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Schweizer Sportpionier
«Ich gehe jetzt nach Indien und werde Fussballprofi»

Jan Muzangu, regionalen Fussballer spielt in einer  "Tiktok-Liga" in Deutschland. Ex FCB Junior. Barfuesserplatz, Basel. Dienstag 24. September 2024 © nicole pont
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In Kürze:
  • Der 24-jährige Basler Jan Muzangu wollte FCB-Profi werden – musste aber in der U-21 erkennen, dass es nicht reichen würde.
  • Er hat trotzdem eine beachtliche Karriere gemacht: Er war der erste Schweizer Fussballprofi in Indien beim Chennai City FC.
  • An diesem Montag steht er mit seinem Team im Final Four der von Lukas Podolski gegründeten Baller League.

In einer perfekten Welt wäre Jan Muzangu an diesem Sonntag im St.-Jakob-Park aufgelaufen und hätte – man wird ja wohl noch träumen dürfen – das entscheidende Tor gegen die Young Boys erzielt. Das war immer sein Traum: Profi beim FC Basel zu sein. Daraus ist zwar nichts geworden, doch der 24-jährige Basler hat trotzdem eine bemerkenswerte Karriere gemacht. Eine, die sich nicht an Profi-Einsätzen, Geld oder Titeln messen lässt, aber an Erinnerungen. «Ich fülle meinen Rucksack», sagt Muzangu, «darin bin ich Profi.»

Im Final Four von Lukas Podolskis Baller League

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An diesem Montag bestreitet Jan Muzangu das grösste Fussballspiel seiner Karriere. In Düsseldorf, in einer Arena mit mehr als 10’000 Fans, wenn alle Plätze belegt sein sollten. Es ist das Final Four der Baller League, der hippen, coolen, angesagten Hallenfussball-Influencer-Tiktok-Liga von Gründer Lukas Podolski.

Seit dieser Saison ist Muzangu als erster und einziger Schweizer dabei. Er spielt für den FC Nitro von Teamchef Nader Jindaoui, der irgendwo zwischen Fussballprofi und Influencer stecken geblieben ist. «Nader hat 3 Millionen Follower auf Tiktok und hat für Hertha BSC in der Bundesliga gespielt», sagt Muzangu, «aber für mich ist er wie ein grosser Bruder.»

Im Juli ist Muzangu für die Baller League ausgewählt worden. In einem Probetraining und dem anschliessenden Draft hat er sich gegen mehrere Hundert Kandidaten durchgesetzt – seitdem fährt er jeden Montagmittag nach Köln und spielt dort gegen andere «Strassenkicker», wie er das nennt. «Das ist genau meine Art von Fussball. Ich liebe das Eins-gegen-eins.»

Vor ein paar Wochen hat Muzangu gegen Kevin-Prince Boateng gespielt, er stand neben Olaf Thon oder Mario Basler, der rauchend ein bisschen Werbung für die Liga machte, und natürlich ist er auch Lukas Podolski schon ein paarmal über den Weg gelaufen. «Ein korrekter Typ», sagt Muzangu.

Gezahlt wird Muzangu mit einem «guten Lohn», den er nicht verraten will, und neuen Followern auf den Social-Media-Kanälen. «Ich kann dank der Baller League ein paar Scheine stehlen», so drückt er das aus. Und ohne das Geld würde er das Ganze nicht machen, das gibt er offen zu. Aber es lohnt sich: Ihm liegt schon ein Vertrag für die neue Saison vor. Dann wird die Baller League in Berlin ausgetragen.

Das Abenteuer in Indien beim Chennai City FC

Es ist jetzt knapp fünf Jahre her, dass Massimo Ceccaroni ihn gefragt hat, ob er nicht Fusballprofi in Indien werden wolle. Und für Muzangu gab es damals nur eine Antwort: «Auf keinen Fall.» Er wollte nicht weg aus Basel und weg von seiner Mutter. Nicht, um Werbung für die Kooperation zwischen dem FCB und Chennai City FC zu machen.

Erst mit der Zeit begriff Muzangu das Angebot als Chance. Und als die Probetrainings bei Schaffhausen und Rapperswil-Jona erfolglos blieben, dachte er sich: «Wieso eigentlich nicht? So eine Chance kommt so schnell nicht wieder. Ich gehe jetzt nach Indien und werde Fussballprofi!»

