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Chaos in München
Champions League ohne die Bayern? Sogar das ist nun denkbar

HEIDENHEIM, GERMANY - APRIL 06: Harry Kane of Bayern München looks dejected following defeat in the Bundesliga match between 1. FC Heidenheim 1846 and FC Bayern München at Voith-Arena on April 06, 2024 in Heidenheim, Germany. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images
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In der «Süddeutschen Zeitung» dominiert ein Bild belämmerter Münchner Spieler die Frontseite vom Montag. «Wer san mia?», ist die Frage dazu.

In der «Bild»-Zeitung dominiert eine Schlagzeile die Frontseite. Sie heisst: «Bayern versinkt im Chaos.»

Und was ist passiert? Bayern München hat ein Bundesligaspiel verloren, nicht mehr, nicht weniger. Aber weil es in Heidenheim passiert ist, nach einer 2:0-Führung zur Pause, und drei Tage vor dem Champions-League-Spiel am Dienstag bei Arsenal, ist die Aufregung rund um den deutschen Rekordmeister halt wieder einmal besonders gross.

Gut, wann ist sie das nicht? Denn in seinem Fall ist alles immer viel grösser als bei jedem anderen Club in Deutschland, gerade das Ergötzen, wenn es ihm nicht gut geht. Und in dieser Saison geht es ihm gar nicht gut, zumindest nicht für seine Verhältnisse.

Er ist nur Zweiter in der Bundesliga und empfindet das selbst schon als Scham. Als er vor einem Jahr auf dem Weg zu seiner elften Meisterschaft in Folge war, wies er 59 Punkte nach 28 Runden aus. Jetzt hat er einen Punkt mehr gewonnen. Chaos? Wer san mia?

Das interessiert keinen, nicht einmal die Münchner selbst. Weil es in dieser Saison ein Bayer Leverkusen gibt, das ihnen eine Lektion in Sachen Kaderplanung und Fussballästhetik erteilt und sie schon um 16 Punkte distanziert hat. Welten liegen sie hinter einem Club zurück, der den Trainer hat, den sie für die neue Saison so unbedingt möchten und doch nicht bekommen. Xabi Alonso beweist, dass er keiner ist, der gleich davonrennt, wenn sie mit dem Checkbuch winken.

Eberls frühe Ernüchterung

Zum Saisonstart haben die Bayern den Supercup verloren, daheim gegen Leipzig nach einem 0:3. Im November schon sind sie im Cup ausgeschieden, beim Drittligisten Saarbrücken. Die Meisterschaft müssen sie inzwischen auch vergessen, nach diversen herben Niederlagen. Darum ist es schon so weit gekommen, dass Max Eberl daran erinnert, diese Saison zumindest einmal auf einem Champions-League-Platz zu beenden.

Eberl ist erst seit März der Sportvorstand bei den Bayern, seinem Kindheitsverein. Nach vielen Jahren in Mönchengladbach und einem kurzen Gastspiel in Leipzig ist er auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Aber er hat schnell erkennen müssen, was an Arbeit zu erledigen ist. Nicht nur der Trainer muss im Sommer neu werden, auch die satt gesiegte Mannschaft braucht tiefgehende Veränderungen.

MUNICH, GERMANY - FEBRUARY 27: Max Eberl (2nd L), Board Member for Sport FC Bayern München poses with Herbert Hainer (L), President of FC Bayern München, Jan-Christian Dreesen, CEO of FC Bayern München and Michael Diederich (R), FEO of FC Bayern München at the field of play of the Allianz Arena after a press conference in which Eberl is introduced as the new Board Member for Sport on February 27, 2024 in Munich, Germany. The 50-year-old has signed a contract with the German record champions until 30 June 2027. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Die Niederlagen daheim gegen Dortmund und vor allem in Heidenheim haben ihn ernüchtert. «Das ist nicht das Bayern München, wie ich es kenne», sagt er. «Fussball ist ein einfaches Spiel: zwei Tore, ein Ball, Moral und Laufbereitschaft, alles geben, was man hat. Das tun wir nicht.» Wenn sie das nicht ändern, brauchen sie aus seiner Sicht auch gar nicht gegen Arsenal anzutreten: «Wir müssen richtig den Turnaround schaffen, damit wir da nicht richtig auf die Nase bekommen.»

Thomas Tuchel trägt als Trainer die Verantwortung, dass die Spieler im mondänen Emirates Stadium anders auftreten als auf der Schwäbischen Alb gegen Heidenheim. Es gibt Experten, die halten das für falsch, angefangen bei Dietmar Hamann, dem grössten aller Tuchel-Kritiker.

Das Dilemma der Bayern

Stefan Effenberg dagegen appelliert an die Ehre der Spieler, «nochmals alles rauszuhauen». Am Sonntagmorgen im «Doppelpass» von Sport 1, wo der alte Leitwolf des Rekordmeisters als Experte Heimrecht geniesst, sagte er: «Es steht nicht nur ein Weiterkommen auf dem Spiel, sondern ein Stück weit auch die Zukunft des FC Bayern München.» Kleiner geht es auch für ihn nicht.

