Soldaten am SchwingfestArmee lässt bei Grossevents viel Geld liegen
Helfen Truppen an profitablen Anlässen wie Älplerfesten, könnte der Bund Geld für den Erwerbsersatz-Fonds verlangen. Erstaunlicherweise tut er das kaum.
Schnee stampfen, Tribünen bauen, Verletzte versorgen: Rund 20’000 Tage lang standen Armeeangehörige im vergangenen Jahr an zivilen Grossanlässen im Einsatz. Das entspricht dem Pensum von mindestens 80 Vollzeitangestellten. Profitiert davon haben eine Reihe verschiedener Veranstaltungen, vom Skirennen in St. Moritz über das Schwingfest auf der Schwägalp bis hin zur Fête des Vignerons in Vevey.
Doch für zwei Drittel dieser Diensttage war die rechtliche Grundlage zweifelhaft. Das zeigt eine bisher unveröffentlichte Auswertung des Verteidigungsdepartements (VBS), die dieser Redaktion vorliegt. Die Bedingungen, unter denen die Armee zivile Anlässe unterstützen darf, zählt das Militärgesetz auf. Die Hauptanforderung ist «ein wesentlicher Ausbildungs- oder Trainingseffekt».
Die Voraussetzung erfüllten 9 von 14 untersuchten Anlässen im vergangenen Jahr nicht: An diesen dienten weniger als die Hälfte der Diensttage der Ausbildung.
Wohl gibt es gute Beispiele. An der Fête des Vignerons etwa legten Genietruppen mit Baumaschinen Parkplätze an; schliesslich wurden sämtliche 2745 Diensttage als Training angerechnet. Auch die 270 Diensttage am Skispringen Engelberg haben Übungscharakter für die Soldaten, die eine Brücke und Tribünen bauen. «Statt im Nirgendwo eine Brücke aufzustellen, ist es sinnvoller, das an einem Event zu machen, wo sie gebraucht wird», sagt Pressechef Peter Schmidli. «Für uns ist der Beitrag der Armee existenziell.»
Problematisch wird es hingegen bei Skirennen und Schwingfesten. Am Ski-Weltcup in Adelboden bereiteten Soldaten die Rennpiste vor und steckten die Fahnen aus. Kein einziger der 700 Diensttage in Adelboden erfüllte gemäss VBS das Ausbildungskriterium, beim Weltcup am Lauberhorn waren es nur 3 Prozent, am Schwingfest auf der Schwägalp nur 6 Prozent.
Dabei führte der Bundesrat die Ausbildungsklausel 2013 als Verschärfung ein, um die Einsätze politisch zu legitimieren. Zuvor hatte die Armee ihre Angehörigen jahrelang ohne klare rechtliche Grundlage an zivile Anlässe geschickt. Das führte zu einer Kontroverse, unter anderem, weil die Soldaten Erwerbsersatz erhielten, der von sämtlichen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über Lohnabgaben mitfinanziert wird. Der Bundesrat versprach der Geschäftsprüfungskommission, genauer hinzuschauen.
«Ohne die Armee könnten die legendären internationalen Lauberhornrennen nicht mehr durchgeführt werden.»
Wie sich nun aber zeigt, versah der damalige Verteidigungsminister Ueli Maurer die schärfere Verordnung mit ziemlich elastischen internen Weisungen. Unter anderem wurde «die Führungsleistung der Kader» als Ausbildungsnutzen gewertet, wie das VBS erklärt. Die neue Departementschefin Viola Amherd hat diese Praxis nach ihrem Amtsantritt überprüfen lassen.
Das führte laut VBS-Kommunikationschef Renato Kalbermatten zum Schluss, «dass der Ausbildungsnutzen für Kader gegeben ist, die Truppe davon aber nicht in allen Fällen profitieren kann». Obschon der Ausbildungsnutzen von Einsatz zu Einsatz abweichen dürfe, «ist das VBS der Meinung, dass er bis zu einem gewissen Teil gegeben sein sollte». Nun würden die Rahmenbedingungen überarbeitet; die Details dazu seien noch nicht beschlossen.
Widersprüchliche Signale des Bundesrates
Einen Grundsatzentscheid hat der Bundesrat auf Antrag von Verteidigungsministerin Viola Amherd jedoch bereits gefällt. Statt das Ausbildungskriterium besser durchzusetzen, lässt er es kurzerhand fallen. Stattdessen schlägt er eine Ausnahmeklausel vor für Hilfe «im beschränkten Rahmen». In der Botschaft begründet er das rudimentär: Die Anlässe seien meist von nationaler oder internationaler Bedeutung und könnten ohne Armee kaum mehr durchgeführt werden. Wie beschränkt die Einsätze sein werden, ist offen. Der Bundesrat sendet dazu widersprüchliche Signale, weil er in Zukunft nicht mehr nur WK-Soldaten, sondern auch Rekruten zur Verfügung stellen will.
Die betroffenen Organisatoren machen jedenfalls geltend, auf Hilfe angewiesen zu sein. «Die Armee leistet einen unverzichtbaren Teil», sagt Lauberhorn-Medienchef Christoph Leibundgut. «Ohne Support der Armee könnten die legendären internationalen Lauberhornrennen heutzutage nicht mehr durchgeführt werden.»Gegenbeispiele aber gibt es. Das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest 2019 in Zug etwa erhielt mit 3585 Diensttagen die grösste Hilfe zugesprochen, 87 Prozent davon waren laut VBS ohne Ausbildungsnutzen.
Der dreitägige Anlass spielte 1,8 Millionen Franken Gewinn ein, mit dem unter anderem eine wohltätige Stiftung für die Zuger Bevölkerung gegründet wurde. Geschäftsführer Thomas Huwyler sagt, bei der Vorbereitung sei auf den Ausbildungsnutzen geachtet worden. Insbesondere beim Bühnenaufbau sei die Hilfe der Armee zentral: Dafür brauche es aus Sicherheits- und Versicherungsgründen Profis wie die Genietruppen.
Zwar müssen Veranstalter einen Teil der Kosten der Armee übernehmen. Das Verteidigungsdepartement könnte von den Gewinnbringenden aber zusätzlich verlangen, eine Abgeltung an den Erwerbsersatzfonds (EO-Fonds) zu leisten. Das machen die Behörden aber nur in Ausnahmefällen. Einzig die Musikshow Basel Tattoo zahlt jährlich 40’000 Franken in den Fonds, wie das VBS mitteilt. Weitere Überweisungen seien nicht bekannt oder die Gespräche liefen noch.
Das erstaunt: Immerhin erzielten auch die Eidgenössischen Schwingfeste in Burgdorf 2013 und Estavayer 2016 Gewinne von mehr als einer halben Million Franken. Bei diesem Punkt scheint das Verteidigungsdepartement nun aber genauer hinzuschauen. Thomas Huwyler vom Zuger Schwingfest bestätigt: «Wir sind im Gespräch mit dem VBS über eine Zahlung in den EO-Fonds.»
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