Urnengang in KatalonienAuch Menschen mit Corona sollen im Wahllokal ihre Stimme abgeben
Die Katalanen sollen trotz hoher Infektionszahlen abstimmen. Experten rechnen damit, dass nur wenige Menschen an die Urnen gehen werden. Die Wahlhelfer springen reihenweise ab.
Der Wahlkampf in Katalonien fällt kurz aus: Vor einer Woche erst hat Spaniens oberstes Gericht entschieden, dass die Wahl trotz Pandemie am 14. Februar stattfinden soll. Trotz Pandemie, das heisst: Obwohl derzeit knapp 37’000 aktive Corona-Infektionen in Katalonien bekannt sind und obwohl die 7-Tage-Inzidenz auch im Shutdown weiterhin bei 200 liegt. Die Pandemie wird die Wahl in Katalonien nicht nur überschatten, sie dürfte am Ende als wichtiger Faktor auch den Wahlausgang selbst beeinflussen.
Dreieinhalb Jahre nachdem die damalige Regierung unter Carles Puigdemont die Unabhängigkeit Kataloniens auszurufen versucht hat, wählt Katalonien am nächsten Sonntag ein neues Parlament. Die Neuwahl wurde notwendig, weil die spanische Justiz Puigdemonts Nachfolger Quim Torra im September wegen Ungehorsams seines Amtes enthoben hatte. Der Streit zwischen Barcelona und Madrid schwelt seitdem weiter. Wie wichtig Ministerpräsident Pedro Sánchez eine endgültige Befriedung der Region ist, zeigt sich schon allein daran, dass er seinen Gesundheitsminister Salvador Illa als Kandidaten für die Sozialisten in den Wahlkampf geschickt hat. Wenn Illa künftig Präsident in Katalonien wird, hat Sánchez von dort nicht mehr allzu viel Ärger zu befürchten. Sánchez kalkuliert mit dem Faktor Pandemie: Illa hat sich durch seine zurückhaltende Krisenbewältigung beliebt gemacht, aktuellen Umfragen zufolge gilt er als Favorit.
Gefängnisstrafe von bis zu einem Jahr
Doch die Coronavirus-Pandemie wirkt sich auch ganz praktisch auf die bevorstehende Wahl aus – und könnte sie im schlimmsten Fall sogar noch verhindern. «Bis um 9 Uhr morgens am Wahltag wissen wir nicht, ob die Wahl tatsächlich stattfinden kann», sagte der Chef der Wahlkommission in Kataloniens Hauptstadt Barcelona in einem Interview mit «La Vanguardia». Gerade springen reihenweise die Wahlhelfer ab. Ein Viertel der per Losverfahren ermittelten Wahlhelfer hat bereits ärztliche Atteste eingereicht, um sich von der Pflicht freistellen zu lassen. Wer einfach nicht erscheint, dem droht eine Gefängnisstrafe von bis zu einem Jahr. Wahlhelfer zu sein, ist eigentlich eine Pflicht, der man nicht so leicht entkommt.
Doch viele haben Angst, sich anzustecken. Schliesslich dürfen der nationalen Wahlkommission zufolge explizit auch Menschen mit aktiver Corona-Infektion ihre Quarantäne unterbrechen, um im Wahllokal ihre Stimme abzugeben. «Die lokalen Wahlbehörden sind sehr besorgt», sagt Ismael Peña-López, Chef der Wahldurchführungsbehörde. Er sucht derzeit nach Möglichkeiten, neue Wahlhelfer zu rekrutieren. Für einen zweiten Losdurchlauf ist die Zeit zu knapp; das Militär darf für Wahlen nicht herangezogen werden. Unter normalen Umständen würden einfach jene Wählerinnen und Wähler zwangsrekrutiert, die morgens als erste ihre Stimmen abgeben. Aber bei dieser Wahl unter pandemischen Bedingungen wurden Zeitkorridore festgelegt: Am Morgen sollen zunächst die Risikogruppen wählen gehen. Gerade diese kann man aber nicht zwingen, elf Stunden im Wahllokal zu sitzen.
Auch die möglicherweise sehr niedrige Wahlbeteiligung bereitet Peña-López Sorge. Er rechnet mit einem deutlichen Rückgang im Vergleich zu den 79 Prozent, die 2017 in Katalonien ihre Stimme abgaben. Damals war die Stimmung in der Frage der Unabhängigkeit aufgeheizt, die Lage war anders als heute, wo die Folgen der Pandemie als Wahlkampfthemen mehr in den Vordergrund rücken. Die Polarisierung hat nachgelassen: In den jüngsten Umfragen stellen die Unentschlossenen die grösste Gruppe, dann erst kommen die Anhänger des früheren Gesundheitsministers Illa und die des derzeit regierenden Linksrepublikaners Pere Aragonès.
Es droht eine Zeit der Unruhe
«Problematisch wird es vor allem, wenn einzelne Bevölkerungsgruppen, seien es bestimmte Altersgruppen oder die Bewohner bestimmter Regionen, nicht zur Wahl gehen», sagt Peña-López. Seine Behörde wirbt für die Briefwahl. Fällt die Wahlbeteiligung dennoch zu gering aus, droht Katalonien eine Zeit der Unruhe: Dann könnten Parteien das Ergebnis angreifen. Die regierenden Linksrepublikaner hatten vor der Wahl dafür gekämpft, diese zu verschieben, und damit gedroht, dass bei einer niedrigen Wahlbeteiligung die Legitimität der Abstimmung nicht gesichert sei.
Fehler gefunden?Jetzt melden.