Archegos-Skandal vor GerichtBill Hwang führte UBS und CS an der Nase herum – nun droht ihm Gefängnis
Der US-Hedgefonds-Manager kostete die Schweizer Grossbanken 6 Milliarden Dollar. Jetzt steht er in New York vor Gericht. Dort zeigt sich, dass die Banken ihm viel zu einfach auf den Leim gingen.
Auf den ersten Blick entspricht Bill Hwang gar nicht dem, was sich viele unter einem typischen Hedgefonds-Manager vorstellen dürften. Denn mit seinen Investments will der 60-jährige US-Bürger mit koreanischen Wurzeln nicht nur Geld verdienen, sondern das Werk Gottes voranbringen. Er unterstützte mehrere Kirchen und christliche Stiftungen mit Hunderten Millionen Dollar.
Fraglich ist, ob ihm das gelungen ist. Denn Hwang steht derzeit in einem spektakulären Fall in New York vor Gericht. Als seine US-Finanzfirma Archegos Ende März 2021 kollabierte, verpufften innerhalb weniger Tage Finanzwerte im Umfang von 36 Milliarden Dollar. Hwang wird von der US-Staatsanwaltschaft unter anderem Betrug und Marktmanipulation vorgeworfen. Auf jeden dieser Anklagepunkt steht eine Höchststrafe von 20 Jahren Gefängnis. Laut Beobachtern ist es der grösste derartige Fall, der je vor einem US-Gericht gelandet ist.
Die Anklage will beweisen, dass Hwangs Antrieb alles andere als selbstlos gewesen sei. Laut US-Staatsanwältin Alexandra Rothman hat Hwang alles riskiert, weil er mehr Geld, Erfolg und Macht wollte. Es sei ihm einfach darum gegangen, eine «Legende der Wallstreet» zu werden. Dazu setzte Archegos sehr viel Geld auf wenige ausgewählte Aktien, zum Beispiel die des Unterhaltungskonzerns Viacom CBS. So sorgte er dafür, dass die Kurse stiegen. Dafür lieh sich die Firma Geld bei mehreren bedeutenden Banken. Das System implodierte, als die Kurse der Firmen zu sinken begannen und er sie mit weiteren Zukäufen nicht mehr stützen konnte.
Hwang bestreitet die Vorwürfe. Laut seinem Anwalt ist er von seinen Investments überzeugt gewesen und hat selbst den grössten Schaden erlitten, weil er einen grossen Teil seines Vermögens verloren hat.
Während der Verhandlung kann er weiter auf die Unterstützung seiner Gemeinde zählen. Zahlreiche Mitglieder sitzen laut dem christlichen Nachrichtenportal «Christianity Today» im Gerichtssaal. Einflussreiche Vertreter der Gemeinde werden im Zeugenstand auftreten. Im Saal unterhält er sich mit seinen Unterstützern, schüttelt Hände und umarmt Freunde. Hwang gibt sich gelassen.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Unbestritten ist: Besonders heftig traf die Archegos-Pleite die beiden Schweizer Grossbanken. Die UBS verlor gegen 900 Millionen Dollar. Die Credit Suisse 5,4 Milliarden Dollar. Ihr Untergang nahm durch den Crash von Hwangs Finanzvehikel Fahrt auf.
Bei den US-Finanzhäusern fiel der Schaden kleiner aus, obwohl beispielsweise Morgan Stanley Hwangs Firma mehr Geld als die Schweizer Banken lieh. Dies weil diese sich mit den Konkurrenten auf eine gemeinsame Lösung einigen wollten, während die US-Geldhäuser ohne Absprachen möglichst schnell den Ausweg suchten.
Gemeinsam ist den Banken, wie einfach sie es Hwang gemacht haben, eine so gigantische Spekulationsblase zu erzeugen. Zeuginnen und Zeugen von verschiedenen Banken und ehemalige Archegos-Mitarbeitende erzählen, wie es zu diesem gigantischen Debakel kam. Die Nachrichtenagentur Bloomberg gewährt einen Einblick, indem sie live aus dem New Yorker Gerichtssaal berichtet.
