Stephanie Eymanns MassnahmenNach vernichtender Kritik – ein Grossteil der Polizeileitung muss gehen
Nach dem alarmierenden Bericht über die Kapo Basel gibt es neu eine unabhängige Anlaufstelle für Opfer von Diskriminierungen. Bei der Suche nach einem Ersatz für den Kommandanten nimmt sich die Regierungsrätin Zeit.
Vor rund einem Monat alarmierte ein Untersuchungsbericht über besorgniserregende Zustände innerhalb der Basler Kantonspolizei (Kapo) die Öffentlichkeit. Die Basler Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann (LDP) reagierte darauf zunächst mit der Freistellung des Kommandanten Martin Roth. Am Donnerstag hat sie weitere Massnahmen vorgestellt, um die beschriebenen Missstände anzugehen. Das sind die wichtigsten Punkte.
Mitarbeitende erhalten eine unabhängige Anlaufstelle
Sowohl beim Kanton Basel-Stadt als auch im Justiz- und Sicherheitsdepartement selbst habe es bereits verschiedene Anlaufstellen für Opfer von Mobbing, Diskriminierung oder sexueller Belästigung gegeben. Weil diese aber nur sehr selten genutzt wurden, will Eymann dem Personal der Kantonspolizei nun die Dienste der unabhängigen Fachstelle Mobbing und Belästigung zur Verfügung stellen. Mit der Zürcher Anbieterin habe man den Schutz der Anonymität der Personen vereinbart, die diese Dienste in Anspruch nehmen wollten.
Für eine externe Lösung habe man sich insbesondere entschieden, weil die internen Stellen beim Personal offenbar nicht genug Vertrauen genössen. Ab 1. August können sich die Mitarbeitenden der Kapo bei der Fachstelle melden, wenn sie Erfahrungen mit übergriffigem oder diskriminierendem Verhalten bei der Arbeit gemacht haben. Ende Jahr soll ein Zwischenbericht über die eingegangenen Meldungen erfolgen. Das Angebot der Anlaufstelle ist vorerst auf ein Jahr befristet.
Erfreut zeigt sich Eymann darüber, dass sie seit dem Erscheinen des Schefer-Berichts selbst Zuschriften von Mitarbeitenden über deren Erlebnisse zugesandt bekommt. Diese Schreiben würden sich oft mit den Schilderungen im Bericht decken.
Ehemaliger Luftwaffen-Chef leitet Taskforce
Ab Mitte August widmet sich eine Taskforce der Umsetzung weiterer Empfehlungen aus dem Untersuchungsbericht. Was sie ganz konkret anpacken wird, ist derzeit noch offen. Der Schefer-Bericht nennt 30 Massnahmen, die für einen Kulturwandel bei der Kantonspolizei Basel-Stadt nötig sind. Die Taskforce wird, so Eymann, zunächst Arbeitsfelder und -gruppen definieren müssen. Als Beispiele nennt sie die Themenfelder Führung/Kultur, Personalmanagement und Reorganisation. Es sei nicht auszuschliessen, dass die Taskforce die Umsetzung einzelner Massnahmen an eine weitere externe Stelle übergebe.
Als Leiter der Taskforce hat Eymann Aldo Schellenberg engagiert. Von 2013 bis 2017 war er Kommandant der Luftwaffe der Schweizer Armee. Sie habe bereits erste Gespräche mit Schellenberg geführt, sagt Eymann. Seine Arbeit beginnt offiziell aber erst Mitte August. Dabei soll er von einem Beirat unterstützt werden, bestehend aus Vertretern des Korps, der Offiziere, des Polizeibeamten-Verbands und von Partnern aus der Kantonsverwaltung. Per Mail hat sich Eymann an das Polizeikorps gewandt: Wer bei der Taskforce mitmachen will, soll sich melden. «Schellenberg und ich können die Arbeit nicht allein machen.»
Wie lange die Taskforce bestehen bleibt, ist noch offen. Sie habe ihr keinen zeitlichen Rahmen gesetzt, so Eymann. Wie viel Arbeit auf die Gruppe zukomme, werde wohl erst im ersten Zwischenbericht ersichtlich.