Im Januar 2020 wechselt Muzangu für ein halbes Jahr in die indische I-League – mit Stammplatzgarantie, solange er gesund ist. Er ist nicht der erste Schweizer, der diesen Schritt wagt  – so wechselte etwa 2014 Tiago Ribeiro von GC nach Mumbai. Aber er ist mit seinem Schritt ein grosser Exot. Sechs Spiele bestreitet der damals 19-Jährige für Chennai, schiesst ein Tor und lernt eine neue Kultur kennen. 

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«Ich habe jeden Tag geheult», sagt Muzangu heute. «In meinem ersten Training musste ich mich übergeben, weil die Luft so schlecht war. Meine Familie war weit weg, auf den Strassen hat man Leid und Luxus gesehen, nur ein paar Meter voneinander entfernt. Es war keine einfache Zeit, aber eine grossartige Erfahrung.»

Heute sieht er die Zeit in Indien als das, was sie war: «Ein Abenteuer.» Und eines mit einem guten Ende: Zwar verletzt sich Muzangu und kann nicht so oft spielen, wie er das gewollt hätte. Aber kurz vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie erwischt er noch einen der letzten Flieger in Richtung Europa.

Heute ist die Kooperation mit Chennai City nur noch eine wilde Erinnerung. Für Muzangu, der seinen Kindern davon erzählen wird, wenn er einmal welche haben sollte. Und auch für den FCB, der die Kooperation nach dem Ende der Ära von Bernhard Burgener umgehend beendete.

300 Spiele in der Challenge League ernähren keine Familie

22.08.2020; Basel; Fussball Promotion League - FC Basel U21 - FC Rapperswil-Jona 
Jan Muzangu (Basel U21) gegen Maurice Brunner (Rapperswil) 
(Urs Lindt/freshfocus)

In seiner Zeit im Nachwuchs des FCB spielt Jan Muzangu mit Noah Okafor zusammen, auch Edon Zhegrova hilft mal aus, wenn er nach einer Verletzung Einsätze braucht. In der U-18 ist Alex Frei sein Trainer. In der U-21 steht Justin Hammel im Tor, Uran Bislimi im Mittelfeld und vorne stürmt Julian von Moos. Sie alle haben es geschafft – Muzangu hingegen nicht.

«Natürlich war mein grosser Traum, Profi beim FCB zu werden», sagt er, «aber ich war nicht ready. Ich war mit dem Kopf nicht bei der Sache. Darum hat es nicht gereicht.» Er wechselt zu den Black Stars, dann zu Rapperswil-Jona, zu Delémont und im Winter zu den Basler Old Boys in die 2. Liga interregional. Ein Leben in der Fussball-Anonymität.

«Ich will Fussball spielen, das ist mein Leben», sagt Muzangu. Aber es ist nicht mehr sein alles bestimmender Traum. «Wenn ich alles auf eine Karte setze, schaffe ich es vielleicht noch in die Challenge League. Vielleicht. Aber ich will eine Familie gründen, eine Familie, die ich so selbst nicht hatte. Und mit 300 Spielen in der Challenge League ernährst du keine Familie.»

Seit diesem Jahr arbeitet er darum in Basel bei einer Versicherung. Einen KV-Abschluss hat er nicht, «ich habe mich im Vorstellungsgespräch von meiner Schoggiseite gezeigt. Ich kann sehr gut mit Menschen umgehen, das ist viel wichtiger.» Muzangu erhält er die volle Unterstützung. «Mein Chef Alessandro Giangreco gibt mir am Montagmittag frei, wenn die Baller League ruft», sagt er.

Es ist der klassische Gegenpol zu einer besonderen Fussballkarriere. Ein stabiles Standbein, das Hallenfussballduelle gegen Kevin-Prince Boateng und bekannte Influencer erst möglich macht. «Ich kann meinen Traum leben», sagt Muzangu. «Ich bin zwar nicht Profi geworden, aber ich habe so viel erlebt.»

Der Rucksack an Erinnerungen ist voll. Und an diesem Montag kommt im Final Four der Baller League schon die nächste Geschichte hinzu.