Schüsse auf RegierungschefFico ansprechbar, Täter politisch motiviert – was zum Attentat bekannt ist
Der Angriff auf den slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico hat grosse Bestürzung ausgelöst. Der aktuelle Wissensstand.
Ficos Zustand
Nach dem Attentat auf den slowakischen Regierungschef Robert Fico schwebt der Politiker weiter in Lebensgefahr. «Sein Zustand ist nach wie vor ernst», sagte der gewählte slowakische Präsident Peter Pellegrini, er Fico am Donnerstag im Krankenhaus besucht hat. «Ich habe mit ihm nur einige Minuten gesprochen, weil die Ärzte mich um einen kurzen Besuch gebeten haben.» Die Situation sei weiter sehr kritisch. «Vor dem Regierungschef liegen schwierige Stunden und Tage», sagte Pellegrini. «Es war ein sehr persönliches Gespräch, er war sehr müde.»
Eine Krankenhaussprecherin teilte zuvor mit, Fico sei fünf Stunden lang operiert worden. Slowakische Medien hatten am frühen Morgen berichtet, Fico habe nach der Operation wieder das Bewusstsein erlangt.
Fico hat bei dem auf ihn verübten Attentat mehrere Schussverletzungen erlitten. Seine Genesung könne wegen der Folgen dieser Verletzungen schwierig werden, sagte Krankenhausdirektorin Miriam Lapunikova am Donnerstag in der Regionalhauptstadt Banska Bystrica.
Die Reaktionen
Nach dem Schussattentat auf Ministerpräsident Robert Fico hat die slowakische Regierung eine Sondersitzung ab 11.00 Uhr anberaumt. Zeitgleich soll auch der nationale Sicherheitsrat über die Lage beraten. Dem nationalen Sicherheitsrat gehören neben dem Regierungschef die Minister für Inneres und Verteidigung sowie weitere Minister aller drei Koalitionsparteien an.
In der Slowakei kam die ansonsten hitzig geführte politische Debatte zum Stillstand. Eine turbulente Parlamentssitzung wurde am Mittwochnachmittag abgebrochen und auf unbestimmte Zeit vertagt. Die liberalen Oppositionsparteien sagten vorerst alle politischen Kundgebungen ab. Ursprünglich hatten sie just für Mittwochabend zu einer Massendemonstration gegen die vom Linkspopulisten Fico geführte Regierung und deren Plan einer Auflösung des öffentlich-rechtlichen Radios und Fernsehens RTVS aufgerufen.
US-Präsident Joe Biden sprach von einer «schrecklichen Gewalttat». «Unsere Gedanken sind bei seiner Familie und dem slowakischen Volk», erklärte er. Das Attentat auf Fico löste auch international Bestürzung aus. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz nannte das Attentat auf Fico «unerträglich». «Ich wünsche ihm, dass er sich gut von diesem feigen Anschlag erholt», sagte Scholz.
Die Tat
Fico war um etwa 14.30 Uhr von einem Attentäter angeschossen worden, als er sich nach einer Kabinettssitzung im Kulturhaus der Kleinstadt Handlova ins Freie begab, um wartende Anhänger zu begrüssen. Das Lokalfernsehen RTV Prievidza veröffentlichte ein Video vom Tathergang: Zu sehen ist, wie sich ein Mann an den Zaun drängt und aus unmittelbarer Nähe auf den Ministerpräsidenten schiesst.
Nach Augenzeugenberichten soll der Täter den Politiker laut zu sich gerufen und dann aus unmittelbarer Nähe fünf Schüsse auf ihn abgegeben haben. Der Regierungschef habe ein sogenanntes «Polytrauma», also mehrere schwere Verletzungen erlitten, teilte der Innenminister den Medien mit.
Der Täter
Berichten zufolge soll es sich bei dem Täter um einen 71-Jährigen namens Juraj C. handeln, ehemals Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes. Offiziell bestätigt wurde das zunächst nicht. Der Innenminister sagte bloss, der Täter habe «ein klar politisches Motiv» gehabt, das habe eine erste Vernehmung ergeben.
Der Sohn des Mannes erklärte gegenüber dem slowakischen Nachrichtenportal «aktuality.sk», sein Vater besitze legal eine Waffe. Auf die Frage, ob sein Vater Hass auf Regierungschef Fico verspüre, antwortete er: «Er hat ihn nicht gewählt, mehr kann ich dazu nicht sagen.»
Der TV-Nachrichtensender TA3 und andere Medien bekamen eine Videoaufnahme aus der Polizeistation zugespielt. Darin sagt der benommen wirkende mutmassliche Attentäter: «Ich stimme der Regierungspolitik nicht zu.» Als Beispiel nannte er mit undeutlicher Stimme die von der Regierung geplante Medienreform, gegen die seit Wochen Tausende Menschen demonstrieren. Auch die Frau des mutmasslichen Täters wurde nach Medienberichten von der Polizei verhört.
Fico hatte erst vor Kurzem der liberalen Opposition vorgeworfen, ein Klima der Feindschaft gegen seine Regierung zu schüren. Es sei nicht auszuschliessen, dass es angesichts der aufgeheizten Stimmung irgendwann zu einer Gewalttat komme.
Das Opfer
Fico ist Gründer und Chef der zuletzt immer nationalistischer gewordenen Linkspartei Smer-SSD und seit fast 30 Jahren einer der beliebtesten Politiker der Slowakei. Er polarisiert aber zugleich wie kaum ein anderer. Gegner nennen ihn «prorussisch» und werfen ihm vor, die Slowakei auf einen ähnlichen Kurs wie Ungarn unter der Ägide des mit autoritären Mitteln regierenden Ministerpräsidenten Viktor Orban führen zu wollen.
Tatsächlich aber hat die Slowakei im Unterschied zu Ungarn seit Ficos Rückkehr an die Regierung im Oktober alle EU-Sanktionen gegen Russland mitgetragen und auch allen EU-Hilfen für die Ukraine zugestimmt – einschliesslich der Verwendung eingefrorener russischer Gelder für die Ukraine und Befürwortung eines Beitritts der Ukraine zur EU, nicht aber zur Nato. Die Sanktionen gegen Russland lehnt Fico entgegen irreführender Medienberichte nicht grundsätzlich ab. Er kritisiert aber, dass manche von ihnen der von russischem Gas, Öl und Uran abhängigen Slowakei mehr schaden als Russland selbst. Stattdessen verlangt er Sanktionen, die Russland empfindlicher treffen.
DPA/AFP/aeg
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