Golfturnier mit BierduscheAn diesem Loch schlottern selbst abgebrühten Profis die Knie
Das 16. Loch in Scottsdale ist so einschüchternd wie kein anderes, es trägt den Übernamen «Kolosseum». Weshalb es beim Phoenix Open gleich zweimal den Ausnahmezustand erlebte.
Als Sam Ryders Abschlag an diesem Samstag in Scottsdale auf dem Grün dreimal kurz hüpfte und danach, wie von Geisterhand gezogen, nach links abdrehte und direkt im 113 m entfernten Loch verschwand, brach um ihn herum die Hölle aus. Gegen 20’000 Zuschauer brachen in unkontrollierten Jubel aus, hüpften wild herum, applaudierten und grölten. Kurz darauf flogen Unmengen von halb vollen Bierdosen von den Rängen und verbreiteten einen Sprühnebel, der an einen Sommerregen erinnerte.
Das 16. Loch beim Phoenix Open trägt den Übernamen «Kolosseum», und wie früher im Amphitheater von Rom werden hier zum Gaudi des Publikums Sklaven den Löwen zum Frass vorgeworfen. Wobei die Löwen hier auf den Tribünen sitzen und es sich bei den Sklaven um hoch bezahlte Golfspieler handelt.
Ganz so blutrünstig wie zu Julius Cäsars Zeiten geht es in Scottsdale natürlich nicht zu. Und doch schlottern selbst abgebrühten Professionals die Knie, wenn sie hier durch einen Tunnel an den Abschlag kommen, wo sie von Tausenden von Zuschauern erwartet werden. Spielerisch stellt die nur etwa 150 Meter lange Bahn zwar keine speziellen Herausforderungen, doch nirgendwo sonst sind Kulisse und Atmosphäre so einschüchternd wie an diesem Loch, das als das lauteste der Golfwelt gilt: Wie in einem Fussballstadion wird die Spielfläche komplett von drei- und vierstöckigen Tribünen umrahmt.
Auf diesen feiern die Massen ihre Party, der Alkohol fliesst in Strömen, die Spieler werden gefeiert oder ausgebuht, etwas dazwischen gibt es nicht. «Pleasure Dome» wird die Golfarena auch genannt – es geht vor allem um den Spass. Und wenn denn einem sogar ein Hole-in-One gelingt, er seinen Abschlag direkt einlocht, verwandelt sich das Stadion in ein Tollhaus. «Es war absolut verrückt», sagte der 32-jährige Ryder, dem nach dem besten Schlag seiner Profikarriere sein Caddie um den Hals fiel und der selber in einen anhaltenden Adrenalin-Rausch verfiel.
«Überall lag Abfall herum. Doch es war auch erstaunlich, wie schnell alles wieder aufgeräumt wurde», sagte Ryder. Er hatte für das zehnte Hole-in-One gesorgt in den 35 Jahren, in denen das Phoenix Open im TPC Scottsdale ausgetragen wird. Zur Gruppe gehören auch Tiger Woods, der 1997 hier ein Ass geschlagen hatte, und Francesco Molinari, dem 2015 das zuvor letzte gelungen war.
Über 700’000 Zuschauer in fünf Tagen
Lange mussten die Zuschauer am «People’s Open» dann nicht auf das elfte Hole-in-One warten: Schon einen Tag später gelang dem Mexikaner Carlos Ortiz am Sonntag das gleiche Kunststück, wobei sein Ball bis zum Loch sogar 162 Meter (am Sonntag wurde mit einer anderen Fahnenposition als tags zuvor gespielt) zurückzulegen hatte.
Das Phoenix Open gilt als bestbesuchtes Golfturnier der Welt und wird als «grösste Party auf Gras» beworben. Vor der Corona-Pandemie waren 2020 über 700’000 Zuschauer in fünf Tagen gekommen. Nachdem die Kapazität vergangenes Jahr auf 5000 pro Tag reduziert wurde, wurden dieses Jahr alle Beschränkungen aufgehoben.
«Jetzt sind alle hungrig und durstig, wieder bei einem Sportereignis dabei zu sein.»
Dass sich viele im Publikum nicht an die im Golf übliche Etikette halten, sorgt zwar immer wieder für Kritik. Zumindest der frühere British-Open-Sieger Louis Oosthhuizen sieht das aber nicht so eng: «Die ersten sechs Monate, in denen wir ohne Fans spielten, fühlten sich so seltsam an, als wären wir wieder bei einem alten Juniorenturnier», sagte der Südafrikaner. «Jetzt sind alle hungrig und durstig, wieder bei einem Sportereignis dabei zu sein. Es ist toll, die Fans zurückzuhaben.»
Hat da noch jemand gesagt, Golf sei langweilig?
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.