Lektion für Belinda Bencic«Ich werde meine Chance noch bekommen»
Endstation Achtelfinal: Die Schweizerin unterliegt Weltnummer 5 Aryna Sabalenka 5:7, 2:6. Trotzdem kann sie aus Australien viel Positives mitnehmen. Und sie weiss nun, woran sie arbeiten muss.
Australien war für Belinda Bencic eine Reise wert. Sie gewann acht von zehn Matches und in Adelaide ihren siebten Titel und kehrte in die Top 10 zurück. Doch ihr Traum, am Australian Open gleich zu Beginn dieser Saison ihren ersten Grand-Slam-Titel zu gewinnen, zerschellte in der Mittagshitze Melbournes an der kraftvoll spielenden Weissrussin Aryna Sabalenka. Wenn die 24-Jährige den Ball nicht nur so wuchtig, sondern auch so präzise trifft wie gegen Bencic, dürfte der Titel über sie führen. Doch das ist für die Schweizerin wohl nur ein schwacher Trost.
Auf dem Weg zum 7:5, 6:2 schlug Sabalenka mehr als doppelt so viele Winner (32:14), denen sie stets ein lautes Stöhnen und manchmal ein «Come on!» hinterherschickte. Bencic ist die raffiniertere Spielerin und konnte dies in der Anfangsphase auch ausspielen, indem sie die Weltnummer 5 von der einen Seite zur anderen schickte. Sie schaffte ein Break zum 2:1 und führte 4:2, ehe Sabalenka den Druck erhöhte und Bencic bei 4:3 und 5:6 ihren Aufschlag jeweils mit einem Doppelfehler abgab. Danach konnte sie ihre entfesselte Gegnerin nicht mehr stoppen.
«Ich bin nicht entmutigt. Ich hatte einen guten Start ins Jahr und kann es kaum erwarten, weiter an mir zu arbeiten.»
«Heute konnte ich nicht mit ihrer Power umgehen», sagte Bencic. «Es war, als ob ich immer wieder geohrfeigt wurde.» Die 26-Jährige wirkte eine Stunde nach der Partie aber schon recht gefasst: «Ich bin nicht am Boden zerstört. Ich finde nicht, dass es eine megaschlechte Niederlage ist. Sie ist im Moment einfach sehr gut in Form. Ich bin jedenfalls nicht entmutigt. Ich hatte einen guten Start ins Jahr und kann es kaum erwarten, weiter an mir zu arbeiten und mein Glück an den Grand Slams wieder zu versuchen.»
Im vergangenen Jahr, als sie an den Majorturnieren nie über die dritte Runde hinausgekommen sei, habe sie das Gefühl gehabt, die Zeit laufe ihr davon. «Aber jetzt spüre ich, dass ich die richtigen Dinge tue und meinem grossen Ziel wieder näher komme. Ich habe noch eine genug lange Karriere vor mir, dass ich meine Chancen noch bekommen werde.»
In der Tat: So ernüchternd die Partie gegen Sabalenka war, Bencic hat im neuen Jahr unter Coach Dimitri Tursunow einen grossen Schritt vorwärtsgemacht. Sie blieb fast immer ruhig und fokussiert und überzeugte von der Grundlinie mit variantenreichem und angriffigem Spiel. Ihre zwei Niederlagen in Australien kassierte sie gegen Weltnummer 1 Iga Swiatek (am United Cup) und Sabalenka, gegen zwei absolute Topspielerinnen. Darauf lässt sich aufbauen.
Ihr Achtelfinal in Melbourne zeigte ihrem Coach aber auch auf, woran er mit ihr prioritär noch arbeiten muss: am Aufschlag. Gegen Sabalenka brachte sie nur 53 Prozent der ersten Aufschläge ins Feld und produzierte sie acht Doppelfehler – davon drei bei Breakbällen. Die Sonne habe sie gestört, wenn sie nach rechts aufgeschlagen habe, sagte Bencic. Fakt sei aber, dass Sabalenka mit diesen Bedingungen gut umgegangen sei. Also könne ihr das nicht als Ausrede dienen.
Sabalenka als Beispiel
Der Schlüssel ist für Bencic ein soliderer zweiter Aufschlag. Auch von schwächeren Gegnerinnen wird ihr zweiter Service gerne attackiert. Und wenn sie in Bedrängnis gerät, kommen die Doppelfehler. Als gutes Beispiel darf Sabalenka dienen, die bekannt war für ihre Doppelfehler-Orgien und nun während eines Jahres ganz intensiv am Aufschlag gefeilt hat. Die Aufschlagbewegung ist sehr komplex, aber an ihr lässt sich arbeiten. Es ist der einzige Schlag, bei dem man nicht reagieren muss. Doch natürlich gilt es, behutsam Änderungen anzubringen. Denn ist das Vertrauen in den Aufschlag einmal weg, wird es schwierig.
Tursunow hat mit Bencic noch ganz viel vor. «Sie kann eine aggressivere Spielerin werden», sagte der Russe im Interview mit dem Schweizer Fernsehen. «Ich glaube, tief in ihr drin gefällt ihr diese Idee. Aber von einer Konterspielerin zu einer Spielerin zu werden, die zuerst die Initiative ergreift, ist nicht einfach. Dazu muss sie ihre Denkweise ändern.»
Zuerst mal in die Berge
Bencic sagte: «Wir sind dran, dass ich noch mehr Power in mein Spiel bringen kann, noch mehr freie Punkte mit dem Aufschlag bekomme und defensiv noch besser werde.» Das ist gleich vieles auf einmal. Fürs Erste geht es zurück nach Europa. «Vielleicht gehen wir ein paar Tage in die Berge, um Kraft zu tanken. Das hilft immer», sagte sie. Sie freue sich jedenfalls sehr auf ihre Hündin Paula.
Viel Zeit, um durchzuschnaufen, bleibt nicht. Bereits in zwei Wochen geht es weiter mit dem Turnier in Abu Dhabi (6. Februar), dann folgen Doha (13.) und Dubai (19.). Eine längere Trainingspause liegt nicht drin. Und was ist mit Coach Tursunow? Sieht ihn Bencic erst am nächsten Turnier wieder? «Nein, der kommt mit. Wir schleppen ihn jetzt einfach mal mit in diesem Jahr», sagte sie schmunzelnd.
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