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Unbegreifliche Sicherheitspanne
Auf einmal umarmt ein Wildfremder Olaf Scholz 

Normalerweise gut beschützt: Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz an seinem Amtssitz in Berlin.

Wenn der ukrainische oder der amerikanische Präsident Berlin besuchen, sperren Tausende von Polizisten deren Routen kilometerweit ab. Gullydeckel werden festgeschweisst, auf den Dächern wachen Scharfschützen, am Himmel Helikopter. Beim deutschen Regierungschef, immerhin eine der bestbewachten Persönlichkeiten des Landes, scheint man es mit der Sicherheit hingegen nicht immer so genau zu nehmen.

Der Vorfall um Kanzler Olaf Scholz ist bereits zwei Wochen her, aber je mehr darüber bekannt wird, umso unfassbarer erscheint er. Die «Bild»-Zeitung hatte als erste davon berichtet, die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» kürzlich erneut recherchiert.

Am Abend des 24. Mai hatte Scholz den Sitz der Europäischen Zentralbank in Frankfurt besucht und zu deren 25. Geburtstag gesprochen. Nach 22 Uhr begab er sich, begleitet von Finanzminister Christian Lindner sowie Entourage, zum Frankfurter Flughafen, um zurück nach Berlin zu fliegen.

Kurz vor der Panne: Scholz mit EZB-Präsidentin Christine Lagarde in Frankfurt.

Auf dem Weg zum Flughafen heftete sich ein schwarzer Audi A5 unerkannt an die Kolonne von gepanzerten schwarzen A8-Limousinen der Regierung, die von Streifenwagen und Motorrädern der hessischen Landespolizei begleitet wurde. Die Personenschützer vom Bundeskriminalamt sassen in den Wagen mit dem und um den Kanzler. Gesteuert wurde der A5 von einem 48-jährigen Mann, wie sich später herausstellte.

Am Eingang zum Flugfeld fiel der blinde Passagier nicht weiter auf. Vielmehr durfte er mit der offiziellen Kolonne Wache und Schranke passieren, obwohl das Kennzeichen seines Autos vorher nicht angemeldet worden war. Ungehindert und unerkannt folgte er der Kolonne bis zum Regierungsflugzeug.

Kein Personenschützer stürzt sich auf den Eindringling

Während die anderen Regierungsmitglieder den Airbus A319 bestiegen, blieb der Kanzler noch in der Limousine sitzen, um ein Telefongespräch zu führen. Als er das Auto verliess und sich zu einem Erinnerungsfoto mit den Schutzleuten aufstellen wollte, stürmte der Unbekannte plötzlich auf ihn zu, gab ihm die Hand und umarmte ihn. Scholz liess es geschehen, kein Personenschützer stürzte sich auf den Eindringling.

Erst als der Kanzler das Flugzeug bestieg, wurden Polizisten misstrauisch und nahmen die Personalien des Mannes auf. Danach wurde er festgenommen. Der Polizei sagte der 48-Jährige, der offenbar verwirrt wirkte und unter Kokaineinfluss stand, er habe die Kolonne für eine Hochzeitsgesellschaft gehalten und sei ihr zufällig gefolgt. Allerdings gibt es den Verdacht, dass er seinen schwarzen Audi so gezielt zur Tarnung verwendete wie den Overall, den er trug – ein Kleidungsstück, das an Flughäfen wenig auffällt.

Was nicht alles hätte passieren können!

Erst langsam drang den Beteiligten danach ins Bewusstsein, welche Katastrophe sich hätte ereignen können, hätte der Unbekannte Scholz Böses gewollt. Als die Peinlichkeit zwei Tage später öffentlich wurde, tat das Kanzleramt alles, um den Vorfall herunterzuspielen. Der Kanzler habe sich über die «überraschend innige Umarmung» gewundert, sich aber zu keinem Zeitpunkt bedroht gefühlt, hiess es. Er fühle sich jederzeit gut beschützt – und wolle weiter ein «Kanzler zum Anfassen» bleiben.

Bei den Sicherheitsbehörden war das Entsetzen über das beispiellose Versagen dafür umso grösser. Während Bundeskriminalamt, Flughafensicherheit und Landespolizei sich hinter den Kulissen gegenseitig die Schuld in die Schuhe schoben, sprach Innenministerin Nancy Faeser das Offensichtliche aus: «Das darf nie wieder passieren.» Welche Folgen der Vorfall für das Sicherheitsdispositiv des Kanzlers hatte, ist öffentlich nicht bekannt. Dem Eindringling wird bislang nur Hausfriedensbruch vorgeworfen – den Kanzler zu umarmen, ist jedenfalls nicht verboten.