Iranische ProvokationenAtomabkommen steht auf der Kippe
Joe Biden und die Europäer treffen auf Widerstand der Hardliner im Iran. Die nächste Woche könnte bereits entscheidend sein dafür, ob das Vertragswerk noch eine Zukunft hat.
US-Präsident Joe Biden ist angetreten mit dem Ziel, das Atomabkommen mit dem Iran wieder zum Leben zu erwecken. Doch es sieht zunehmend so aus, als könnte Biden am Ende derjenige sein, der den Deal endgültig beerdigen muss. Das war seinem Vorgänger Donald Trump nicht gelungen, weil die Europäer eisern an dem Vertrag festhielten. Inzwischen aber hat es auch im Iran Wahlen gegeben, und die Hardliner um Präsident Ebrahim Raisi machen keine Anstalten, die Verhandlungen in Wien wieder aufzunehmen.
Die nächste Woche könnte bereits entscheidend sein dafür, ob das von den Europäern als Meisterwerk multilateraler Diplomatie gefeierte Vertragswerk noch eine Zukunft hat. In Wien trifft sich dann der Gouverneursrat der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA). Und vom Ausgang dieser Sitzung des mit 35 Botschaftern besetzten Gremiums hängt viel ab, womöglich alles. Raisi, Präsident des Iran, hat die Europäer gewarnt, sie könnten bei einem «kontraproduktiven Vorgehen bei der IAEA vom Iran keine konstruktive Reaktion erwarten», und natürlich könne ein solches Vorgehen auch «den Verhandlungsweg stören».
Die Batterien der Kameras sind fast leer
Zu verhindern gedenkt Raisi mit derlei Drohungen eine Resolution des Gouverneursrates, die Teherans Verhalten gegenüber der IAEA verurteilt. Schon bei der Sitzung im Juni stand eine solche Resolution im Raum. Die Europäer verzichteten aber darauf, um die damals weit fortgeschrittenen Gespräche mit der Regierung von Präsident Hassan Rohani über das Abkommen nicht zu beeinträchtigen. Doch diesmal würden sie mit dieser Taktik die Autorität der IAEA und ihres Generaldirektors Rafael Mariano Grossi untergraben. Moskaus Botschafter hat dessen ungeachtet schon angekündigt, gegen jede Resolution zum Iran zu stimmen.
Grossi hat den schärfsten Bericht über Teherans Atomprogramm seit Jahren vorgelegt. Er bescheinigt Teheran darin nicht nur, seit zwei Jahren bei der Aufklärung offener Fragen zu mauern, die seine Inspektoren stellten, nachdem sie an mehreren Orten Spuren von Uran gefunden haben. Daran knüpft sich der Verdacht, dass es in der Vergangenheit weitere bislang nicht bekannte Aktivitäten im Iran gegeben hat, die zur Entwicklung von Atomwaffen gedient haben könnten.
Schwerer wiegen aber noch zwei andere Kapitel, die direkt im Zusammenhang mit dem Atomabkommen stehen. Zum einen hat der Iran die Inspektionen durch die IAEA drastisch eingeschränkt. Die Regierung Rohani hat den Inspektoren aber erlaubt, Kameras zur Überwachung der Atomanlagen weiterzubetreiben – die Aufzeichnungen sollte die Behörde nach einer Einigung über eine Rückkehr zum Abkommen erhalten. Sie könnte so sicherstellen, dass kein spaltbares Material abgezweigt wurde. Die Batterien der Kameras aber sind inzwischen erschöpft, die Speicherkarten voll.
Uran auf 60 Prozent angereichert
Grossis Bitten um einen Termin in Teheran hat der Iran bisher ignoriert, auch ob Raisi der IAEA Zugang zu den Daten gewähren will, ist offen. Eine lückenlose Überwachung aber ist Bedingung für die Rückkehr zum Abkommen. Die zweite ist, dass es noch seinen Zweck erfüllt, den Iran auf deutlichem Abstand zu halten von der Fähigkeit, eine Bombe zu bauen. Die Beschränkungen des Abkommens sollten zusammengenommen garantieren, dass mindestens ein Jahr Zeit bleibt, sollte der Iran diesen Weg einschlagen.
Davon ist nicht viel übrig. Der Iran hat inzwischen Uran auf 60 Prozent angereichert – im Abkommen erlaubt und für zivile Zwecke ausreichend sind 3,5 Prozent, für Waffen braucht man 90 Prozent. Auch wandeln Wissenschaftler angereichertes Uran in Metall um – angeblich, um daraus Brennelemente für den Forschungsreaktor Teheran herzustellen. Dafür jedoch, so schreibt die IAEA in dem Bericht, sei das Material gar nicht geeignet – für den Bau der Bombe aber muss man diesen Prozess beherrschen.
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