Comeback der «Friends»Anmachspruch für die Ewigkeit
Der popkulturelle Einfluss der Serie «Friends» ist heute noch immens. Heute kommt es zum Wiedersehen nach 17 Jahren. Die Marketing-Umsätze dahinter sind schwindelerregend.
Kleines Experiment zu Beginn: Was ist die einzig denkbare Reaktion auf den Hinweis, dass einem niemand gesagt hat, dass das Leben so laufen würde? Auf Englisch: «So no one told you life was gonna be this way…» Wer die Antwort nicht kennt - vier Mal Klatschen - möge bitte nicht weiterlesen, sondern wenigstens ein paar der 236 Folgen der TV-Sitcom «Friends» gucken und plötzlich kapieren, warum Amerikaner vor fast jedes Adjektiv ein «so» stellen («I am so happy, this is so great, you are so wonderful»), warum Schätzungen der Zeitschrift «Marie Claire» zufolge Ende der Neunziger weltweit elf Millionen Frauen die gleiche Frisur hatten und warum sich die Leute heute noch Memes mit der Frage «How you doin'?» schicken und die als erfolgreichster Anmachspruch der Geschichte gilt. All das sind Zitate aus der Fernsehserie «Friends».
Der popkulturelle Einfluss der Serie ist immens, Jürgen Klopp etwa hat mit ihr Englisch gelernt und über die Figur des Chandler Bing wahrscheinlich auch seinen herrlichen Sarkasmus perfektioniert. Nun, 17 Jahre nach der letzten Folge, gibt es also eine sogenannte Reunion, ein Wiedersehen der sechs Hauptdarsteller Courteney Cox, Jennifer Aniston, Lisa Kudrow, David Schwimmer, Matt LeBlanc und Matthew Perry auf der legendären Stage 24 der Warner Bros. Studios im kalifornischen Burbank - ja, diese Serie, die so sehr New York verkörpert und die zu der Illusion geführt hat, dass man sich als Normalsterblicher eine grosse Wohnung im Bezirk Greenwich Village leisten könnte, wurde in der Nähe von Los Angeles gedreht.
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Sie haben sich also mal wieder getroffen, laut Schwimmer war es erst die zweite Begegnung aller sechs seit dem Ende der Serie im Jahr 2004 - obwohl sie alle, und man darf ihm das auch wirklich glauben - Freunde geblieben sind. Sie spielen das legendäre Quiz aus der vierten Staffel nach, lesen nochmal die Drehbücher unvergessener Momente und rätseln, was wohl aus den Figuren geworden sein könnte. All das ist heute auf dem Streamingportal HBO Max zu sehen und in der Schweiz auf Sky; die Aufregung könnte kaum grösser sein, weil «Friends» nun mal sehr viel mehr war als eine der erfolgreichsten Sitcoms der Geschichte. Alle zehn Staffeln waren jeweils in den Top Ten der Einschaltquoten, die 52,2 Millionen Zuschauer in den USA beim Finale im Mai 2004 machten sie zur meistgesehenen Serienfolge der Nullerjahre. Sie war ein popkulturelles Füllhorn - wie bereits erwähnt: Es gibt wissenschaftliche Studien zum Adjektiv-Präfix «so», zur Frisur «The Rachel» von Aniston und zu den realen Mietpreisen im Verhältnis zur «Friends»-Wohnung.
Die Hauptdarsteller kriegen jedes Jahr 20 Millionen Dollar aus den EinnahmenReunions sind keine Seltenheit in den USA; anhand dieses Mega-Hypes um «Friends» sind die finanziellen Nuancen bei der Produktion erfolgreicher Serien zu sehen. Die zehnte Staffel kostete ungefähr 180 Millionen Dollar (die sechs Darsteller bekamen jeweils eine Million Dollar pro Folge); es war klar, dass sowohl der Sender NBC als auch Produzent Warner die Kosten nicht würden einspielen können, auch wenn beim Finale vier Millionen Dollar pro Werbeminute bezahlt wurden. Was alle wussten: Die Show nach «Friends» am Donnerstagabend bekommt durch deren Beliebtheit - damals vom Sender als «Must See TV» vermarktet - einen enormen Zuschauerschub.
Was damals kaum jemand zu hoffen wagte: Es kamen Streamingportale als Goldgruben dazu: Zuerst lief «Friends» bei Netflix, das allein 2019 100 Millionen Dollar für die Rechte bezahlte. Danach war HBO der Meistbietende, 485 Millionen Dollar für fünf Jahre. Vorsichtigen Schätzungen zufolge nimmt Warner pro Jahr eine Milliarde Dollar ein, die sechs Hauptdarsteller kriegen davon jeweils zwei Prozent - also 20 Millionen Dollar im Jahr.
HBO wollte den Start seines Streamingportals im Mai vergangenen Jahres mit diesem «Friends»-Spezial feiern, daraus wurde wegen der Coronavirus-Pandemie nichts, nun aber ist es so weit, und die Fans nahmen jeden noch so kleinen Hinweis als Anlass für heftige Debatten. Also zum Beispiel: Warum in aller Welt steht Fussballer David Beckham auf der Gästeliste? Der ist zwar Fan und eng mit Cox befreundet, hat aber sonst genauso wenig mit der Serie zu tun wie Late-Night-Talker James Corden, der die Zusammenkunft moderiert. Warum fehlt dagegen Paul Rudd, der den Partner der Figur Phoebe in den letzten zwei Staffeln spielte?
Vor allem aber: Was ist mit Matthew Perry los? Der hatte in der Vergangenheit offen über gesundheitliche Probleme, über Alkohol- und Medikamentensucht gesprochen. Nun wirkte er in den Werbefilmen zur Show abwesend und nuschelte doch arg. Die Fans debattieren seitdem heftig: Spielt der da eine Rolle, oder muss man sich Sorgen machen? Auf jeden Fall hat Perry vergangene Woche eine Klamottenlinie mit Varianten seines legendären Spruchs «Could I be any more …» vorgestellt, also in Anspielung auf Corona-Impfungen zum Beispiel: «Could I be more vaccinated?» Auf Instagram schrieb David Beckham sogleich: «Ich brauche eins.» Die Vermarktung der Reunion läuft also perfekt.
Es ist ein nostalgisches Wiedersehen der Darsteller, die sich tatsächlich noch mögen (gell, Sex and the City-Frauen!) und wissen, dass sie da an einer besonderen Serie beteiligt waren. «Als ich bei Friends angefangen habe, bin ich zum Produzenten der Show, in der ich gleichzeitig mitgespielt habe», sagt Aniston beim Wiedersehen: «Der sagte zu mir: Diese Serie wird dich nicht berühmt machen.» Alle sechs lachen, während sie auf dieser orangenen Couch vor dem Brunnen sitzen. Tja, es hat ihnen bei der ersten Folge im September 1994 wohl niemand gesagt, dass das Leben so laufen würde. Klatsch, Klatsch, Klatsch, Klatsch.
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