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Frankreichs extreme Rechte
Die Lepenisten reisen nach Israel – nur Marine Le Pen ist nicht eingeladen

Jordan Bardella, Präsident der französischen Partei Rassemblement National, nimmt an einer Debatte im Europäischen Parlament in Strassburg teil, Januar 2025.
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Eine Reise und ein lautes Unbehagen. Jordan Bardella, Präsident der rechtsextremen französischen Partei Rassemblement National, und Marion Maréchal, Enkelin des kürzlich verstorbenen Parteigründers Jean-Marie Le Pen, nehmen an einer zweitägigen, internationalen Konferenz gegen Antisemitismus teil – in Jerusalem, eingeladen von der israelischen Regierung. Eine Einladung haben auch andere Vertreter radikal rechter Parteien erhalten, etwa von der spanischen Vox, der ungarischen Fidesz, der postfaschistischen Fratelli d’Italia.

Doch wohl nirgendwo sonst gibt die Teilnehmerschaft mehr zu reden als in Frankreich, dem Land mit der grössten jüdischen Gemeinde in Europa. Und das ist kein Wunder. Die Partei der Le Pens mag sich viel Mühe geben, ihre antisemitische Vergangenheit vergessen zu machen mit ihrer Operation der sogenannten «dédiabolisation», einer «Entteufelung» also: Doch der Teufel hallt nach.

BHL erklärt seine nachträgliche Absage

Für Bernard-Henri Lévy, den berühmten französischen Autor und Philosophen, ist diese Premiere von Bardella und Maréchal in Israel der Grund, weshalb er selbst seine ursprünglich geplante Konferenzteilnahme wieder abgesagt hat. In einem Brief an den israelischen Präsidenten Isaac Herzog schreibt BHL, wie er in Frankreich genannt wird, er habe erst nachträglich von der Anwesenheit Bardellas und Maréchals erfahren, sonst hätte er gar nicht zugesagt. «Ich weiss schon, dass die grössten Parteien der Ultrarechten, also auch der Rassemblement National, jetzt von sich sagen, sie hätten mit dem Antisemitismus gebrochen.» Manche in der jüdischen Gemeinde würden das glauben, auch prominente Figuren, etwa der heute 89-jährige Historiker und Holocaust-Überlebende Serge Klarsfeld. Er aber, Lévy, bleibe sehr vorsichtig.

Die französische Vereinigung «Ligue internationale contre le racisme et l’antisémitisme», kurz Licra, wurde noch etwas deutlicher. Auf X schreibt sie über die Einladung des Rassemblement National nach Israel: «Mit Antisemitismus hat diese Partei etwa so viel zu tun wie Mücken im Kampf gegen die Malaria.»

Marine Le Pen im Matignon Hotel während eines Treffens zur Rentenreform am 14. Oktober 2022 in Paris.

Aus der Entourage von Bardella und Maréchal, die nicht formell zur Partei gehört, heisst es, diese Reise sei ein «politischer Triumph», eine wichtige Etappe bei der «Normalisierung». Tatsächlich versuchen die Lepenisten seit einigen Jahren, ihr Image zu korrigieren: Statt gegen Juden hat man jetzt etwas gegen Muslime.

Als im Nachgang zum Terrorüberfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 in Paris gegen den Antisemitismus marschiert wurde, marschierten die Spitzen des Rassemblement National hinten mit. Sehr erwünscht waren sie nicht, sie wurden auch ausgepfiffen. Doch für die Partei zählten die Bilder. Seitdem wiederholt Bardella bei jeder Gelegenheit, sie hätten am Marsch teilgenommen, das sei der Beleg für den inneren Wandel.

Waffen-SS-Mitglieder im Gründungsteam der Partei

In den Reihen der Partei sitzen allerdings noch immer mutmassliche Antisemiten. Das haben auch die jüngsten Parlamentswahlen 2024 gezeigt: Etwa hundert Bewerber musste die Partei zurückziehen, nachdem deren antisemitischen, rassistischen oder homophoben Posts in den sozialen Medien publik geworden waren.

Allein die Nennung des Namens Le Pen ruft alle Geister zurück. Jean-Marie Le Pen war ein notorischer Antisemit, er wurde mehrmals verurteilt für seinen Judenhass. Für Jordan Bardella aber, der neulich in einem Fernseh­interview auf den Antisemitismus des Parteigründers angesprochen wurde, war Le Pen kein Antisemit. Später, als man in der Partei merkte, dass diese Aussage nicht so gut zum neuen Kurs passte, korrigierte sich Bardella.

Die französische Politikerin Marion Maréchal an einer Veranstaltung im Januar 2022.

Im Gründungsteam des Front National, wie die Partei früher hiess, sassen 1972 unter anderem zwei ehemalige Mitglieder der Waffen-SS. Das ging nie vergessen, auch in Israel nicht. Marine Le Pen, Tochter Jean-Maries und seit 2011 Kopf der Partei, wurde jetzt auch nicht nach Jerusalem eingeladen. Viele Israeli hätten eine Einladung an eine Le Pen wohl als Provokation empfunden. Bei Marion Maréchal geht die direkte Verwandtschaft im Namen unter.

Ist die radikale Linke schlimmer?

Wenn es dem Rassemblement National trotzdem gelungen ist, auch in der jüdischen Gemeinde etwas Glaubwürdigkeit zu gewinnen, liegt das auch am gleichzeitig ambivalenten und zuweilen grenzwertigen Gebaren der radikal linken Partei La France Insoumise von Jean-Luc Mélenchon. Ebenfalls seit dem 7. Oktober.

Die Spitzen der Insoumis weigerten sich lange, den Terrorakt der Hamas überhaupt als solchen zu beschreiben, sie wanden sich bei der Definition der Terrororganisation. In Frankreich wurde ihnen vorgeworfen, sie schürten damit den Antisemitismus in einem Teil der französischen Bevölkerung, vor allem in den Banlieues, wo die meisten ihrer Wähler herkommen.

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Zuletzt empörte die Partei mit einem Poster für eine grosse Kundgebung der Linken gegen die extreme Rechte. Man sah darauf Cyril Hanouna, einen berühmten und streitbaren TV-Moderator, Sohn jüdischer Einwanderer aus Tunesien. La France Insoumise zeigte ihn schwarzweiss, mit starkem Kontrast, etwa so, wie die Propagandisten der Nazis in den 1930er-Jahren Juden zeigten.

Das Bild blieb nur kurz online und wurde dann ersetzt. Doch seither wird in Frankreich wieder darüber debattiert, wer problematischer und spaltender sei für die Demokratie und das gesellschaftliche Zusammenleben: die extreme Rechte oder die radikale Linke?