Vorfall in DeutschlandAttentäter von Halle nimmt Geiseln im Gefängnis
Der Rechtsextreme tötete während eines Terroranschlags auf eine Synagoge zwei Menschen. Nun hat er in einer Haftanstalt zwei Beamte als Geiseln genommen.
Der Halle-Attentäter Stephan B. hat in einem deutschen Hochsicherheitsgefängnis zeitweise Geiseln in seine Gewalt gebracht. Ein Sprecher des Justizministeriums in Magdeburg bestätigte am Dienstag, dass es sich bei dem Geiselnehmer um B. handelte. Dem Ministerium zufolge nahm der 30-Jährige am Montagabend in der Justizvollzugsanstalt Burg in Sachsen-Anhalt zeitweise zwei Justizbeamte als Geiseln.
Das Justizministerium des Bundeslandes bestätigte entsprechende Angaben aus Sicherheitskreisen. Demnach brachte Stephan B. am Montagabend gegen 21.00 Uhr während des regulären Nachtverschlusses der Zellen einen Justizbediensteten «unter Androhung des Gebrauchs eines Tatmittels» in seine Gewalt und forderte, ihn aus dem Hafthaus auf den Freistundenhof zu bringen. Dort habe der Gefangene «unter Vorhalten des Tatmittels» einen anderen Bediensteten aufgefordert, Türen von Zwischenbereichs-Zaunanlagen zu öffnen, sagte Wolfgang Reichel, Abteilungsleiter im Justizministerium.
Im Innenbereich der Anstalt sei B. dann aber nicht weiter vorangekommen und eine halbe Stunde nach der Geiselnahme überwältigt worden. Dabei sei der 30-Jährige verletzt worden, jedoch nicht schwerwiegend. Er wurde in einen gesondert gesicherten Haftraum gebracht, wo er rund um die Uhr überwacht wird.
Die Geiseln blieben demnach äusserlich unverletzt. Womit B. die Justizbeamten bedrohte, wurde zunächst nicht bekannt. Dazu müssten noch die Ermittlungen abgewartet werden.
Landesjustizministerin Franziska Weidinger zeigte sich betroffen, dass der Gefangene seine Grundhaltung offenbar kein Stück geändert habe «und ohne Rücksicht auf Leib und Leben anderer agiert», sagte die Ministerin. Im Justizvollzug sei bekannt, welche Gefahr von B. ausgehe. «Der Gefangene wurde und wird engmaschig vollzuglich betreut und kontrolliert.» Auch sein Verhalten werde regelmässig bewertet.
Am 9. Oktober 2019 hatte der rechtsextreme Stephan B. versucht, die Synagoge in Halle zu stürmen und am höchsten jüdischen Feiertag, Jom Kippur, die versammelten Gemeindemitglieder zu erschiessen. Der Anschlag scheiterte an der gesicherten Synagogentür und Ladehemmungen der selbstgebauten Waffen, die B. für die Morde konstruiert hatte. Im Anschluss erschoss B. zwei Menschen in der Stadt.
Vor zwei Jahren wurde B. zu lebenslanger Haft mit anschliessender Sicherungsverwahrung verurteilt. Das Gericht stellte zudem die besondere Schwere der Schuld fest, was eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren unwahrscheinlich macht.
Fluchtversuch vor Prozessbeginn
Bereits in der Vergangenheit gab es Zwischenfälle mit Stephan B. Ende Mai 2020 unternahm er noch vor dem Prozess einen Fluchtversuch aus der Justizvollzugsanstalt Halle. Dabei überkletterte er unbeaufsichtigt einen mehrere Meter hohen Zaun. B. wurde anschliessend in das Gefängnis nach Burg verlegt und sollte dort schärfer überwacht werden.
Die JVA Burg wurde laut Ministerium auf einem 220’000 Quadratmeter grossen Gelände nahe der Autobahn A 2 errichtet und hat 658 Haftplätze. Die Haftanstalt, die 2009 in Betrieb ging, gilt demnach als eine der modernsten und sichersten in Europa.
Linke und Grüne forderten eine umfassende Aufarbeitung der Geiselnahme durch den Halle-Attentäter. Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, Sebastian Striegel, zeigte sich «extrem beunruhigt» über den erneuten «schwerwiegenden Sicherheitsvorfall» durch B. Er gehe davon aus, dass der Rechtsausschuss des Parlaments zügig zu einer Sondersitzung zusammenkommen wird.
Auch Linken-Fraktionschefin Eva von Angern forderte eine Sitzung des Rechtsausschusses und «vollumfängliche» Auskunft von Justizministerin Franziska Weidinger (CDU). Die Ministerin müsse «jetzt alles dafür unternehmen, dass der aktuelle Vorfall aufgearbeitet und Schwachstellen behoben werden».
AFP/SDA/aru
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