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Nachhaltiges Investieren
Bei grünen Anlagen herrscht Unklarheit

Die Schornsteine des Belchatow-Kraftwerks, Polen. Es ist Europas grösstes Kohlekraftwerk. Investoren stehen vor der schwierigen Wahl: Meiden sie Kohleverstromer oder finanzieren sie diese, damit sie ihren Co2-Fussabdruck verkleinern?
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Keine Produktkategorie erfreut sich bei Schweizer Anlegerinnen und Anlegern solch einer Beliebtheit: nachhaltige Anlagen. Vor rund 10 Jahren betrug das Volumen dieser Produkte und Strategien noch 32 Milliarden, im vergangenen Jahr waren es bereits 1,16 Billionen Franken, hat der Verband Swiss Sustainable Finance ermittelt.

Sparer wollen Geld mit gutem Gewissen anlegen. Und die Schweizer Finanzindustrie wittert ein Milliardengeschäft. Doch so einfach ist das Ganze nicht. Selbst für Profis ist es nicht leicht, die Frage zu beantworten: Was genau ist eigentlich «nachhaltige» Geldanlage? «Alle reden von Nachhaltigkeit, aber es gibt keine klare Definition davon, keinen Standard», sagt zum Beispiel Hubert Keller, Geschäftsführender Gesellschafter von Lombard Odier Investment Managers.

Es gibt acht verschiedene Investmentstrategien, die vom Branchenverband Swiss Sustainable Finance unter dem Oberbegriff «nachhaltig» subsummiert werden (siehe Box). Die meisten Anleger nutzen den Ausschluss-Ansatz, bei dem gewisse Firmen oder Branchen, wie zum Beispiel Rüstung oder Kohle, ausgeschlossen werden. Der zweite wichtige Ansatz besteht darin, dass ein Fondsanbieter sogenannte ESG-Kriterien (E=Environmental, S=Social, G=Governance) neben Finanzkennziffern bei der Titelauswahl berücksichtigen.

«Damit ein Kunde die für ihn richtige nachhaltige Anlage findet, muss er sich zuerst über seine eigene Zielsetzung im Klaren sein», sagt Sabine Döbeli, Geschäftsführerin des Branchenverbandes Swiss Sustainable Finance. Will er bestimmte Branchen vermeiden? Oder zur Veränderung beitragen?

Um Anlegern hier bei der Auswahl zu helfen, hat sich eine eigene Industrie gebildet: Anbieter wie Sustainalytics, MSCI oder die Ratingagentur Standard & Poor’s bieten ihre ESG-Ratings an, die bei der Titelauswahl helfen sollen. Diese Ratings beruhen auf öffentlich zugänglichen Daten, auf Umfragen unter Unternehmen sowie Einzelinterviews.

Da alle das Gleiche erheben, sollte man annehmen, dass die Ratings ungefähr gleich ausfallen. Eine Studie des Credit-Suisse-Resarch-Institutes zeigt jedoch, dass sich die Einstufungen oft widersprechen. Das prominenteste Beispiel ist Tesla: MSCI bewertet den E-Auto-Hersteller als besten Auto-Wert in Sachen Nachhaltigkeit. Für Rating-Anbieter FTSE ist Tesla dagegen Schlusslicht. Sustainalytics stuft Tesla in der Mitte ein. Der Unterschied erklärt sich unter anderem dadurch, dass MSCI vor allem auf die Co2-armen Autos abstellt, die Tesla baut, während FTSE primär auf die Emissionen schaut, die Teslas Werke produzieren.

Dennoch setzten viele Fondsanbieter auf solche Ratings, um nachhaltige Fonds zu bauen. Zudem gibt es eine Reihe an Börsenindizes für nachhaltiges Investieren. Einer der bekanntesten ist der Dow Jones Global Sustainability Index. Dieser setzt auf das «Best in Class»-Prinzip, also die jeweils besten einer Branche. Daher beinhaltet der Index auch Toyota und sogar den Ölriesen Total.

