Prozess wegen TerrorpropagandaBedingte Gefängnisstrafen für die Spitze des Islamrats gefordert
In der Neuauflage des Prozesses gegen Qaasim Illi und Nicolas Blancho, hat die Bundesanwaltschaft bedingte Gefängnisstrafen von 24 und 20 Monaten gefordert.
Kein einziges Transparent, keine Plakate: Anders als beim ersten Prozess gegen die Führungsspitze des Islamischen Zentralrats Schweiz (IZRS) im Mai vor zwei Jahren verzichtete das Zentralorgan der schweizerischen Salafisten auf eine Demonstration gegen die in ihren Augen islamophobe Justiz. Einzig auf den weissen Gesichtsmasken der Unterstützer des Zentralrats war vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona unter anderem das Wort «Gesinnungsjustiz» zu lesen. Und einen der anwesenden Journalisten beschimpfte ein IZRS-Anhänger mit «Du bist die grösste Hurensau der Schweiz».
Die Neuauflage des Prozesses wegen Terrorpropaganda wurde nötig, nachdem das Bundesgericht die Freisprüche von IZRS-Präsident Nicolas Blancho und des Kommunikationsverantwortlichen Qaasim Illi im Februar 2020 aufgehoben hatte. Die 20 Monate Gefängnis bedingt für den ursprünglichen Hauptangeklagten, «Kulturproduzent» Naim Cherni, bestätigte das Bundesgericht dagegen. Es ging um zwei von Cherni produzierte und vom Islamrat verbreitete Videos, die zum gewaltsamen Jihad aufriefen und den syrischen Ableger von al-Qaida verherrlichten. Das Bundesgericht wertete dies als Unterstützung einer verbotenen Terrororganisation.
Wie er mit einem 20-Prozent-Pensum zehn Kinder ernährt, verschweigt er.
Blancho und Illi warf der Ankläger in Bellinzona nun erneut vor, Terrorpropaganda für al-Qaida betrieben zu haben, weil sie die zwei Videos abgesegnet, veröffentlicht und beworben hätten. Diese Vorwürfe hatte das Bundesstrafgericht im ersten Prozess nicht gelten lassen, weil die Bundesanwaltschaft die entsprechenden Anklagepunkte gegen Cherni nicht im Detail auch in der Anklageschrift gegen Blancho und Illi wiederholt habe. Das Bundesgericht bezeichnete diese Haltung hingegen als «übertriebenen Formalismus».
Hinter Gesichtsmasken versteckt, verweigerten die beiden Angeklagten jegliche Aussage. Selbst auf Fragen zur Person, zum Beispiel wie er denn mit einem 20-Prozent-Pensum beim IZRS seine insgesamt zehn Kinder ernähre, wollte Illi nicht antworten. Der vorsitzenden Richterin blieb nichts anderes übrig, als mit den Worten «schüttelt den Kopf» oder «schweigt» zum nächsten Punkt überzugehen. Blancho, der vier Kinder hat, sagte ebenfalls nichts zur Frage sagen, warum er 2018 wegen Vernachlässigung seiner Unterhaltspflichten verurteilt wurde.
Sie zeigten keine Reue
Gemäss dem Plädoyer des Staatsanwalts verherrlichten die beiden inkriminierten IZRS-Videos den saudischen Al-Qaida-Terroristen Abdullah al-Muhaysini, den Cherni in Syrien interviewt hatte. Muhaysini forderte in den Aufnahmen die Jugend im Westen auf, für den bewaffneten Jihad nach Syrien zu kommen. Wenn Cherni rechtskräftig wegen Terrorpropaganda verurteilt wurde, dann seien auch Blancho und Illi schuldig zu sprechen, weil sie geholfen hätten, die Propagandavideos zu verbreiten, erklärte der Staatsanwalt. Sie hätten damit gegen das Al-Qaida-Verbot verstossen.
Bei solchen Ausführungen blickte Illi jeweils gelangweilt nach oben oder verdrehte die Augen. Die beiden Angeklagten hätten auch keinerlei Reue gezeigt, fuhr der Anwalt fort. Er forderte bedingte Gefängnisstrafen von 24 Monaten für Illi und 20 Monaten für Blancho, mit einer Probezeit von jeweils fünf Jahren.
Die Verteidigung plädierte hingegen für vollumfängliche Freisprüche. Die Angeklagten erhielten keinen fairen Prozess, weil zwei der insgesamt drei Richter im ersten Prozess bereits Naim Cherni schuldig gesprochen hätten. Deshalb seien sie befangen. Die Beschwerdekammer in Bellinzona hatte Ausstandsgesuche von Blancho und Illi gegen die beiden Richter allerdings schon im Juni abgewiesen. Auf den Vorwurf der Verteidiger, man könne der Anklageschrift gar nicht entnehmen, was dem Führungsduo des Islamrats konkret vorgeworfen werde, reagierte der Staatsanwalt gelassen: Die beiden hätten sich schon 2018 in einem umfangreichen Bericht detailliert zu den Vorwürfen geäussert und diese demnach sehr wohl verstanden.
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