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25 Jahre «Harry Potter»
Als Millionen Kinder von Hogwarts zu träumen anfingen

Was ist der Sinn des Lesens? Harry Potter, gespielt von Daniel Radcliffe, mit Eule Hedwig, in der Verfilmung der Romanreihe um den Zauberlehrling.
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Der Sinn des Lesens ist, sich in andere Welten transportieren zu lassen. Um einen bekannten Spruch aus dem Internet zu zitieren: Man starrt auf seltsame Zeichen, die auf totes Holz gedruckt sind, und halluziniert dabei wie wild. Die Dursleys, Harry Potters Pflegefamilie, würden natürlich nie halluzinieren, nichts mögen sie weniger als das Seltsame und Unerwartete – oder, um es mit jenen seltsamen Zeichen zu sagen, auf die man vor 25 Jahren zum ersten Mal starren konnte: «Mr. und Mrs. Dursley im Ligusterweg Nummer 4 waren stolz darauf, ganz und gar normal zu sein, sehr stolz sogar.»

Am 21. Juli 1998 erschien «Harry Potter und der Stein der Weisen» auf Deutsch, und es passierte erst einmal: gar nicht so viel. In der «Süddeutschen Zeitung» etwa erschien nur eine kleine, begeisterte Rezension auf der Literaturseite. Das Buch sei «eine fantastische Geschichte», von J. K. Rowling mit spürbarer Begeisterung leichthin erzählt, «als machte es ihr nicht die geringste Mühe, eine Erzählweise zu finden, die ihre Leserinnen und Leser sicher fesselt und nicht wieder loslässt, bevor sie dieses Buch ganz verschlungen haben».

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«Jedes Kind wird seinen Namen kennen», sagt Schulleiter Albus Dumbledore im ersten Kapitel über Baby Harry, der gerade den Angriff des bösen Zauberers Voldemort überlebt hatte. Er sollte recht behalten. Schon bei Erscheinen des dritten Bandes musste in Grossbritannien der Verkaufsstart auf den Nachmittag gelegt werden, um zu verhindern, dass zu viele Kinder die Schule schwänzen. Danach wurden die internationalen Bestsellerlisten von drei Kinderbüchern, nämlich den Potter-Bänden eins, zwei und drei, gleichzeitig angeführt. Die Feuilletons grübelten: Wie hatte Rowling all die Muggels derart verzaubert?

Spannende Handlung, fesselnde Erzählweise, kreative Sprache

Die Antwort ist simpel: Es ist eine magisch gute Geschichte. Spannende Handlung, fesselnde Erzählweise, kreative Sprache. Ja, es gibt in der Handlung logische Löcher, in denen man eine Herde Hippogreife verstecken könnte. Es spricht aber für Rowlings Brillanz als Erzählerin, dass sie es, erstens, mit recht wenigen Ungereimtheiten über die insgesamt 4192 Seiten geschafft hat und dass einem, zweitens, diese erst bei der zwanzigsten Lektüre auffallen – und normalerweise liest niemand Bücher so oft. Im Harry-Potter-Universum ist aber nichts normal, und so ist das Internet voll von Seiten, in denen sich Fans über die «Plot Holes» austauschen, streiten und sie zu füllen versuchen.

Wer oder was ist normal – und ist es erstrebenswert, es zu sein? Das ist die zentrale Frage für Harry Potter, der ungeliebt bei seiner Tante und seinem Onkel, den Dursleys, aufwächst und sich nicht richtig zugehörig fühlt. Dann, endlich, an seinem elften Geburtstag, bringt ihm eine Eule den Brief, der alles verändert: Er erfährt, dass er ein Zauberer ist, sogar ein berühmter, weil der böse Magier Voldemort bei seinem Versuch, Harry umzubringen, selbst alle seine Kräfte verlor. Er wird ihn erneut angreifen, die nächsten sieben Bücher lang, immer wieder.

Wer oder was ist normal – und ist es erstrebenswert, es zu sein? Harry Potter (r.) und sein Schulfreund Ron Weasley (gespielt von Rupert Grint).

Die magische Welt gleich neben der echten, zu der nur Auserwählte Zutritt haben, ist ein altbekanntes Fantasy-Motiv. Astrid Lindgrens «Mio, mein Mio» erfährt vom Geist aus der Flasche, dass er in einem anderen Land ein Prinz ist. Bei C. S. Lewis betreten Kinder einen Wandschrank und landen in Narnia, wo sie selbstverständlich auch Könige und Königinnen sind.

Nicht wenige fantasiebegabte Kinder (und die ein oder andere Erwachsene) warten deswegen nun seit 25 Jahren auf ihre Eule aus der Zauberschule Hogwarts – auf die Nachricht, dass sie eigentlich etwas ganz Besonderes sind, was bisher eben nur noch keiner gemerkt hat. Bis dahin bleibt ihnen nur, weiter auf Zeichen zu starren und wild zu halluzinieren – vielleicht von einer seltsamen, parallelen Gegenwart, in der man zaubern kann.