hobbybrauer. Das Probieren von neuen Bieren erweitert den Horizont.

Und wie wird man mit 29 Jahren Schweizermeister?Bei den Meisterschaften gab es drei Vorrunden, bei den ersten zwei schnitt ich sehr gut ab, bei der dritten, bei der es eben um die Fehlererkennungen im Bier ging, weniger gut. Da müsste ich wohl häufiger üben. Im Finale ging es dann darum, ein Bier vorzustellen. Da half mir, dass ich gut vor Leuten reden und sie begeistern kann.

Sie haben also wegen Ihres Verkaufstalents gewonnen?Ich denke schon, ja. Ich finde diesen Modus auch extrem spannend. Und heftig, du weisst nicht, welche drei Biere sie dir hinstellen und musst dich dann innerhalb von zwei Minuten für eins entscheiden und wissen, was du darüber sagen willst. Aber das ist für mich auch die hohe Kunst eines Bier-Sommeliers: Die Leute dazu anregen, gutes Bier zu trinken und zu geniessen. Dazu muss man sie für Bier begeistern können.

«Am besten fängt man immer mit den leichten, hellen Bieren an.»

Die Bierauswahl ist mittlerweile riesig. Mit welchem Bier sollen Anfänger beginnen?Ich finde das Pale Ale ein sehr gutes Einsteigerbier, schön fruchtig, leicht bitter aber noch nicht zu extravagant.

Wie sieht die Reihenfolge an einem Abend aus?Am besten fängt man immer mit den leichten, hellen Bieren an. Auf keinen Fall die bittersten zuerst, sonst schmeckt man nicht mehr viel anderes. Und dann kann man sich langsam zu den schwereren und dunkleren hinarbeiten.

Und beim Essen?Zum Aperitif etwas schlankes, eher ein bisschen bitter, zum Beispiel ein Pils oder vielleicht sogar ein Weizen (sommerlich, fruchtig). Dann kommts natürlich aufs Essen an..

.. sagen wir Spaghetti mit Tomatensauce.Da würde ich als Apero ein Summer-Bier empfehlen und zum Essen könnte man ein Amber trinken, um die Säure der Tomaten abzudecken. Oder diese mit einem saueren Bier noch zu unterstützen, zum Beispiel mit einem belgischen Sauerbier. Zum Dessert passt dann ein nicht zu starkes Stout, also etwas Schokoladiges, das aber die fruchtige Note nicht unterdrückt.

Sie sind Braumeister bei Doppelleu in Winterthur. Wie kommt man zu diesem Beruf?Ich habe eine Lehre als Lebensmitteltechnologe mit Fachrichtung Brauer absolviert und danach zweieinhalb Jahre an der Technischen Universität München studiert, wo ich als Diplom-Braumeister abschloss. In der Schweiz gibt es spezifisch auf Bier kein vergleichbares Studium.

Was macht ein Braumeister?Dazu gehört vieles, etwa die Arbeitseinteilung der Brauer oder dafür sorgen, dass die benötigten Rohstoffe vor Ort sind. Und natürlich die Qualitätskontrolle. Das heisst, ich kümmere mich darum, dass der Alkoholgehalt und der Geruch des Biers in Ordnung sind. Auch bei Bieren die jahrelang im Sortiment sind, muss man immer wieder kleine Anpassungen vornehmen, weil sich die Rohstoffe verändern. Der Kunde will ja, dass das Bier immer gleich schmeckt.

Und die Entwicklung von neuem Bier?Klar, das ist das schönste am Beruf, aber leider nicht die tägliche Arbeit. Bei Doppelleu brauen wir aber mindestens vier neue Biere pro Jahr, eher mehr, das ist natürlich extrem spannend.

Wie muss man sich das vorstellen? Tüfteln im Labor oder gleich aufs Ganze?Das ist unterschiedlich. Als Erstes entscheiden wir uns, welchen Biertyp wir ausprobieren wollen und stellen dann das Rezept zusammen. Je nach Ausprägung, die wir im Bier wollen, entscheiden wir uns beispielsweise für eine gewisse Hopfen- oder Malzsorte. In der Regel entsteht ein neues Bier direkt an der Anlage. Manchmal gibt es auch Vorversuche im Labor. Sollte es nötig sein, bringen wir während des ganzen Prozesses noch kleine Änderungen an.

Bierbrauen ist ja inzwischen ein automatisierter Vorgang..Ja, vieles geht automatisch. Aber es gibt immer noch viel zu tun für unsere Mitarbeiter. Malzsäcke nachlegen, den Hopfen von Hand in ein Gefäss füllen oder, die Schläuche anschliessen, zumindest in der alten Anlage. Dazu kommt die laufende Kontrolle der Prozesse. Grundsätzlich gilt: Je automatisierter die Anlage, desto teurer ist sie. Dafür aber auch sicherer und hygienischer.

