Vorwürfe gegen die Schweiz Attacken aus den USA prallen an Schweizer Parlamentariern ab
Schweizer Aussenpolitiker kontern die Kritik der US-Politik, die Schweiz schütze Russland und dessen Präsident Putin. Nationalrat Hans-Peter Portmann sieht darin einen Angriff auf den Finanzplatz.
Gelassenheit klingt anders. Als ein Journalist am Mittwoch Bundesratssprecher André Simonazzi auf die Kritik der Washingtoner Helsinki-Kommission, die sich für Sicherheit und Kooperation in Europa einsetzt, ansprach, reagierte dieser gereizt. Er war aber bestens vorbereitet und betonte, der Bundesrat weise die Anschuldigung, eine «führende Helferin» des russischen Präsidenten Putin zu sein, «mit aller Entschiedenheit» zurück. Bundespräsident Ignazio Cassis habe dies bei einem Telefongespräch auch dem US-Aussenminister Antony Blinken mitgeteilt.
Warum diese Nervosität? Befürchtet man in Bern, in der US-Politik komme eine ähnliche Dynamik auf wie in den 1990er-Jahren, als die Schweiz wegen ihrer Rolle im Zweiten Weltkrieg und der nachrichtenlosen Vermögen plötzlich weltweit am Pranger stand?
«Es geht US-Politikern nur darum, eigene Wirtschaftsinteressen durchzusetzen und den Schweizer Finanzplatz schlechtzumachen.»
Unter den Parlamentarierinnen und Parlamentariern im Bundeshaus weiss man weder besonders viel über die Helsinki-Kommission noch über deren aktuelle Anschuldigungen. Nicht einmal der Vizepräsident der Aussenpolitischen Kommission, Hans-Peter Portmann, kann die Angelegenheit richtig einordnen. Der Zürcher FDP-Nationalrat fragt sich, «welche Legitimation diese Kommission» überhaupt habe. Deren Aktivitäten könnten jedenfalls keine internationalen Auswirkungen haben. Persönlich rät er darum zu einem gelassenen Umgang mit den Anschuldigungen. Er vermutet, es gehe einer Gruppe von US-Politikern lediglich darum, eigene Wirtschaftsinteressen durchzusetzen und den Schweizer Finanzplatz schlechtzumachen und zu schwächen.
Portmann stört sich darüber hinaus, dass die Kommission den Basler Strafrechtsprofessor Mark Pieth angehört hat. Er habe «weder die Legitimation noch das Fachwissen, über den Schweizer Finanzplatz zu sprechen», so Portmann. Die Kommission hätte genauso gut Jean Ziegler einladen können und vermutlich dasselbe zu hören bekommen, sagt Portmann.
«Wir leiden unter Altlasten.»
Elisabeth Schneider-Schneiter ist erstaunt ob des Vorwurfs aus den USA. Die Schweiz habe in den letzten Jahren im Bereich der Geldwäscherei und Steuerhinterziehung viel unternommen, sagt die Mitte-Nationalrätin. Doch offenbar sei das im Ausland noch nicht überall angekommen. «Wir leiden unter den Altlasten.»
Für die Baselbieter Aussenpolitikerin ist dieser Angriff aber die Bestätigung dafür, dass die Schweiz neben der Übernahme der EU-Sanktionen auch unilaterale Sanktionen beschliessen müsse. Das nütze der Reputation. Trotz allem bezweifelt sie, dass diese Vorwürfe der Beziehung der Schweiz zu den USA schaden.
«Ich würde mir wünschen, dass der Bundesrat zum Ukraine-Konflikt eine klarere Sprache sprechen würde.»
Niklaus Gugger gehörte der parlamentarischen Delegation aus der Schweiz an, die kürzlich unter Führung der grünen Nationalratspräsidentin Irène Kälin die Ukraine besucht hat. Für den EVP-Nationalrat haben die Anschuldigungen der Helsinki-Kommission allenfalls symbolischen Wert, weil die meisten Kommissionsmitglieder aus dem amerikanischen Parlament stammen. Der Bundesrat habe diese Behauptungen in aller Deutlichkeit zurückgewiesen. «Ich würde mir allerdings wünschen, dass der Bundesrat zum Ukraine-Konflikt eine klarere Sprache sprechen würde. Offenbar irritiert die Schweiz mitunter durch ihr Verhalten», sagt Gugger.
Grundsätzlich teilt Gugger die Meinung des Bundesrats, dass sich die Schweiz im internationalen Vergleich nicht schämen müsse. Er kritisiert aber, dass die Schweiz bis heute beispielsweise keine Schutzwesten für Zivilpersonen liefere und nicht unverzüglich mit der EU kooperiert habe. Gerade bei den Sanktionen im Finanzbereich gegen russische Oligarchen sei hier vermutlich wertvolle Zeit verloren gegangen. Bis heute sei etwa auch Russia Today in der Schweiz nicht gesperrt. Und von aussen sei es nur schwer einzuschätzen, wie stark die Schweiz im Vergleich zu anderen Staaten in der Umsetzung der Sanktionen sei.
«Die 190 Milliarden Franken unblockierter russischer Vermögen auf Schweizer Banken stammen sicher nicht von Kleinsparern.»
Der Genfer Ständerat Carlo Sommaruga (SP) ist selbst am Hearing der Helsinki-Kommission aufgetreten. Er betont, die Schweiz habe nach dem Rückzug Russlands aus dem Europarat die Rechtshilfe an Russland umgehend ausgesetzt.
In einem Punkt kann er die Kritik aus den USA aber nachvollziehen: Sommaruga kritisiert, dass in der Schweiz lediglich 10 Milliarden Franken russischer Vermögen blockiert worden seien, obschon die Schweizerische Bankiervereinigung die russischen Bankvermögen mit 200 Milliarden Franken beziffert habe. Bei den nicht blockierten 190 Milliarden Vermögen handle es sich kaum um Ersparnisse von russischen Kleinsparern, sagt Sommaruga.
Er sieht strukturelle Probleme in der Schweizer Gesetzgebung. Um effektiv gegen Vermögen vorzugehen, fordert er, allenfalls Gesetze zu revidieren, darunter insbesondere das Geldwäschereigesetz. Dafür brauche es aber Druck aus dem Ausland auf die Schweiz, so der Genfer Sozialdemokrat.
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