Todesfahrt in MagdeburgStadt an Heiligabend in Trauer – Attentäter hinterliess Testament
Seine Weihnachtsansprache hatte sich der deutsche Bundespräsident anders vorgestellt. Sie wurde vom Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg bestimmt.
Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Gesellschaft in seinem Land nach dem Anschlag von Magdeburg zum Zusammenhalt aufgerufen.
«Hass und Gewalt dürfen nicht das letzte Wort haben. Lassen wir uns nicht auseinandertreiben. Stehen wir zusammen», sagte Steinmeier in seiner vorab veröffentlichten Weihnachtsansprache.
Vielen Menschen werde das Herz schwer sein an diesem Weihnachtsfest. Viele seien aufgewühlt und verunsichert, hätten vielleicht auch Angst. «All diese Gefühle sind verständlich. Aber sie dürfen uns nicht beherrschen, und sie dürfen uns nicht lähmen», sagte der Steinmeier.
Beim Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg am Freitagabend waren fünf Menschen getötet und rund 200 teilweise schwer verletzt worden. Steinmeier änderte wegen der Todesfahrt eines aus Saudiarabien stammenden Mannes seine bereits aufgezeichnete Weihnachtsansprache und nahm sie neu auf. Sie wird am 1. Weihnachtstag ausgestrahlt.
Stadt in Trauer
Blumen, Kerzen, Kuscheltiere: Auch an Heiligabend war der zentrale Gedenkort an der Johanniskirche von Menschen umringt. Das Blumen- und Kerzenmeer wuchs weiter, viele Trauernde hatten Tränen in den Augen.
Auf dem benachbarten Alten Markt, dem zentralen Ort des seit Freitagabend geschlossenen Weihnachtsmarktes, waren einzelne Buden zu Gedenkorten geworden. Auch hier brachten Trauernde ihre Anteilnahme mit Blumen und Kerzen zum Ausdruck. Viele Menschen waren mit Blumensträussen unterwegs, um sie als Zeichen des Beileids niederzulegen. «Ich konnte erst nicht herkommen, weil es mich zu sehr schockiert hat», sagte eine Rentnerin der Deutschen Presse-Agentur. «Aber heute wollte ich hier sein. Es ist ja Weihnachten.»
Eine Gruppe Jugendlicher war nach eigenen Angaben aus dem Salzlandkreis nach Magdeburg gefahren, um einen Rosenstrauss mit schwarzer Schleife an den Gedenkort zu bringen. «Wir haben alle dafür zusammengelegt. Das muss man machen», sagt einer.
Nach Angaben eines dpa-Reporters waren auch Polizisten vor Ort, etwa um an verschiedenen Stelle etwa auszumessen. Immer wieder blieben Passanten stehen, um sie zu beobachten. Eine Sprecherin der Polizeiinspektion Magdeburg sagte auf Nachfrage, dass Beamte der Landespolizei vor Ort seien, um «dokumentarische Arbeiten» im Rahmen der Ermittlungen zu erledigen.
Attentäter hinterliess Testament in seinem Auto
Der mutmassliche Attentäter hat einem Bericht des «Spiegel» zufolge in seinem Wagen ein Testament hinterlassen. Ermittler hätten das Dokument in dem Auto gefunden, mit dem er auf den Weihnachtsmarkt der Stadt gerast war, berichtete das Magazin am Montag. Darin habe der 50-Jährige festgelegt, dass sein gesamtes Vermögen nach seinem Tod an das Deutsche Rote Kreuz übergehen solle, politische Botschaften seien im Testament nicht enthalten.
Wie der «Spiegel» weiter berichtete, soll der Attentäter das Auto, mit dem er die Tat beging, bereits mehr als eine Woche zuvor, am 11. Dezember, gemietet haben. Am 12. Dezember habe der Mann aus einem Hotel in Magdeburg einem «islamfeindlichen US-Blog» ein Interview gegeben. Darin habe er unter anderem für Elon Musk geschwärmt, den Milliardär und Vertrauten des gewählten US-Präsidenten Donald Trump.
Der mutmassliche Attentäter von Magdeburg war 2006 nach Deutschland ausgereist. Der Mediziner fühlte sich in seinem Heimatland bedroht, unter anderem, weil er Islamkritiker war.
Verschärftes Sicherheitspaket
Nach dem Anschlag diskutiert die Politik in Deutschland über ein verschärftes Sicherheitspaket. Dazu zählt in erster Linie die Mindestspeicherfrist für IP-Adressen. Auch Befugnisse zur automatisierten Gesichtserkennung und zum Abgleich von Polizeidaten zählen dazu. Dabei solle «verfassungsrechtlich Mögliche» ausgeschöpft werden, heisst es in Berlin.
Zuvor hatte sich Innenministerin Nancy Faeser dafür ausgesprochen, noch ausstehende Gesetzentwürfe zur inneren Sicherheit umgehend zu beschliessen. In einem Interview des Magazins «Spiegel» nannte Faeser das neue Bundespolizeigesetz, das die Bundespolizei stärken soll, oder die «biometrische Erkennung von Gesichtern und Stimmen von Terrorverdächtigen, Mördern und Vergewaltigern, die von der Union im Bundesrat aufgehalten wurde».
Der Bundespräsident ging auch kurz auf das Scheitern der «Ampel»-Koalition ein. «Auch wenn jetzt eine Regierung vorzeitig an ihr Ende gekommen ist, ist das nicht das Ende der Welt, sondern ein Fall, für den dieses Grundgesetz Vorsorge getroffen hat», sagte er. «Die Entscheidung über die Auflösung des Bundestages und über Neuwahlen werde ich mit Sorgfalt nach den Weihnachtstagen treffen.»
DPA/AFP/oli
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