Ex-Kanzlerin im «Spiegel»-InterviewSo denkt Angela Merkel über Donald Trump, Elon Musk und Olaf Scholz
Die Altbundeskanzlerin Deutschlands äussert sich besorgt über den Wahlsieg von Trump. Und Merkels Gedanke zum Debakel zwischen ihrem Nachfolger und Christian Lindner? «Männer!»
Am Dienstag erscheinen Angela Merkels Memoiren mit dem Titel «Freiheit», das Buch hat bereits im Voraus für einen regelrechten Hype gesorgt. Dort, wo sie ihr Buch geschrieben, nämlich in ihrer Altbauwohnung in Berlin, gab sie dem deutschen «Spiegel» ein Interview. Darin rechnet sie mit einigen mächtigen Männern der Welt ab.
So äussert sich Deutschlands Ex-Kanzlerin besorgt über den erneuten Wahlsieg von Donald Trump und den Einfluss des Milliardärs Elon Musk auf den künftigen US-Präsidenten. «Wenn jemand in der Politik keine Win-win-Situationen zulässt, sondern immer nur Sieger und Verlierer kennt, dann ist das eine sehr schwierige Aufgabe für den Multilateralismus», sagte Merkel dem «Spiegel» über Trump. «Dieses gegenseitige Übertrumpfen» halte sie nicht für eine politische Tugend und sei nicht ihr Stil gewesen. Darüber, dass nicht die Demokratin Kamala Harris die US-Wahl gewonnen habe, empfinde sie Trauer: «Ich hätte es mir anders gewünscht.»
Mit Blick auf Musk sagte Merkel: «Wenn ein Mensch wie er Eigentümer von 60 Prozent aller Satelliten ist, die im Weltraum kreisen, dann muss uns das zusätzlich zu den politischen Fragen enorm beschäftigen.» In den vielen Krisen ihrer Kanzlerschaft sei die Politik die letzte Instanz gewesen, um für Ausgleich zwischen Mächtigen und normalen Bürgern zu sorgen. «Wenn diese letzte Instanz zu stark von Unternehmen beeinflusst wird, ob durch Kapitalmacht oder technologische Fähigkeiten, dann ist das eine ungekannte Herausforderung für uns alle.»
Merkel über Trump: «Jede Begegnung ist ein Wettkampf»
Merkel hatte von 2017 bis 2021 zeitgleich mit Trump regiert und war mehrmals mit ihm zusammengetroffen. Trump sei dabei sehr neugierig gewesen und habe Details ganz genau wissen wollen, sagte die frühere Kanzlerin nun. «Aber nur, um sie auf den eigenen Vorteil hin abzutasten, um Argumente zu finden, die ihn stärken und andere schwächen», ergänzte sie.
«Je mehr Menschen im Raum waren, desto grösser war sein Drang, der Sieger zu sein. Man kann mit ihm nicht plaudern, jede Begegnung ist ein Wettkampf: Du oder ich.» Andere Regierungschefs sollten sich diesem Stil auf keinen Fall anpassen, warnte Merkel: «Sonst kriegt man politisch ja gar nichts mehr hin.»
Kritik an Scholz-Auftritt
In Bezug auf ihren Nachfolger übt die Ex-Kanzlerin Kritik, namentlich die Reaktion von Olaf Scholz im Zusammenhang mit dem Bruch der «Ampel»-Regierung. «Als Olaf Scholz sich so ungeschminkt äusserte, gab es schon auch ein bisschen Unwohlsein im Publikum. Manche dachten: Wenn unser Bundeskanzler so ausser Rand und Band ist – ogottogott -, wie schlecht steht es dann um unser Land», sagte Merkel.
Auf die Frage, ob Scholz mit seinem Auftritt die Würde seines Amtes verletzt habe, antwortete Merkel in diesem Zusammenhang: «Ich hätte es ja nicht gesagt, wenn ich das für ein Paradebeispiel für Würde hielte.»
Der Kanzler führe das Verfassungsorgan Bundesregierung an, sagte Merkel. «Sein Amt hat eine Würde, und die sollte einen stets leiten.» Man bekomme als Kanzlerin oder Kanzler harte Bandagen zu spüren. «Man verspürt eine Menge Emotionen, aber besser ist, man schreit die Wand in seinem Büro an als die deutsche Öffentlichkeit.»
Spontaner Gedanke bei Scholz vs. Lindner: «Männer!»
Ihr spontaner Gedanke beim Anblick der Auseinandersetzungen zwischen Scholz und Lindner sei gewesen: «Männer!« Auf die Frage, was ihr typisch männlich vorgekommen sei, sagte Merkel: «Zum Beispiel, Dinge persönlich zu nehmen. Das sollte man in der Politik tunlichst vermeiden.»
Scholz warf dem FDP-Vorsitzenden verantwortungsloses Verhalten vor und sagte über den Minister: «Zu oft hat er kleinkariert parteipolitisch taktiert. Zu oft hat er mein Vertrauen gebrochen.» So sei ernsthafte Regierungsarbeit nicht möglich.
Sie habe die FDP «nie als einfachen Koalitionspartner erlebt», sagte Merkel, die in ihren 16 Jahren als Kanzlerin von 2009 bis 2013 mit der FDP regierte. Mit Blick auf ihre 2017 gescheiterten Verhandlungen über ein sogenanntes Jamaika-Bündnis aus Union, Grünen und FDP sagte die ehemalige Regierungschefin: «Jamaika wäre sehr viel Arbeit gewesen, und ich hätte viel mehr Zeit für die verschiedenen Partner aufwenden müssen. Aber die Frage hat sich ja nicht gestellt, weil Herr Lindner nicht wollte.»
DPA/van
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