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Reservekraftwerk in Birr
Anwohner und Klima­schützer wehren sich gegen Not­kraft­werk

Der Standort des Notkraftwerks: Die Industriehalle von General Electric in Birr.
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Urs Maurer wohnt in Sichtweite der gigantischen Fabrikhalle von General Electric (GE) im aargauischen Birr. Bei GE hat er bis zu seiner Pensionierung vor ein paar Jahren auch gearbeitet. Mit Sorge beobachtet er, wie dort Bäume gefällt werden und ein Parkplatz aufgerissen wird.

GE baut auf ihrem Gelände nämlich das vom Bund in Auftrag gegebene Reservekraftwerk. Die Zeit drängt: Es soll schon im kommenden Winter die Stromversorgung der Schweiz sichern helfen, falls eine akute Mangellage eintrifft. Der Bund hat deshalb sogar Notrecht angewendet.

GE installiert für das Kraftwerk acht mobile Turbinen, die mit Öl oder Gas betrieben werden können. Die Leistung beträgt total 250 Megawatt. Das entspricht einem Viertel der Leistung des Kernkraftwerks Leibstadt. Kosten: 470 Millionen Franken.

«Als Elektroingenieur sehe ich ja ein, dass es ein Reservekraftwerk braucht», sagt Urs Maurer. «Ein Blackout hätte katastrophale Folgen.» Grundsätzlich erachtet er auch den Standort als sinnvoll. «Aber warum baut GE die Anlage nicht auf der Ostseite der Halle, abgewandt von den Wohnblöcken?»

Unmittelbar schräg gegenüber dem Kraftwerk-Standort befindet sich das Quartier Wyde. Dort wohnen mehrere Hundert Personen. «Viele davon sind fremdsprachige Ausländerinnen und Ausländer – sie können sich kaum wehren», sagt Maurer. Er befürchtet primär viel und anhaltenden Lärm. «Falls es tatsächlich zu einer akuten Stromnotlage kommt, werden die Generatoren tagelang ununterbrochen laufen.»

«Es wird mächtig stinken»

Urs Maurer ist nicht der Einzige, der sich für einen anderen Standort des Kraftwerks einsetzt. Beim Bundesamt für Energie ist ein Rekurs eingegangen. Allerdings kann er den Bau nicht mehr verzögern: Laut der Notrechtsverordnung des Bundesrats hat die Einsprache keine aufschiebende Wirkung.

Zudem haben die Aargauer Nationalrätinnen Gabriela Suter (SP) und Martina Bircher (SVP) kritische Fragen an den Bundesrat gestellt. Und schliesslich demonstriert am Samstag die Klima-Jugendbewegung in der Nähe des Standorts gegen das Reservekraftwerk. «In Birr wird es diesen Winter mächtig stinken und unglaublich laut sein», sagt Jonas Kampus, der den Protest mitorganisiert.

Die Klimastreikenden kritisieren, dass der Bundesrat per Notrecht Vorschriften über Umweltstandards und -abklärungen ausser Kraft gesetzt hat. Es sei «absolut unhaltbar, im Jahr 2022 fossile Infrastruktur noch weiter auszubauen».

Die Zeit drängt

Auf die Vorwürfe antwortet GE, ihr Planungsteam habe den passenden Standort für das temporäre Reservekraftwerk «nach eingehender Prüfung» vorgeschlagen. «Dort können wir das Kraftwerk in nur fünfeinhalb Monaten errichten», sagt ein GE-Sprecher. Das Kraftwerk solle bereits im kommenden Februar 2023 funktionstüchtig sein.

Das GE-Gelände ist laut dem Sprecher nahe dem Bahnanschluss. So kann das notwendige Öl effizient herbeigeschafft werden. Die Gasanschlüsse sollen bis im Februar ebenfalls bereit sein. Ganz in der Nähe befindet sich ein Umspannwerk des Stromnetzbetreibers Swissgrid. Dort kann der Strom aus den Turbinen ins Schweizer Netz eingespeist werden.

Die Visualisierung zeigt: Die Notstromaggregate kommen im Freien zu stehen. 

«Andere Standorte wären prinzipiell möglich, erlauben aber keine Verfügbarkeit des Kraftwerks schon im Februar», sagt der Sprecher. Der Termin ist vom Bund vorgegeben. Ab dann ist die Gefahr am grössten, dass es zu akuten Mangellagen kommen könnte.

GE stehe seit Beginn der Verhandlungen in regelmässigem Kontakt mit den Behörden des Kantons Aargau und der Gemeinde Birr, sagt der Sprecher. Und: «Wir werden weiterhin eng mit den Behörden zusammenarbeiten. Wir wollen die temporäre Anlage in Übereinstimmung mit allen erforderlichen Vorschriften, Normen und Bestimmungen realisieren.»

GE versichert zudem, die zu erwartenden Emissionen seien minimal: «Wir rechnen mit einem nur begrenzten oder gar keinem Betrieb des temporären Reservekraftwerks.» Es wird erst und nur auf Anforderung von Swissgrid eingeschaltet.

Studie soll Bedarf abschätzen

Um abzuschätzen, ob und wie oft das nötig sein könnte, ist das Bundesamt für Energie daran, eine Studie mit verschiedenen Szenarien zu erstellen. Das sagt Marianne Zünd, die Sprecherin des Bundesamts. «Diese ermöglichen dann Aussagen, ob, wann und wie viel Energie im Winter im System fehlen könnte und ob, wann und wie lange das Reservekraftwerk demzufolge zum Einsatz kommen würde.»

Zurzeit laufen in Birr die Vorbereitungsarbeiten. GE rechnet damit, dass die acht Gasturbinen-Generatoreinheiten vom hauseigenen Typ TM2500 Ende Oktober vom Hauptproduktionsstandort Ungarn angeliefert werden und dann aufgestellt werden können.

So sehen die Notstromaggregate von GE aus. Acht von ihnen sollen das Reservekraftwerk in Birr bilden.

«Die auf Anhängern montierten Generatoreinheiten erfordern nur minimale Vorbereitungen vor Ort, was eine schnelle Umsetzung und Installation ermöglicht», sagt der GE-Sprecher. Die Turbinen lärmgeschützt in einer Halle aufzustellen, sei dagegen nicht möglich: «Das würde grosse Bauten erfordern, um Luft anzusaugen und die Abgase abzuführen.» Das wiederum würde die Betriebsbereitschaft um mehrere Monate verzögern.