Dabei zeigen sich zwei Dinge. Ganz so selbstlos, wie sich Hwang in der Öffentlichkeit gerne gibt, scheint er nicht zu sein, und die grössten Banken der Welt haben es ihm viel zu einfach gemacht. Darauf angesprochen, schütteln hiesige Banker nur den Kopf. Es sei weitherum bekannt gewesen, dass Hwang bereits 2012 in ein Verfahren wegen Insiderhandel verwickelt gewesen sei. Wie konnte man es ihm ein paar Jahre später nur so einfach machen und ihm gigantische Kredite geben? Jede Hypothek werde genauer geprüft als die riskanten Positionen des einschlägig bekannten Traders.
Die Banken wollten es sich mit Hwang nicht verscherzen
Wer den Prozess verfolgt, dem ist die Antwort schnell klar: Die Banken wollten es sich mit dem lukrativen Kunden nicht verscherzen. Ein ehemaliger Risikomanager der UBS berichtete am ersten Prozesstag, dass die UBS die Bitte von Archegos nach zusätzlichen Finanzmitteln wohl abgelehnt hätte, hätte sie gewusst, dass 67 Prozent seines Portfolios auf eine Position entfallen. «Wir wären sehr besorgt gewesen», sagt er. Die UBS gewährte den Kredit aber dennoch. Die Begründung dafür: Die Bank habe auf seine Angaben vertraut.
Ähnlich tönt es einige Tage später von einer Bankerin der US-Investmentbank Jefferies. Sie sagte aus, dass Archegos Anfang 2021 zusätzliche Finanzmittel eingefordert habe. Die von Jefferies festgelegte Obergrenze war aber bereits erreicht. Laut der Zeugin löste dieser Antrag intern heftige Diskussionen aus. Ein Archegos-Mitarbeiter habe ihr dann versichert, dass es keine Liquiditätsprobleme bei Archegos geben würde.
Die Jefferies-Bankerin gab das Geld teilweise frei. Wenig später brach das Kartenhaus zusammen. Zu spät bemerkte die Bankerin, dass andere Banken schon zuvor zusätzliche Sicherheiten von Archegos eingefordert hatten. Ihr Entscheid war schmerzhaft: Jefferies verlor rund 40 Millionen Dollar.
Hwangs Verteidiger will von ihr wissen, ob es nicht einen anderen Grund für die Freigabe gegeben habe. Nämlich, dass es lukrativer für die Bank gewesen sei, wenn die Geschäfte von Hwang wuchsen. Dagegen wehrt sie sich. Für diesen Teil des Geschäfts sei sie nicht verantwortlich gewesen. Ihr sei es nur darum gegangen, die Bank zu schützen.
Voten wie diese dürften im Prozess noch viele auftauchen, 25 Gegenparteien sollen insgesamt aussagen. Sie decken sich mit dem CS-Bericht, der im Sommer 2021 veröffentlicht wurde, und dem Bericht der Schweizer Finanzmarktaufsicht. Darin zeigt sich, dass die Bank gar nicht so genau wusste, was in ihren Büchern schlummerte, weil sie die Risiken nicht richtig erfasste.
Erster Justiz-Deal nach CS-Ende
Offen ist, ob noch weitere Zeugen mit UBS oder CS-Vergangenheit auftreten. Die Bank kann dazu keine Auskunft geben, da sie im Verfahren keine Partei ist. Für sie ist der Fall seit dem letzten Sommer abgeschlossen. Damals wurde sie wegen der Archegos-Fehlleistungen mit den Behörden in den USA und Grossbritannien zur Kasse gebeten. Der Deal kostete sie 400 Millionen Dollar. Es war die erste von der UBS beseitigte Altlast aus dem Erbe CS.
Noch nicht ausgestanden ist die Sache aber für mehrere ehemalige CS-Manager, wie etwa den einstigen Verwaltungsratspräsidenten Urs Rohner. Ein US-Pensionsfonds versucht, sie für die Verluste zur Verantwortung zu ziehen.
Hwang steht in dem auf acht Wochen angesetzten Prozess weiter für seine Unschuld ein. Dafür gibt ihm sein Glaube die notwendige Kraft. Am ersten Prozesstag las er während der Verhandlung in den religiösen Schriften des deutschen Theologen Dietrich Bonhoeffer.
Fehler gefunden?Jetzt melden.