Anreize und Emotionen prägen Debatte zum Finanzausgleich
An einem prominent besetzten Podium in Meilen stand der kantonale Finanzausgleich im Zentrum. Bei der Frage, ob sich dieser für die Gemeinden lohnt oder ob Reformbedarf besteht, gingen die Meinungen auseinander. Emotional wurde die Debatte wegen den steigenden Soziallasten.
Bald ist es wieder soweit: Die Gemeindeversammlungen zu den Budgets und den Steuerfüssen im nächsten Jahr stehen auf der Agenda – und damit die alljährlichen politischen Debatten zum Finanzausgleich. Auch in den steuerkräftigen Gemeinden im Bezirk Meilen werden die Zahlungen in den Finanzausgleich wieder Gesprächsstoff liefern, zumal neun der elf Gemeinden zu den Gebergemeinden gehören.
Die FDP des Bezirks Meilen lud deshalb die interessierte Öffentlichkeit an ein Podium zum Finanzausgleich ein. Ein Ziel der gut besuchten Veranstaltung war es, den Zweck und das Funktionieren des Finanzausgleichs zu erklären. Dafür wurden die Experten Arthur Helbling und Heinz Montanari vom Gemeindeamt eingeladen, das beim Kanton für den Vollzug des Finanzausgleichs zuständig ist.
Danach ging die Diskussion über die Bühne, an der sich der in Meilen lebende Ökonom Reiner Eichenberger, der grüne Zürcher Stadtrat Daniel Leupi und die Winterthurer SP-Stadträtin Yvonne Beutler beteiligten. Als Vertreter einer Gemeinde, die Geld erhält, trat der Embracher Gemeindepräsident Erhard Büchi (FDP) auf, als Vertreterin einer Gebergemeinde die Meilemer Finanzvorsteherin Beatrix Frey-Eigenmann (FDP). Sie beschäftigt sich auch als Kantonsrätin und Präsidentin der Finanzkommission mit dem Thema.
Notwendigkeit unbestritten
Helbling und Montanari erläuterten, dass der Finanzausgleich ein gut funktionierendes, aber komplexes System ist, mit dem Geld von steuerkräftigen Gemeinden zu Gemeinden mit geringerer Steuerkraft und in die Städte Zürich und Winterthur umverteilt wird. Hauptinstrumente sind der Ressourcenausgleich, mit dem Steuergelder abgeschöpft und verteilt werden, und der Zentrumslastenausgleich. Aus diesem erhalten Zürich und Winterthur Beiträge für städtische Zusatzausgaben (etwa Kultur oder Sicherheit). Dazu kommen Mittel, mit denen besondere Belastungen einzelner Gemeinden abgegolten werden.
Dass es sinnvoll und nötig ist, Gelder von reichen in ärmere Gemeinden zu verschieben, war auf dem vom Stäfner FDP-Kantonsrat Peter Vollenweider moderierten Podium unbestritten. Anders sah es bei der Frage aus, ob der Ressourcenausgleich auch gut funktioniert – und ob aus der Sicht der Gemeinden Reformbedarf besteht. Yvonne Beutler plädierte dafür, nicht am Finanzausgleich selber zu schrauben, dafür aber einen separaten Ausgleich für Soziallasten zu schaffen. Sie verwies dabei auf die überproportional gestiegenen Sozialausgaben von Orten wie Winterthur. Daniel Leupi sah «keinen Grund zum Jammern», betonte jedoch, dass der Zentrumslastenausgleich nicht angetastet werden dürfe. Grund: Die Mehrkosten für die Stadt Zürich – etwa für die Sicherheit – seien in den letzten Jahren stark gestiegen.
Demotivierende Wirkung
Erhard Büchi machte klar, dass es für die Nehmergemeinden keinen Grund gebe, das System zu ändern. «Ich habe kein schlechtes Gefühl, weil Embrach Geld bezieht», sagte er. Das Problem sei für ihn eher, dass viele Gemeinden keine Motivation mehr hätten, besser zu wirtschaften und mehr Steuern zu generieren, wenn Mehrerträge mit dem Finanzausgleich gleich wieder abgeschöpft würden. «Das hat eine demotivierende Wirkung.»
Ähnlich sieht es die Meilemer Finanzvorsteherin Beatrix Frey-Eigenmann: Der Anreize für höhere Steuererträge – gerade in finanzstarken Gemeinden wie am Zürichsee – sei in der Tat gering. «Der Ressourcenausgleich fördert aber auch den Standortwettbewerb nicht und macht die Gemeinden träge», sagte sie. Sie warnte aber davor, das System grundsätzlich in Frage zu stellen. Wichtig sei vor allem, dass man über die Zielsetzungen des Finanzausgleichs diskutiere – und prüfe, ob diese mit dem aktuellen System auch erreicht würden.
Scharfe Kritik kam von Reiner Eichenberger. Der Ökonom, welcher der SVP nahe steht, meinte, der Finanzausgleich funktioniere wie die Sozialhilfe. Für die Bezüger gäbe es keinerlei Anreize, ihre Lage selber zu verbessern – zum Beispiel mit einer erfolgreichen Steuer- oder Standortpolitik. Wer erfolgreich sei, werde vom System gleich wieder mit Abzügen in Form von Abschöpfungen bestraft. Verbesserungen seien daher nötig, etwa mit einem Bonussystem für jene Gemeinden, die ihre Steuererträge steigern könnten. Mit Blick auf die steigenden Soziallasten meinte er: Wo der soziale Wohnungsbau gefördert werde, gebe es eben eben auch mehr Bezüger von Sozialleistungen.
Angriff und Empörung
Eichenbergers Aussagen brachten Emotionen in die Debatte - und Yvonne Beutler kurzfristig in Rage. Sie wies den Vergleich mit der Sozialhilfe empört zurück und titulierte Eichenbergers Argumente als polemisch: «Die gestiegenen Soziallasten können wir in Winterthur selber kaum beeinflussen, die müssen wir einfach tragen», konterte sie etwa.
In der Folge driftete die Debatte immer mehr zur Frage ab, wie man Gemeinden entlasten kann, die unter stark steigenden Kosten im Sozialbereich leiden. Hier war man sich schliesslich einig, dass auch der Kanton gefordert sei und neue Lösungen gesucht werden müssten: «Den Ausgleich von Soziallasten müssen wir künftig separat betrachten», meinte Frey-Eigenmann. Wichtig bleibe aber auch, dass Kanton und Gemeinden über sinnvolle Verbesserungen beim Ressourcenausgleich diskutieren würden. Dazu brauche es Vertrauen und eine vernünftige Diskussionskultur.
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