Magsafe für alleApple öffnet Standard für Samsung und Android
Künftig kann man nicht mehr nur iPhones mit magnetischen Magsafe-Docks laden. Apple gibt den Standard für die Konkurrenz frei. Das ist nicht komplett selbstlos.
Apple und Standards, das ist eine mühsame Geschichte. Der iPhone-Konzern ist bekannt und gefürchtet für eigene Standards. Die sind zwar meist technisch sehr gut, aber passendes Zubehör ist teuer, und die Konkurrenz darf es nicht nutzen.
Das war mit ein Grund, warum damals Firewire-Kabel gescheitert sind. Steve Jobs wollte Geld sehen, und in der Folge hat sich dann das offene Konkurrenzprodukt USB durchgesetzt. Anders als bei Firewire wurde Apples Ladekabel fürs iPhone und iPad ein sensationeller Erfolg und eine Goldgrube sondergleichen. Erst das Einschreiten der EU hat Apple nun dazu verknurrt, den eigenen Lightning-Standard aufzugeben und künftig USB-C zu nutzen.
Auch beim drahtlosen Laden der iPhones hat Apple den gleichen Weg eingeschlagen wie damals mit dem Lightning-Kabel. Seit dem iPhone X (2018) lassen sich Apple-Telefone mit dem offenen Branchenstandard Qi drahtlos laden. Fast alle Handyhersteller nutzen diesen Standard.
Eigener Standard
2020 hatte Apple genug und lancierte mit Magsafe einen eigenen Standard. Der nutzt zwar weiter die Qi-Technologie, aber setzt zudem auf Magnete, die das Dock präzise am iPhone befestigen. Und nur offiziell zertifizierte Magsafe-Geräte erreichen die volle Ladeleistung von 15 Watt. Nicht zertifizierte Geräte schaffen gerade die Hälfte oder weniger.
Apple versuche also, beim drahtlosen Laden den Erfolg des proprietären Lightning-Kabels zu wiederholen, war damals der Tenor. Doch nun kam in der Nacht auf heute die grosse Überraschung.
Das Wireless Power Consortium, das Branchengremium hinter dem Qi-Standard, präsentierte im Rahmen der CES-Messe den Nachfolgestandard Qi 2. Die entscheidende Neuerung: Der kommende Standard basiert auf Apples Magsafe. Apple, das selbst auch Teil dieses Branchenverbands ist, hat die Magsafe-Technologie zur Verfügung gestellt.
Magnete und Strom
Das bedeutet, Qi 2 standardisiert nicht nur die drahtlose Übertragung von Strom, sondern auch die magnetische Befestigung am Smartphone. Dadurch soll mehr Strom transportiert werden können und vor allem beim Transfer weniger Strom verloren gehen, da Ladedock und Smartphone dank der Magnete nun perfekt übereinander platziert werden.
Erste Geräte mit Qi 2 sollen bereits Ende 2023 auf den Markt kommen. Gegenüber dem US-Techmagazin «The Verge» nennt ein Sprecher des Konsortiums zwar keine konkreten Daten, aber er bestätigt, dass Samsung auch auf Qi 2 und damit Magsafe setzen wird. Da wiederholt die Rede von Ende 2023 ist, dürfte das schon für Februar erwartete neue Galaxy-Smartphone von Samsung noch nicht parat sein für Qi 2. Oder doch?
Im Gespräch mit «The Verge» tauchen aber noch zwei potenzielle Enttäuschungen rund um den neuen Standard auf. Einerseits soll Qi 2 über eine andere Magnetanordnung verfügen als Apples aktuelles Magsafe. Ob Qi 2 rückwärtskompatibel ist und alles Magsafe-Zubehör seit dem iPhone 12 weiterverwendet werden kann, ist zurzeit also noch unklar.
Ebenfalls für Ärger sorgen könnte eine Eigenart von Magsafe: Das Dock kommuniziert nämlich mit dem Smartphone. Da wird nicht nur einfach Strom verschickt. Das funktioniert im Prinzip ähnlich wie bei Druckern und Druckerpatronen. Auch dort können Hersteller so eigenen Patronen einen Vorteil verschaffen und Konkurrenz blockieren. Andererseits dient die Funktion auch der Sicherheit. So kann verhindert werden, dass gefälschte oder einfach nur schlechte Billigpatronen oder nun eben auch Ladedocks Schaden anrichten.
So profitiert auch Apple
Aber was hat nun Apple davon, wenn sie den eigenen Standard öffnen? Nun, Magsafe ist bis heute eine Nischenlösung geblieben. Zubehör gibt es wenig, und an öffentlichen Plätzen findet man es gar nicht. Nun, da es zum weltweiten Standard wird, braucht man nicht viel Fantasie, um sich eine Welt vorzustellen, in der jedes neue Auto bereits eine Magsafe-Halterung für Smartphones hat oder auch Einkaufswagen in Supermärkten die oben am Griff gleich eine praktische Magsafe-Halterung fürs Smartphone der Kundinnen und Kunden mit dem Bring-Einkaufszettel.
Und so profitiert dann eben auch Apple. Im Alleingang ist es der Firma nicht gelungen, ein Ökosystem um Magsafe herum zu erschaffen. Aber da nun auch Samsung und die anderen Android-Hersteller an Bord kommen werden, stehen die Chancen bedeutend besser.
Und ein ganz kleines bisschen wird man sich in Cupertino auch freuen, den weltweiten Regulierungsbehörden ein Schnippchen geschlagen zu haben. Während Apple dazu verknurrt wurde, bei Kabeln auf USB-C zu wechseln, hat Apple nun beim drahtlosen Laden elegant den eigenen Standard zum globalen Standard erhoben.
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