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Meinung

Kommentar zur Zweitjob-Studie
Aufmerksamkeit um jeden Preis

Ein Heer von Working Poor? Eine Zeitungsverträgerin auf ihrer frühmorgendlichen Tour. 
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Spektakuläre Resultate ergeben dicke Schlagzeilen. «Jeder Vierte hat einen zweiten Job», meldete die «NZZ am Sonntag». Sie zitierte eine Studie der Beratungsfirma PWC. Dafür wurden fast 54’000 Erwerbstätige in 46 Ländern befragt, darunter gut 1000 in der Schweiz.

Die Aussagen zur Schweiz haben es in sich: «Hierzulande muss jeder vierte Arbeitnehmende mittlerweile mehreren Jobs nachgehen. Rund 60 Prozent tun dies, weil sie das zusätzliche Einkommen benötigen», «Nur jeder dritte Angestellte fühlt sich fair bezahlt» und «Weniger als die Hälfte der Befragten denken, dass ihre Vorgesetzten fair, kompetent, kommunikativ und ehrlich sind».

Es herrschen schreckliche Zustände, wenn man diesen Zahlen Glauben schenkt. Aber kann man das? Immer mehr Leute arbeiten Teilzeit, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist das grosse Thema im Stellenmarkt. Das passt nicht zusammen.

Das Bundesamt für Statistik (BFS) kommt jedenfalls zu völlig anderen Resultaten: 2022 gingen weniger als 8 Prozent der Erwerbstätigen mehr als einer Beschäftigung nach. Möglicherweise ist die Stichprobe der Onlineumfrage von PWC nicht wirklich repräsentativ. 

Die spektakulärsten Aussagen sind das Resultat einer sehr speziellen Methode, Antworten zusammenzufassen. Den Teilnehmenden wurden Aussagen vorgelegt mit sieben Antwortmöglichkeiten: drei ablehnenden (stimme «überhaupt nicht», «mässig» und «leicht» zu), einer unentschiedenen («weder noch») und drei zustimmenden (stimme «leicht», «mässig» und «voll» zu).

«Nur spektakuläre Resultate erregen Aufmerksamkeit. Und das verleitet dazu, die Zahlen zu foltern, bis sie erzählen, was man von ihnen hören will.»

Die Aussage «Die Vorgesetzten sind fair, kompetent, kommunikativ und ehrlich» beantworteten 67 bis 69 Prozent der Befragten zustimmend, 14 bis 17 Prozent mit «weder noch» und 15 bis 17 Prozent der Befragten ablehnend. Zwischen 21 und 25 Prozent der Befragten stimmten «leicht» zu. Indem PWC diese Gruppe einfach unter den Tisch fallen lässt, gelangt sie zu einer brisanten Aussage. Nämlich, dass «weniger als die Hälfte der Schweizer Befragten denken, dass ihre Vorgesetzten fair, kompetent, kommunikativ und ehrlich sind». 

Auf dieselbe Weise wird aus 60 Prozent, die sich fair bezahlt fühlen, plötzlich nur noch «jeder Dritte».

Das mag Sinn ergeben für das Marketing des Beratungsunternehmens. Denn je schlechter die Zustände in den Unternehmen dargestellt werden, desto grösser scheint der Beratungsbedarf.

Aber für die Beurteilung der sozialen Lage der Bevölkerung oder der Arbeitszufriedenheit in den Betrieben taugen solche Umfragen nicht. Es ist ähnlich wie in den kürzlich aufgedeckten Fällen von Fälschungen und manipulierten Daten in der Verhaltensökonomie: Nur spektakuläre Resultate erregen Aufmerksamkeit. Und das verleitet dazu, die Zahlen zu foltern, bis sie erzählen, was man von ihnen hören will.