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Hohe Nachfrage auf Arbeitsmarkt
Zuwanderung aus der EU steigt rasant

Der Oberarzt Giovanni Carboni, aus Italien, beschaeftigt sich mit Patienten im nigelnagelneuen Intensivbehandlungs Notfall- und Operationszentrum (INO) des Inselspitals, anlaesslich einer Fuehrung im Anschluss an die Konferenz der Kantonsregierungen zur Personenfreizuegigkeit, am Freitag, 9. Januar 2009 in Bern. Eine wegweisende Abstimmung ueber die Ausdehnung der Personenfreizuegikeit auf die beiden neuen EU-Mitglieder Rumaenien und Bulgarien im speziellen und den freien Personenverkehr innerhalb Europas im allgemeinen findet am kommenden 8. Februar statt. (KEYSTONE/ Lukas Lehmann)
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Sie kommen zu Tausenden – ­vorab aus Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Polen und Rumänien. Die Zuwanderung aus der EU ist so hoch wie seit 15 Jahren nicht mehr. Von September 2022 bis September 2023 zogen netto rund 65’000 Personen hierher, wie die Ausländerstatistik des Bundes zeigt. Nur im Jahr 2008 war der Zustrom aus der EU mit 73’000 Menschen noch höher.

Generell steuert die Schweiz auf ein Rekordjahr zu. Bis Ende 2023 erwartet die Konjunkturforschungstelle (KOF) der ETH Zürich eine Nettozuwanderung «zwischen 135’000 und 150’000 Personen», wie sie kürzlich in einem Bericht schrieb. Nebst den EU-Bürgern spielen dabei auch die Flüchtlinge aus der Ukraine eine wichtige Rolle, da sie nun gemäss KOF nach einem Jahr Aufenthalt zur ständigen Wohnbevölkerung gezählt werden.

EU-Bürger kommen trotz Entlassungswelle

2008 strömten deshalb so viele EU-Bürger in die Schweiz, weil kurz davor die volle Personenfreizügigkeit eingeführt wurde. Seither gingen die Zahlen zurück – bis vor kurzem. «Die Einwanderung aus der EU ist besonders stark von der Situation auf dem Schweizer Arbeitsmarkt getrieben», sagt KOF-Ökonom Michael Siegenthaler. Im Gesundheitswesen, in der Gastronomie und in gewissen anderen Dienstleistungszweigen wie der Informatik oder Beratung seien Leute aus der EU besonders gefragt.

Dennoch häuften sich zuletzt Meldungen über Massenentlassungen. Nicht nur bei der Post und der Credit Suisse wurden viele Stellen abgebaut. Wie passt das mit der hohen Zuwanderung zusammen? «Die Kündigungswelle beschränkt sich auf einige Branchen», sagt Siegenthaler. Vor allem in Teilen des verarbeitenden Gewerbes sei die Situation düster. Insgesamt sehe es aber nach wie vor gut aus. So gibt es immer noch Bereiche, in denen viele neue Jobs geschaffen werden. Die Zahl der Stellen in der Schweiz ist innerhalb eines Jahres um über 100’000 gestiegen.

Massiv mehr Zuwanderung als erwartet

Politisch birgt die hohe Zuwanderung Zündstoff. Der Bundesrat hat diese Woche beschlossen, dass er ein Mandat erarbeiten will, um mit der EU neue Abkommen zu verhandeln. Kämen die Verträge zustande, würde dies die Zuwanderung wohl zusätzlich anheizen. Die SVP warnt schon seit Monaten vor einer 10-Millionen-Schweiz und hat mit diesem Thema die Wahlen gewonnen.

«Die Zuwanderung aus der EU ist viel zu hoch», sagt SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi.  Die Folgen seien Wohnungsnot, verstopfte Strassen und überfüllte Züge. Die Personenfreizügigkeit sei «keine Erfolgsgeschichte». Seit deren Einführung im Jahr 2002 seien netto 1,5 Millionen Menschen in die Schweiz zugewandert. «Das ist nicht mehr nachhaltig.»

Gewerkschafter sorgen sich

Mittlerweile hören selbst linke Gewerkschafter an Versammlungen den Unmut über die hohe Zuwanderung. Im Kanton Neuenburg zum Beispiel gibt es Betriebe, in denen Ausländer in der Mehrheit sind. Für Adrian Wüthrich, Präsident von Travail Suisse, ist klar, dass die Zuwanderung bei der Debatte über einen neuen Deal mit der EU «eine zentrale Rolle spielen wird». Wenn im Abstimmungskampf dann gesagt werde, die Personenfreizügigkeit sei wichtig für die Wirtschaft und den Wohlstand, würden sich die Leute fragen, was sie davon hätten.

Wüthrich ruft in Erinnerung, dass die Reallöhne seit 2016 stagnierten. «Wenn der Lohnschutz nicht besser wird, sondern sogar noch verschlechtert wird, werden unsere Mitglieder den neuen Vertrag nicht unterstützen.» Der Alt-SP-Nationalrat fordert deshalb den Bundesrat auf, «die Ängste und Befürchtungen der inländischen Arbeitskräfte ernst zu nehmen». 

Derweil betonten Politiker von SP, Mitte und FDP, dass die Schweiz auf die Arbeitskräfte aus der EU angewiesen sei. Diese Leute erledigten zum Teil Jobs, die sonst niemand mache. «Es ist klar, dass die Schweiz nicht unendlich wachsen kann, aber die SVP dramatisiert», sagt GLP-Nationalrat Martin Bäumle. Er präsentiert auch einen Lösungsansatz: «Die Schweiz könnte die Migration bremsen, indem sie die Personenfreizügigkeit egoistischer auslegt.» Zum Teil würden hierzulande Massnahmen gehorsamer umgesetzt, als es die meisten EU-Länder machten.