Dufour-Kaserne in Thun«Ohne Mampf kein Kampf» – in der grössten Militärküche der Schweiz
Knapp 2000 Personen werden hier pro Tag verköstigt. Seit Jahren wird Gemüse wichtiger. Aber wenn Essensreste retour kommen, ist es nie das Fleisch.
Bouillon mit Flädli, Ofen-Frites, Pouletflügeli und ein Maiskolben – jeder Rekrut und auch einige Rekrutinnen fassen dieses Mittagsmenü am Besuchstag in der Dufour-Kaserne in Thun. Viele von ihnen machen einen Bogen ums Buffet mit Blattsalat, Erbsen, Gurken, Kernen und Erdnüsschen.
Doch auch so sind die Portionen gross, ein Supplement gibt es nur, wenn bei der Essensausgabe etwas übrig bleibt. Wie heute: «Wer noch Flügeli will, kann jetzt Nachschub holen», sagt eine Männerstimme über Lautsprecher. Einige erheben sich, am Schluss sind alle gebackenen 2064 Stück verputzt.
In der grössten Armeeküche der Schweiz werden zu Spitzenzeiten bis zu 1900 Personen dreimal täglich verköstigt. Allein am Mittag marschieren hier alle 30 Minuten Kompanien gestaffelt ein, die während 30 Minuten essen. Die Panzerrekrutenschule hat den Waffenplatz verlassen, und andere Schulen und Kurse verpflegen sich ausserhalb des Kasernenareals, deshalb ist heute nur ein Drittel der Sitzplätze belegt.
Empfangen hat der Waffenplatzkommandant und Oberst Hans Jörg Diener mit dem vielsagenden Spruch: «Ohne Mampf kein Kampf.» Das meint er so, denn die Moral könne mit gutem Essen hochgehalten werden.
9 Franken beträgt das Essensbudget pro Person pro Tag. Das lässt keinen Luxus zu. «Wir holen das Maximum aus dem Minimum heraus», sagt Küchenchef und Wachtmeister Pascal Hirt. Fleisch gibt es einmal täglich, Dessert nur dreimal die Woche, heute eine Rhabarbermousse.
Saisonküche auch für die Rekruten
Das Küchenteam besteht aus 24 Köchen, darunter fünf Küchenchefs und vier gelernte Köche. «Sie wiederholen immer wieder die gleichen Vorgänge, denn wir bilden so viele neue Köche aus», sagt der 21-jährige Hirt, der eine Kochjacke und grüne Militärhosen trägt.
Jeden Tag werden 110 Kilogramm Brot beim Bäcker bestellt, 80 sind bereits nach dem Frühstück weg, der Rest dann spätestens nach dem Abendessen. Früher wurden die Brotreste zu Käse- und Fotzelschnitten verarbeitet. «Das harte Brot wurde zuerst in Weisswein wieder hydriert», erinnert sich Hans Jörg Diener. Das Rezept für Käseschnitten steht im alten und im neuen Kochbuch der Armee, früher wurde noch frittiert, heute werden sie im Steamer zubereitet.
Unvorstellbar gross sind die Mengen, die man für 1900 Personen benötigt. Es ist nicht einfach, zu würzen und Abwechslung auf den Teller zu bekommen. Gesunde Militärkost ist heute wichtiger als früher, auch saisongerechte: Am nächsten Tag werden grüne Spargeln auf dem Menü stehen, mit Rindshacktätschli und Pilawreis. Klassiker wie ein Pot-au-Feu – im Volksmund auch Spatz genannt – werden aber weiterhin gekocht.
Ein Blick in die Vorratskammer zeigt, mit welch grosser Kelle angerührt wird. Allein der Notvorrat, der im Fall der Fälle für eine Woche reichen sollte und nur mit Wasser angegossen werden muss, besteht aus 20 verschiedenen Menüs. Beispielsweise Riz Casimir, aber auch Quinoa oder Birchermüesli. Keiner der Anwesenden will sich auf ein Lieblingsmenü darunter festlegen. «Hunger ist der beste Koch. Draussen bei Kälte ist man froh um jedes Essen», sagt Waffenplatzkommandant Hans Jörg Diener.
Dass man im Militär schlecht esse, wie man das des Öfteren hört, weisen alle von sich. «Die Leute unterscheiden schlicht nicht zwischen dem, was sie nicht mögen, und dem, was nicht gut gekocht ist», sagt Diener. Und Dosenfleisch mit politisch inkorrekten Namen ist längst vom Speiseplan gestrichen.
Willkommen im «La Gamelle»
Tatsächlich kann die Armeeküche mehr als nur verpflegen: Im Februar gewann ein sechsköpfiges Team an der Koch-Olympiade in zwei Kategorien Gold. Der Leiter war Stabsadjutant Sascha Heimann, der das Ausbildungszentrum Verpflegung (AZV) in der Küche «La Gamelle» auf dem alten Kasernenareal f¨ührt. Drei Köche falten dort gerade Dim-Sum und waschen Kefen.
Die Aufgabe des Wettbewerbs, in fünf Stunden 120 Menüs zuzubereiten, habe sein Team gut erfüllt. «Von Vorteil war es, dass wir uns Regeln und Ansagen gewohnt sind, das hat man gut gemerkt», sagt Heimann.
Doch solch filigrane Teller, wie sie beim Kochwettbewerb in Stuttgart zubereitet haben, könne man im Alltag den Aberhunderten von Soldaten nicht bieten. Zu lange würde es dauern und die Menge wohl die hungrigen Mäuler nicht stopfen.
Heimanns Brigade hat einen anstrengenden Tag hinter sich, weil sie die Armee an der Berner Frühlingsmesse BEA vertreten hat. 80 solcher Anlässe werden pro Jahr durchgeführt. Auch bei Events mit Bundespräsidentin Viola Amherd kommt die Brigade zum Einsatz. Für die VBS-Chefin kocht man übrigens vegetarisch.
Gemüse sei seit 2004 immer wichtiger, auch das Fleisch komme ausschliesslich aus der Schweiz. «Gesund, gut und genug», sagt Hans Jörg Diener. So überzeugt wie er scheinen aber die jungen Rekruten davon nicht zu sein: Kommen Essensreste retour, seien es oft Gemüse oder Fleischersatzprodukte. «Wir machen hier den Spagat zwischen Vegetariern und begeisterten Fleischessern, das ist schwierig», sagt auch Küchenchef Pascal Hirt.
Und beim Würzen müsse man jeden Geschmack einigermassen treffen. Anfang Woche entscheiden sich die Rekruten für die ganze Woche, entweder für das vegetarische oder das normale Menü, danach könne man nicht jeden Tag nach Lust und Laune wechseln. «Schliesslich sind wir kein À-la-carte-Restaurant», sagt der Waffenplatzkommandant.
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