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Meinung

Pro und Kontra
Brauchen wir eine Guillotine für «Sesselkleber» in der Politik?

Gruppe von acht Menschen in Geschäftsbekleidung in einem historischen Gebäude, geteilt durch eine grüne und rote Linie mit Daumen hoch und runter Symbolen in der Mitte.
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Ja. Einer Regierung tun Wechsel gut.

Beat Metzler

Im Zerstückeln von Herrschaft ist die Schweiz überdurchschnittlich gut. Die Verfassung sorgt dafür, dass kein Mensch zu viel Macht auf sich bündeln kann.

Aber es besteht Platz für Verbesserungen: Wer Macht hat in der Schweiz, kann sie sehr lange behalten. Theoretisch bis zum Tod. Offizielle Amtszeitbeschränkungen gibt es kaum.

Das verlockt zum Verhocken. Zum Beispiel im Zürcher Stadtrat. Daniel Leupi (Grüne) strebt das 20. Amtsjahr an. Corine Mauch (SP) liebäugelt damit. André Odermatt (SP) lässt es noch offen. Raphael Golta (SP) und Filippo Leutenegger (FDP) könnten in Richtung des 16. gehen.

Kürzlich hat die kantonale SP eine Amtszeitbeschränkung von zwölf Jahren für Regierungsräte gefordert – so wie sie etwa in Graubünden gilt. Die Forderung steht in der Schweizer Tradition der Machtverwedelung. Eine solche Limite sollte für alle Exekutivämter gelten.

Dass die Stadträtinnen ihr Amt behalten wollen, liegt in der Natur der Macht. Langjährige Regierungsmitglieder kennen sich aus. Prägen die Gesellschaft. Geniessen Ansehen. Verdienen gut.

Neue Mitglieder sorgen für neue Ansätze

In der Politik kann das kein Kriterium sein. Was Regierende innerhalb von zwölf Jahren nicht hinkriegen, erreichen sie auch später kaum mehr. Zwölf Jahre müssen reichen, um die eigenen Pläne zu verwirklichen. Eine Amtszeitbeschränkung kann motivieren: Man macht gezielter vorwärts, wenn man um die begrenzte Zeit weiss.

Einer Regierung tun Wechsel gut. Neue Mitglieder bringen neue Ansätze mit. Als gewöhnliche Bürgerinnen sind sie näher dran an aktuellen Problemen, kennen diese vielleicht aus eigener Erfahrung. Zudem ist niemand unersetzlich. Auch altgediente Politiker starteten einst als Neulinge.

Gegnerinnen einer Amtszeitbeschränkung verweisen auf die Wahlen, denen sich Regierungsmitglieder alle vier Jahre stellen müssen. Doch in diesen treten Bisherige mit grossem Startvorteil an. Die Menschen kennen sie und trauen ihnen dadurch mehr zu.

Auch Parteien tun sich schwer damit, Amtszeitverkürzungen durchzusetzen. Sie sind froh um den Einfluss, den ihnen Exekutivmitglieder verschaffen – auch wenn sich diese von der Partei entfremden. Mit internen Rücktrittsforderungen macht man sich unbeliebt. Zudem droht das Mario-Fehr-Szenario: Kritisierte Amtsträgerinnen verlassen die Partei. Und nehmen den Sitz mit.

Eine zentrale Grundidee des Schweizer Systems lautet: Je mehr Menschen an der Macht teilhaben, desto besser läuft es im Land. Dazu würde eine offizielle Amtszeitbeschränkung beitragen. 

Nein. Es wäre gegen unsere Wahlfreiheit.

Fabian Renz

Wer «Amtszeitbeschränkungen» fordert, führt die Leute schon begrifflich in die Irre. Amtszeiten für politische Mandatsträgerinnen und -träger sind in der Schweiz, wie in jeder Demokratie, seit jeher beschränkt. Eine Parlamentarierin, ein Regierungsrat oder eine Bundesrätin muss nach vier Jahren entweder die Wiederwahl schaffen – oder abtreten.

Der Zürcher SP schwebt unter «Amtszeitbeschränkung» etwas anderes vor. Sie fordert, dass man sich nur noch für maximal drei volle Amtsperioden in die Kantonsregierung wählen lassen darf (heute sind in Zürich unbeschränkt viele Wiederwahlen möglich). Der korrekte Terminus für diesen Vorschlag wäre «Wahlverbot». Den Betroffenen mit mehr als zwölf Dienstjahren soll eine erneute Kandidatur, den Stimmberechtigten die Kür der vermeintlichen Sesselkleber verboten werden. Kann man eine Einschränkung der Wahlfreiheit ernsthaft gutheissen?

Natürlich, wir dürfen schon heute nicht jede Person auf den Zettel schreiben, die uns allenfalls passt. Nicht wählbar sind Ausländer, Minderjährige und Unmündige, aus jeweils nachvollziehbaren Gründen. Nachgerade absurd ist es jedoch, wenn ausgerechnet langjährige Erfahrung zum Ausschlusskriterium werden soll.

Manchmal braucht es unangenehme Gespräche

Es sind denn auch nicht die Stimmbürgerinnen und -bürger, die von der sogenannten Amtszeitbeschränkung profitieren würden. Es sind vielmehr die Ehrgeizlinge innerhalb der Parteiapparate. Jene aufstrebenden Kräfte, die auf ihre Chance warten, die sich morgens vor dem Spiegel fragen: «Warum ist immer noch der im Regierungsrat – statt ich?» So als wären Institutionen wie eine Kantonsregierung nicht für den Dienst am Volk, sondern für die Erfüllung persönlicher Karriereträume geschaffen worden.

Dass Langzeit-Magistraten im Amt auch verkrusten können, ist selbstverständlich nicht zu leugnen. Das Urteil hierüber darf man jedoch getrost dem Wahlvolk überlassen. Und vor allem sind die Parteien als Selektionsinstanzen gefordert.

Falls man beispielsweise in der Stadtzürcher SP der Meinung ist, Stadtpräsidentin Corine Mauch sei nach 17 Jahren reif für die Ablösung: Dann soll man ihr den Rücktritt nahelegen und eventuell Gegenkandidaturen aufbauen. Aber solche Gespräche zu führen, ist natürlich unangenehmer, als bequem darauf zu warten, dass eine Dienstaltersguillotine ihr Werk verrichtet.