Die schwierige Suche nach einem neuen Kommandanten
Bei der Suche nach einem neuen Kommandanten will sich die JSD-Vorsteherin Zeit nehmen. «Verkehrt wäre es, jetzt in Hektik zu geraten und jemanden einzustellen, der nicht gewährleisten kann, dass es gut kommt», sagt sie. Schwierig sei zum einen, dass das Angebot an geeigneten Personen nicht gerade gross sei. Zum anderen habe man in der jüngsten Zeit nicht gerade viel Werbung in eigener Sache gemacht. «Diese Suche wird nicht einfach sein.»
Aus diesem Grund habe man eine Headhunter-Firma beigezogen. Zu klären sei unter anderem noch die Frage, ob ein Kommandant studiert haben müsse oder eher eine polizeiliche Karriere aufweisen solle. Mitte August soll die Stelle ausgeschrieben werden. Bis es zu einer Neuanstellung komme, könne aber noch gut ein Jahr vergehen.
Deshalb will Eymann zunächst eine befristete Ad-interim-Lösung für die Übergangsphase installieren. Die Gespräche mit einer geeigneten Person seien bereits fortgeschritten. Es handelt sich um eine Person von extern.
Diese personellen Konsequenzen gibt es bei der Leitung
Wie bei der Medienkonferenz eine Woche nach der Publikation des Schefer-Berichts angekündigt, kommt es zu mehreren Wechseln in der Polizeileitung. Das Korps, so wurde im Bericht klar, hatte nicht nur das Vertrauen in den inzwischen geschassten Kommandanten Martin Roth verloren, sondern in die gesamte Polizeileitung. Mit dieser führe kein Weg in die Zukunft, so Eymann.
Am Donnerstag verkündete die Sicherheitsdirektorin folgende Änderungen in der Leitung; sie gelten per sofort:
Bernhard Frey Jäggi (Hauptabteilung Verkehr) scheidet aus der Polizeileitung aus.
Simona Dematté (Hauptabteilung Operationen) gibt die Leitung auf und widmet sich ihrer Funktion als Stabschefin der kantonalen Krisenorganisation.
Alexandra Schilling (Hauptabteilung Kommando) gibt den polizeilichen Teil ihrer Funktionen ab.
Peter Kötter (Hauptabteilung Spezialformationen) gibt die Leitung ab.
Urs Wicki (Hauptabteilung Sicherheitspolizei) wird mit Kötter bis Ende 2024 die notwendigen nächsten Schritte im Hinblick auf die Zusammenlegung der Interventionskräfte (Sicherheitspolizei, Einsatzzug, Einsatzelement, Brennpunkte) koordinieren und die Organisation dann einer neuen Führung übergeben.
Sämtliche Positionen sind intern ad interim besetzt worden. Sobald eine neue Kommandantin oder ein neuer Kommandant gefunden wird, könnte es zu einer Neubesetzung kommen.
Auch die Führungsorganisation wird umgekrempelt
Die Zusammensetzung der Polizeileitung dürfte sich in Zukunft ändern. Einerseits betrifft dies die Anzahl Mitglieder; derzeit besteht die Leitung aus sechs Hauptabteilungsleitern und einem Kommandanten. Andererseits sollen die Aufgabenfelder neu definiert werden. Eine der Empfehlungen aus dem Schefer-Bericht lautet, dass die Aufgaben der Polizeileitung auf ein erforderliches Mass redimensioniert und schwerwiegende Mängel in der Eignung von Leitungsmitgliedern erkannt werden sollen. Wegen der noch offenen Restrukturierungsmassnahmen werden alle Beförderungen in Führungsfunktionen sistiert.
Viele Projekte – wie gross ist der Nutzen?
Einen weiteren Kritikpunkt im Schefer-Bericht nimmt Eymann auf, indem sie sich eine Liste aller laufenden und geplanten Projekte innerhalb der Kantonspolizei zusammenstellen liess. Befragte monierten gegenüber Schefer, die vielen Projekte seien schlecht koordiniert und würden Ressourcen fressen, die man im Aussendienst dringend benötige.
Nicht weniger als 57 Projekte sind auf der Liste notiert. Jedes einzelne Projekt soll nun im Sinn einer Aufwand-Ertrag-Rechnung überprüft werden: Wie gross ist der Ressourcenaufwand? Wie gross die Entlastungswirkung auf die Gesamtorganisation? Was ist notwendig für die Erfüllung des Kernauftrags der Polizei? Die Projekte sollten eigentlich zu einer Entlastung der operativen Kräfte beitragen.
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