Aber eben, es geht ganz viel um Tuchel, eigentlich seit dem ersten Tag. Und der ist noch nicht einmal so lange zurück. Am 23. März vergangenen Jahres wurde er Nachfolger von Julian Nagelsmann. Dass Nagelsmann zu dem Zeitpunkt noch um drei Titel kämpfte, interessierte die Chefs Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic nicht. Sie entliessen den Trainer, als der in den Skiferien war.

Tuchel sagt bei seiner Vorstellung: «Die DNA ist klar definiert: Es geht ums Gewinnen.» Er verliert schnell, im Cup, in der Champions League, und sichert sich mit Ach und Krach bloss die Meisterschaft.

Seine Verbündeten Kahn und Salihamidzic werden noch am letzten Spieltag vom Hof gejagt. Das hilft ihm auf dem weiteren Weg so wenig wie seine erratische Persönlichkeit. Einmal ist er «schockverliebt» in die Mannschaft, dann stellt er sie mit seinen Analysen bloss. Im Sommer bekommt er wohl für 100 Millionen Euro Starstürmer Harry Kane, aber keinen defensiven Mittelfeldspieler. Dafür desavouiert er Spieler wie Joshua Kimmich und Leon Goretzka, auf die er noch angewiesen wäre.

Im Februar einigen sich Trainer und Verein darauf, sich Ende Saison zu trennen. «Klarheit schafft Freiheit», verkündet Tuchel. Die Aufbruchstimmung, die er damit andeutet, beflügelt die Spieler nicht wirklich. Sie bleiben in ihren Leistungen ein Rätsel wie der Trainer in seinen Auftritten.

Für sein letztes Vertragsjahr erhält Tuchel offenbar eine Abfindung von 10 Millionen Euro. Wenigstens das haben die Bayern geregelt. Aber sonst stehen sie vor der monumentalen Aufgabe, die Neuausrichtung zu definieren. Und da tut sich ein Dilemma auf: Neue Spieler wollen wissen, wer der neue Trainer ist. Der neue Trainer will wissen, welche Spieler er zur Verfügung hat. Genau in dem Zusammenhang sagt Eberl: «Soll ich dem neuen Trainer sagen, wir spielen auf jeden Fall Champions League? Das kann ich ihm nicht versprechen.»

Der Fingerzeig von Hoeness

Ja, der Neue: Wer wird das bloss? Zinédine Zidane? Roberto De Zerbi? Ralf Rangnick? Roger Schmidt? José Mourinho? Die Spekulationen um Namen hat Eberl schon «pervers» und «kurios» genannt. Den Gipfel des Absurden hat «Bild» mit dem Vorschlag erreicht, Thomas Müller zum Spieler-Trainer zu machen.

Noch in diesem Monat will Eberl zusammen mit seinem Sportchef Christoph Freund den Bossen ein Ergebnis seiner Recherchen vorlegen. Von den Bossen, die mitreden und entscheiden, gibt es ungefähr so viele wie Spekulationen: angefangen bei den alten Patriarchen Uli Hoeness und Karl-Heinz Rummenigge.

LEVERKUSEN, GERMANY - MARCH 19: head coach Julian Nagelsmann of Bayern Muenchen gestures during the Bundesliga match between Bayer 04 Leverkusen and FC Bayern München at BayArena on March 19, 2023 in Leverkusen, Germany. (Photo by Stefan Brauer/DeFodi Images via Getty Images)

Eberl steht Hoeness besonders nahe. Hoeness ist in letzter Zeit nicht müde geworden, die damalige Entlassung von Nagelsmann als Fehler zu bezeichnen. Das dient als Brandbeschleuniger für die Vermutung, ebendieser Nagelsmann könnte zu den Bayern zurückkehren, die ihn trotz eines bis 2026 laufenden Vertrags und hochtrabender Pläne davongejagt hatten. Inzwischen ist er der 36-jährige Nationaltrainer, der Deutschland auf die EM vorbereitet. Dass er gerne wieder einen Club übernehmen würde, sagt er unverblümt.

Noch ist Tuchel da, und der sagt am Abend vor dem Viertelfinal-Hinspiel gegen Arsenal: «Wir stehen verdient in der Kritik für unsere Leistungen im DFB-Pokal und in der Liga. Da sind die Hingabe und die Leidenschaft nicht so, wie wir das von uns erwarten. Wir spielen in dieser Saison vor allem gegen uns selber. Aber jetzt ist Champions League. Und da sind wir auf höchstem Niveau konkurrenzfähig.» Zur Warnung vergisst er nicht, noch darauf hinzuweisen, wer Arsenal ist: «Die beste Mannschaft in der besten Liga der Welt.»