Vor dem TV-Kanzler-TriellAuf einmal hat Scholz etwas zu verlieren
Der Christdemokrat Armin Laschet und die Grüne Annalena Baerbock müssen in der Fernsehdebatte beweisen, dass sie mehr können, als die Deutschen meinen. Für SPD-Kandidat Olaf Scholz genügt es, wenn er Fehler vermeidet.
Dass sich Anwärter auf die Kanzlerschaft am deutschen Fernsehen duellieren, gibt es seit der Bundestagswahl 2002. Das erste Mal wird das Format nun aber als Dreikampf ausgetragen, zwischen dem Sozialdemokraten Olaf Scholz, dem Christdemokraten Armin Laschet und der ersten grünen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Und ebenfalls erstmals kommt es zu insgesamt drei Aufeinandertreffen: am Sonntagabend bei den Privatsendern RTL und n-TV, am 12. September bei ARD und ZDF und am 19. September bei Prosieben und Sat1.
Einen Monat vor der Wahl zeigen die Umfragen verblüffende Bewegungen in der Wählerschaft, die vor allem mit den Kanzleranwärtern zu erklären sind. In allen Umfragen hat die SPD mit etwa 22 Prozent Stimmenanteil die im Mitte-links-Lager lange favorisierten Grünen überholt und zur führenden CDU/CSU aufgeschlossen. In manchen Erhebungen haben die Sozialdemokraten die Union bereits überholt – erstmals seit dem Hype um Martin Schulz vor vier Jahren.
In der jüngsten Umfrage des ZDF sagen 49 Prozent der Deutschen, dass sie Scholz am liebsten als Nachfolger von Angela Merkel hätten, nur 17 Prozent Laschet, 16 Prozent Baerbock. Fast drei von vier Deutschen halten den CDU-Mann und die Grüne dafür nicht einmal für «geeignet». In der Bewertung der zehn wichtigsten Politikerinnen und Politiker steht Merkel an der Spitze, Scholz auf Platz zwei – und Baerbock und Laschet ganz am Ende. Die gegenläufige Entwicklung hat sich zuletzt noch beschleunigt: Scholz zieht die SPD hoch, Laschet und Baerbock ihre Parteien runter.
Letzte Chance für Laschet und Baerbock?
Die Ausgangslage für die erste Fernsehdebatte ist damit gegeben: Für Laschet und Baerbock bietet sie die vielleicht letzte Chance, den Deutschen zu zeigen, dass sie viel mehr können, als diese ihnen zutrauen. Scholz hingegen muss vor allem vermeiden, dass die Wählerinnen und Wähler über seine Eignung nochmals ins Grübeln geraten.
Am leichtesten scheint die Debattenaufgabe für Baerbock. Die 40 Jahre junge Grüne kann beide älteren Männer unbeschwert als Vertreter von «Status quo» und «Weiter so» angreifen und sich selbst als Kandidatin der «Veränderung» anpreisen. Immerhin hat die Union zuletzt 16 Jahre am Stück die Kanzlerin gestellt, die SPD war in den letzten 23 Jahren 19 Jahre lang an der Regierung beteiligt – davon acht Jahre mit Scholz als Minister. Inhaltlich fällt Baerbock die Abgrenzung von Laschet leichter als die von Scholz: Die Ideen von Grünen und SPD zum Ausbau des Sozialstaats gleichen sich stark, die Forderungen beim Klimaschutz mehr, als viele vermuten.
Scholz hat Laschets Part gekapert
Auch für Laschet liegt die Ausrichtung auf der Hand. Er muss unbedingt versuchen, einen guten persönlichen Eindruck zu machen, um den Abwärtstrend seiner Partei zu stoppen. Hilfreich könnte sein, dass viele Deutsche von ihm mittlerweile so wenig halten, dass es nicht schwer sein dürfte, die Erwartungen zu übertreffen.
Was die politischen Inhalte angeht, ist Laschets Aufgabe viel schwieriger als die von Baerbock. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident wollte sich eigentlich als Mann mit Erfahrung, als Kandidat der gesellschaftlichen Mitte, als beruhigender Bewahrer und umsichtiger Erneuerer bewerben. Das taugt bei den bekanntermassen vorsichtigen Deutschen vielleicht in Abgrenzung zur unerfahrenen Baerbock, aber nicht zum gewieften Politprofi Scholz. Laschet dürfte darum anstelle von Scholz eher dessen Partei attackieren, die in den vergangenen zwei Jahren deutlich nach links gerückt ist – durchaus in Opposition zu ihrem sozialliberalen Kanzleranwärter.
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Scholz geht wegen seiner Beliebtheit in den Umfragen als Favorit in die Debatte. In dieser Lage kann der 63-jährige Finanzminister das tun, was er am besten kann: Lächeln, Fehler vermeiden, Angriffe abperlen lassen, mit leiser Stimme Dinge fordern, die niemanden erschrecken, und ansonsten das Gefühl sich ausbreiten lassen, dass ein Kanzler Olaf Scholz für Deutschland doch ganz okay wäre. Als Favorit hat er allerdings auch am meisten zu verlieren.
Der Vizekanzler gleicht mit seinem knochentrockenen, kompetenten und emotionsarmen Stil am ehesten der scheidenden Kanzlerin. Seine Strategie für die Wahl fusst denn auch darauf, dass die Deutschen nicht in Laschet, dem Kandidaten von Merkels eigener Partei, deren natürlichen Nachfolger sehen, sondern in ihm – dem Genossen Scholz. Auf Scholz’ neustem Wahlplakat steht es weiss auf rot: «Er kann Kanzlerin.»
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