«Diese Ratings geben wenig Aufschluss darüber, wie die Unternehmen für den im Pariser Abkommen geforderten Klimawechsel positioniert sind.»

Hubert Keller, Geschäftsführender Gesellschafter von Lombard Odier Investment Managers

Lombard-Odier-Experte Keller hält wenig von solchen Ratings und Indizes. «Diese Ratings geben wenig Aufschluss darüber, wie die Unternehmen für den im Pariser Abkommen geforderten Klimawechsel positioniert sind», erklärt er. Es könne kein Ansatz sein, Stahlhersteller zu meiden, weil die Stahlproduktion Co2-intensiv ist. «Tatsächlich sind die Unternehmen, die grosse CO2-Emittenten sind, aber einen Plan zur grundlegenden Dekarbonisierung ihres Geschäftsmodells haben, diejenigen, die das Potenzial haben, den Übergang zu einer Netto-null-Emissions-Wirtschaft voranzutreiben», meint Keller. Lombard Odier hat dazu eigene Modelle entwickelt, um zu prüfen, ob ein Kundenportfolio den Klimawandel befeuert oder konform ist mit dem Ziel, den Temperaturanstieg gemäss dem Pariser Klimaabkommen auf 2 Grad zu begrenzen.

Unklare Ratings, ein Wust an nachhaltigen Strategien. Um mehr Klarheit zu schaffen, ist mittlerweile der Gesetzgeber aktiv geworden – aber nicht der in Bern, sondern der in Brüssel. Die Europäische Union arbeitet an einer Definition, welche wirtschaftlichen Tätigkeiten als nachhaltig anzusehen sind und welche nicht. Am Ende soll eine einheitliche «Taxonomie» das Ergebnis sein.

Als nachhaltig soll eine Aktivität gelten, wenn sie einen Beitrag dazu leistet, sechs Umweltziele zu erfüllen. Diese sind zum Beispiel Begrenzung des Klimawandels, Förderung der Kreislaufwirtschaft oder schonender Wasserverbrauch. Als Ausschlusskriterium gilt, sollte eine wirtschaftliche Aktivität einem dieser Ziele Schaden zufügen. Ein grosser Streitpunkt ist immer noch, ob Atomstrom als nachhaltig gelten soll. Frankreich ist dafür, Deutschland dagegen.

Lohnt sich nachhaltiges Anlegen für den Sparer?

«Die Taxonomie wird vermutlich der Standard werden, um Finanzprodukte für die EU zu bauen», sagt Bruno Bischoff, Leiter Nachhaltigkeit bei der Credit Suisse. Doch ähnlich wie die ESG-Ratings hat auch die geplante Taxonomie den Mangel, dass sie keine Aussage darüber trifft, welches Unternehmen sich in die richtige Richtung bewegt. «Die Taxonomie ist binär: etwas ist nachhaltig oder nicht», so Bischoff.

Immerhin dürfte die Taxonomie Anlegern eine Orientierung bieten, etwa, dass ein Fonds ausweist, zu wie viel Prozent die darin enthaltenen Aktien den EU-Standard erfüllen oder nicht. «Die EU-Taxonomie wird eine wichtige Basis werden für umweltbezogene Finanzprodukte, doch der Weg, bis die entsprechenden Daten verfügbar sind, ist noch weit», urteilt Sabine Döbeli von Swiss Sustainable Finance.

Bleibt die Frage: Lohnt sich nachhaltiges Anlegen für den Sparer? Das Credit Suisse Research Institute hat dazu eine Reihe Studien ausgewertet mit einem gemischten Ergebnis: «Wir haben fast keine überzeugende Studie gefunden, die zeigt, das ESG-Fonds dauerhaft besser abschneiden.» Das hiesse aber auch: Anlegen mit gutem Gewissen kostet Anleger zumindest keine Performance. Den Durchblick unter den zahlreichen Ansätzen zu behalten, kostet ihn aber ohne Zweifel Nerven.