Welches Bier würden Sie persönlich gerne mal brauen?Ich habe schon vieles brauen können, das ich unbedingt mal machen wollte, ein Milk Stout, also ein dunkles Bier mit Milchzucker oder ein Weizendoppelbock, das eine sehr hohe Stammwürze und Alkoholgehalt hat. Beide Biere sind weltweit eher selten. Bald gehe ich privat fünf Wochen in die USA, vor allem um Bierbrauereien zu besuchen. Danach habe ich garantiert wieder tausend neue Ideen.

Craft-Biere, viele aus den USA, sind in der Schweiz im Moment extrem im Trend. Wieso?Das hat verschiedene Gründe. Ein wichtiger ist sicher das Vorbild USA. Dort fing der Craft-Bier-Boom mit der Aufhebung des Home-Brewing-Verbots an. Jetzt schwappt das zu uns herüber. Ein anderer Grund ist der Trend um regionale Lebensmittel. Man achtet wieder vermehrt darauf, was man kauft und der Geschmack ist wichtiger als der Preis. Das hat sicher auch einen grossen Einfluss.

Doppelleu ist in kurzer Zeit enorm gewachsen. Ihr habt gerade einen zweiten Gär- und Lagerkeller gebaut. Habt ihr keine Angst euren Status als kleine Lokalbrauerei zu verlieren?Die Frage mit der Grösse wird sehr oft gestellt. Ich glaube das Wichtigste ist es, Vielfalt zu bieten und nicht, wie gross man ist. Solange man innovativ bleibt, und neue, qualitativ hochwertige Biere produziert, kann man so gross werden, wie man will.

Verdrängt ihr damit nicht auch die lokalen Bierbrauereien?Nein, im Gegenteil, ich denke wir helfen den Kleinen schlussendlich. Indem Craft-Biere überall erhältlich sind, wecken wir das Interesse der Leute. Die entscheiden als Konsumenten ja auch selber, welches Bier sie kaufen. Und man kennt sich unter den Brauern in Winterthur. Wir haben ein sehr entspanntes Verhältnis. Wir helfen uns auch mal aus, wenn einem anderen ein Rohstoff ausgeht. Die Gerüchte, dass wir uns untereinander anfeinden, stimmen also nicht.

Wie kamen Sie zu ihrem Job in Winterthur?Nach meinem Studium in Deutschland habe ich dort noch zwei Jahre lang gearbeitet. Danach zog es mich wieder zurück in die Schweiz. Ich mochte das Bier und das Auftreten von Doppelleu und dachte, das wäre genau was für mich. Ich habe ihnen dann mehrere E-mails geschrieben und mich quasi selber eingeladen, um mich vorzustellen. Bald darauf haben sie mir dann einen Job angeboten.

«Solange man innovativ bleibt, und neue, qualitativ hochwertige Biere produziert, kann man so gross werden, wie man will.»

Sie kommen ursprünglich aus dem Säuliamt und wohnen jetzt in Schlieren. Wann ziehen Sie nach Winterthur?(lacht) Das steht schon zur Diskussion. Im Moment ist es aber nicht dringend und ich finde es ehrlich gesagt auch ganz in Ordnung nicht gleich neben der Brauerei zu wohnen.

Ihr habt euch bei Doppelleu dazu entschieden, nur obergärige Hefen zu verwenden, wieso?Untergärige Hefen sind neutraler im Geschmack, daher werden sie gerne für Lager-Biere eingesetzt. Die sind gut trinkbar und machen fast 80 Prozent der Biere aus, die in der Schweiz getrunken werden. Obergärige Hefen ergeben eher aussergewöhnliche, fruchtige Aromen. Sie vergären schneller und bei höheren Temperaturen. Wir haben uns auch dafür entschieden, weil die Vielfalt grösser ist.

Geschmäcker, die vor allem im Glas zu Geltung kommen. Wieso verkauft ihr euer Bier in Dosen?Dosenbier liegt absolut im Trend. Und der Kunde kann ja selber entscheiden, wie er es trinkt. Es spricht sicher nichts dagegen das Bier an einem Fussballmatch oder am Feierabend aus der Dose zu trinken. Aber die volle Geschmacksvielfalt erhält man aus dem Glas, weil dann auch die Nase Nuancen aufnehmen kann.

Im September geht es an die Weltmeisterschaft nach Deutschland, was erwarten Sie?Ich habe keine Erwartungen, ich bin einfach froh, dass ich gehen darf. Ich werde sicher mehr trainieren, gerade im Bereich der Fehlgeschmäcker. Mitmachen, steht im Vordergrund, gerade auch weil wir als Schweizer die Neuen sind. Trotzdem, Deutschland, Italien und Österreich haben die letzten Jahre gewonnen. Es wäre daher an der Zeit, dass ein Schweizer Weltmeister wird.

Von: Anna Berger